Frage an Christiane Blömeke von Gottfried B. bezüglich Bildung und Erziehung
G o t t f r i e d B r a n d s t ä t e r
An die Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft
Frau Christiane Blömeke
Sehr geehrte Frau Bloemeke!
Wie wir kürzlich in der Presse gelesen haben, werden die Schulleiter zur Namensnennung von Kindern verpflichtet, die nicht bei den deutschen Behörden gemeldet sind, aber dennoch die Schule besuchen. Das sind Kinder von Eltern, die sich illegal in der Stadt aufhalten, deren Zahl auf mehrere Tausend allein in Hamburg geschätzt wird. Es betrifft auch Kinder, die in Deutschland geboren sind, deren Geburt jedoch aus Angst vor möglicher Abschiebung standesamtlich nicht registriert worden ist.
Die geforderte Meldepflicht wird, wie zu befürchten ist, zur Folge haben, daß diese Kinder nicht mehr zum Schulunterricht erscheinen werden.
Nach dem Sozialpakt der Vereinten Nationen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Art. 13, hat jedes Kind ein Recht auf Bildung. Da die Bundesrepublik sich zur Umsetzung dieser Rechte verpflichtet hat, sind die Länder als Träger der Kulturhoheit hier in der Pflicht.
Das gleiche Recht auf Bildung schreibt die Kinderechtskonvention in Art 28 vor.
Die neuerliche Meldepflicht stürzt viele Schulleiter in Gewissenskonflikte mit ihrem Berufsethos und wird dazu führen, daß diese Kinder in die Isolation abgedrängt werden.
Das bedeutet,
1)daß der Senat hier die allgemeinen Menschenrechte verletzt,
2) daß der Senat dazu Anlaß gibt, daß viele ungebildete Kinder und Familien herangezogen werden, die später zu einer Gefahr für sich selbst und für den Staat werden, weil sie nicht mehr integriert werden können.
Wir, die Unterzeichner, befürchten, daß mit der Nichtbeschulung illegaler Kinder der Grund zu Verzweiflungstaten oder kriminellen Handlungen gelegt werde. Beispiele aus Paris zeigen, was aus inkriminierten und nicht integrierten Familien werden kann.
Wir fragen daher, was Sie zu tun gedenken, daß die gefährdeten Kinder einen Status erhalten, der ihnen ermöglicht, angstfrei Kindergärten und Schulen zu besuchen, und menschenwürdig zu leben.
Wir hoffen, daß Sie sich bei Ihrer Antwort nicht darauf zurückziehen, daß der Senat sehr wohl die Meldung aller Kinder verlangen dürfe. Das steht außer Frage. Es geht uns um die politische Wirkung der o. g. Maßnahme.
Als eine weitere Frage schließen wir an, was Sie in Ihrer Tätigkeit im Ausschuß Familie Kinder und Jugend zu tun gedenklen, um weitere Fälle wie Jessika zu verhindern. Wir meinen, daß die Erhöhung der Zahl der Mitarbeiter in der Kinder und Jugendbildung unbedingt notwendig ist, damit eine intensive Betreuung der Kinder bereits im Kleinstkinderalter gewährleistet ist. So wird erreicht werden, daß Verweiflungstaten verhindert werden.
Auch hier erwarten wir, daß Sie sich mit Ihrer Antwort nicht auf fehlende Finanzen zurückziehen, solange noch Geld für Prestigeprojekte vorhanden ist.
Mit freundlichem Gruß Gottfried Brandstäter
Barbara Garde, Ingrid Schneider, Georg Behrmann
Sehr geehrter Herr Brandstäter,
haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Fragen, die wichtige, aber auch umfangreiche Themen ansprechen. Zu Ihrer ersten Frage, die sich mit dem Thema der Meldepflicht und der Beschulung von Kindern beschäftigt, die keinen Aufenthaltsstatus haben. Ich kann mich hier Ihren Gedanken und Ausführungen voll und ganz anschließen. Die GAL hatte bereits im Rahmen einer Unterschriftenkampagne (auf der ich selber auch unterschrieben habe) deutlich gemacht, dass sie von einer Meldepflicht nichts hält. Ebenso, wie Sie, befürchten wir ,dass die Folgen dramatisch wären, da die Kinder dann der Schule fern bleiben würden und das im Sinne einer Benachteiligung keineswegs hinzunehmen ist. Doch wir wollen das Thema auch parlamentarisch weiter bearbeiten und haben aus diesem Grund für die nächste Bürgerschaftssitzung am 16.11. einen Antrag in das Parlament eingebracht, der sich mit Lösungsmöglichkeiten beschäftigt. Den Wortlaut des Antrages, der am Donnerstag auch debattiert wird, können Sie in den nächsten Tagen im Internet erhalten oder direkt bei uns anfragen.
Ihr zweites Thema, das der vernachlässigten Kinder, ist so umfangreich, dass es als "Zweitfrage" den Rahmen des Abgeordnetenwatch sprengt. Ich will Ihnen dennoch kurz schildern, wie ich als kinder - und jugendpolitische Sprecherin das Thema beurteile. Vorweg: Fälle, wie Jessica können wir möglicherweise nie ganz verhindern, aber wir können die Chancen senken, dass solche dramatischen Vernachlässigungen geschehen. Im Bereich der Kindertagesbetreuung drängen wir seit längerem darauf, dass die Kinder aus benachteiligten Elternhäusern gleiche Rechte und gleiche Chancen auf Bildung erhalten, wie die Kinder berufstätiger Eltern. Wie Sie möglicherweise wissen, richtet sich die Betreuung der Kinder nach der Lebenslage der Eltern. Dort, wo Elternteile zuhause sind, haben Kinder unter drei Jahren keinen Anspruch auf Betreuung und über 6 Jahren auch nicht. Das wollen wir ändern und darum fordern wir in der nächsten Bürgerschaftssitzung in einem Antrag die Ausweitung des Rechtsanpruches auf eine Kindertagesbetreuung ab dem 1. Lebensjahr. Für die Haushaltsplanung legen wir dazu auch ein umfassendes Finanzierungskonzept vor. Alleine ist dieses aber nicht ausreichend. Viel mehr benötigen wir auch noch sogenannte niedrigschwellige Angebote, d.h. wir brauchen viel mehr Straßensozialarbeiter, denen es gelingt zu Eltern und Kindern vor Ort eine Beziehung aufzubauen ,denn diese Eltern kommen nicht in öffentliche Beratungsstellen. Auch bei den allgemeinen sozialen Diensten ist die Anzahl der Stellen keineswegs ausreichend, um präventiv Fälle wie Jessica zu verhindern. Der ASD muss personell in die Lage versetzt werden Hausbesuche zu machen, doch da hinkt die Planung des Senats hinsichtlich der Stellenanzahl weit hinter her. Weitere Maßnahmen sind für uns der Ausbau von Ganztagesplätzen in der KITA für Kinder aus benachteiligten Elternhäusern, die EInrichtung von Familienzentren, Ganztagesschulen in sozialen Brennpunkten und vieles mehr. Ich verweise hier auf die kommenden Haushaltsberatungen, in denen wir schwerpunktmäßig Anträge stellen, die sich mit der Förderung von Kindern und dem Schutz von Kindern beschäftigen. Zu diesen Anträgen werden wir jeweils auch Finanzierungskonzepte vorstellen, damit deutlich wird, dass nicht die fehlenden Finanzen das Problem sind, sondern die Schwerpunktsetzung des Senats bei der Verteilung der Gelder.
In einer gerade neu erschienenen Broschüre , die wir als GAL Fraktion erstellt haben "Ankoppeln statt Abhängen" (kann über die Geschäftsstelle der GAL Fraktion besorgt werden) , beschäftigen wir uns mit dem Problem der sozialen Spaltung in der Stadt und ihren Lösungsmöglichkeiten, denn Vernachlässigung findet häufig dort statt, wo Eltern ihre Probleme nicht mehr alleine tragen können, bzw. sich alleine gelassen fühlen. An meinem Verweis zu den diversen Drucksachen oder der Broschüre können Sie schon erkennen, dass dieses Thema noch weit umfangreicher ist, als ich es hier kurz geschildert habe. Vielleicht mögen Sie sich ja ergänzend zu dieser Antwort die eine oder andere ausführlichere Antwort aus den Drucksachen holen. Ansonsten stehe ich Ihnen für weitere Nachfragen gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüße von Christiane Blömeke