Frage an Christian Schmidt von Stefan G. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Schmidt,
mit ca 18 000 Teilnehmern fand am Wochenende in Berlin zum wiederholten Mal eine Demonstration zur Stärkung der bäuerlichen Landwirtschaft und der Vielfalt (ökologisch, saatguttechnisch, sozial, usw.) statt - gegen das Höfesterben und das Entstehen von immer mehr riesigen Landwirtschaftsindustriebetrieben, gigantischen Monokulturen, Zulassung von nur wenigen Sorten weniger Konzerne. Sie finden den Forderungskatalog z.B. hier:
http://www.wir-haben-es-satt.de/start/aufruf/
Tatsächlich dient der Protest nicht dem Selbstzweck und man würde gerne ihre konkrete Meinung wissen.
Wie äußern Sie sich zu den Forderungen der Demonstration und welche konkreten Schritte zur Stärkung der bäuerlichen Landwirtschaft (d.h. kleine und mittlere Höfe) planen Sie?
Oder ist es so, dass ihnen kleine Höfe eigentlich egal sind und sie lieber gentechnisch verändertes Saatgut von Konzernen im großen Maßstab angebaut sähen? Dazu eine Tierhaltung die auf die Produktion großer Mengen möglichst billiger Lebensmittel zielt?
beste Grüße und vielen Dank im Voraus für ihre Antwort
Sehr geehrter Herr Großhauser,
vielen Dank für Ihre Frage zur Landwirtschaftspolitik der Bundesregierung. Mein Ziel sind attraktive, lebenswerte und vitale ländliche Räume. Landwirtschaft gehört in der Mitte der Gesellschaft: Sie soll nachhaltig, ökologisch verantwortbar, ökonomisch leistungsfähig und vielseitig sein. Familienbetriebe und Unternehmen mit bäuerlicher Wirtschaftsweise entsprechen diesem Leitbild in besonderer Weise.
Für die Bundesregierung steht dabei nicht die Abgrenzung unterschiedlicher Betriebsformen, oder -größen, oder die Wirtschaftsweise im Vordergrund, sondern die agrar-, umwelt- und tierschutzpolitischen Ziele. Die Bundesregierung gestaltet die agrarpolitischen Rahmenbedingungen so, dass sie eine leistungsfähige Landwirtschaft ermöglichen, die zur Wertschöpfung, Arbeit und Einkommen in ländlichen Räumen beiträgt.
Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) 2013 konnten für Deutschland jährliche Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe von 4,85 Mrd. Euro gesichert werden. Dabei ist eine verstärkte Verknüpfung von Fördermitteln an gesellschaftlich gewünschte Umweltleistungen („Greening“) erfolgt. Bei der nationalen Umsetzung der GAP wurden bereits Maßnahmen zur stärkeren Förderung kleinerer und mittlerer Betriebe integriert. So erhalten die Landwirte für die ersten 30 Hektar ihrer Flächen zusätzlich rund 50 Euro je Hektar und Jahr, für die nächsten 16 ha rund 30 Euro je Hektar und Jahr.
Für die zukünftige Förderperiode der GAP wollen wir mit den Direktzahlungen noch stärker bäuerliche, viehhaltende Betriebe fördern, die wegen der Preisvolatilitäten und der gesellschaftlichen Ansprüche besonders gefordert sind. Damit soll eine flächengebundene Tierhaltung und regionale Wertschöpfung unterstützt werden. Zudem sollen die Direktzahlungen primär Familienbetrieben zu Gute kommen, nicht außerlandwirtschaftlichen Investoren.
Der besonderen Rolle von Familienbetrieben wird auch in der konkreten Umsetzung der Agrarpolitik Rechnung getragen. Unter anderem fördern Maßnahmen der agrarsozialen Sicherung, der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) oder des Steuerrechts gezielt Familienbetriebe. Zusammen mit den Ländermitteln betragen die Gesamtmittel der GAK über eine Milliarde Euro pro Jahr. Hinzu kommen Mittel aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums in Höhe von über 1,3 Milliarden Euro pro Jahr sowie weitere Mittel der Länder und Gemeinden.
In einer offenen Gesellschaft und angesichts der bestehenden Herausforderungen einer wachsenden Weltbevölkerung, des Klimawandels und sich verändernder Werte sind Diskussion und Infragestellung des bisherigen Handelns selbstverständlich und notwendig.
Auf meine Initiative hin haben Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Zivilgesellschaft, Kirche, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie Politik miteinander gesprochen, nicht übereinander. Ziel dieses Dialog-Prozesses war ein besseres Verständnis, für eine größere Akzeptanz und Wertschätzung, für mehr Transparenz und auch darum, den Blick für das Machbare zu schärfen.
Aus diesem Dialog ist das „Grünbuch Ernährung, Landwirtschaft, Ländliche Räume“ entstanden, die Grundlage für mein politisches Handeln. Das Grünbuch definiert Leitlinien und beschreibt Maßnahmen für eine moderne, nachhaltige und gesellschaftlich akzeptierte Ernährung, Lebensmittelerzeugung, Land- und Forstwirtschaft und Fischerei. Und es zeigt Wege, ländliche Räume als attraktive und eigenständige Lebens-, Wirtschafts-, Erholungs- und Naturräume zu stärken.
Anlässlich der diesjährigen Internationalen Grünen Woche habe ich, übrigens wie schon im Jahr zuvor, Vertreter der Initiative „Wir haben es satt“ und der Aktion „Wir machen Euch satt“ eingeladen, um über die Zukunft der Land- und Ernährungswirtschaft zu diskutieren. Mein Ziel ist es, weiterhin alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und eine offene Diskussion zu führen. Denn die deutsche Landwirtschaft kann langfristig nur dann erfolgreich sein, wenn sie von einer breiten gesellschaftlichen Akzeptanz getragen ist. Dazu braucht es einen fairen gesellschaftlichen Dialog, der von gegenseitigem Respekt getragen ist.
Die Schaffung von Zukunftsperspektiven für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft sowie die ländlichen Räume wird gelingen, wenn alle Beteiligten nicht auf vorgefassten Standpunkten beharren, sondern einen lösungsbezogenen Dialog führen. Denn nur im Miteinander gelingt eine Landwirtschaft, die gesellschaftlich akzeptiert, wirtschaftlich tragfähig und fest verankert ist in der Mitte der Gesellschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Schmidt MdB
Bundesminister