Christian Paulus
SPD
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Frage von Heidi D. •

Frage an Christian Paulus von Heidi D. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Paulus,

laut Wahlprogramm will die SPD die Verkehrsteilnehmer in Berlin nicht gegeneinander ausspielen, weil zu einem umfassenden Konzept angeblich auch die Weiterentwicklung der Stadtautobahn gehört. Durch die Verlängerung will die SPD angeblich insbesondere Wohngebiete entlasten und zum innerstädtischen Lärmschutz beitragen, um die Stadt weiterhin lebenswert zu erhalten.

Ihnen als bekennender Fahrradfahrer wird sicherlich nicht entgangen sein, dass es in Berlin eine veränderte Mobilität gibt.

Zum WK 4, für den Sie kandidieren, gehört u. a. auch die Wilhelm-Guddorf-Straße und die Frankfurter Allee (FA). In der Wilhelm-Guddorf-Straße 6 – 20 gibt es über 350 Wohnungen, deren Mieter durch die den Wohnblock unmittelbar tangierende, ebenerdig und in Hochlage geplante Autobahntrasse in unerträglichem Maße belastet würden. Von Entlastung kann hier keine Rede sein. Eine Autobahn durch Lichtenberg würde die Lebens- und Wohnqualität in unserem Wohnkiez dramatisch beeinträchtigen. An der Kreuzung FA mit seinen Einkaufsmöglichkeiten würde es auch sehr unwirtlich werden, wenn die Autobahn die FA in Hochlage über das Flachdach des Ringcenters 2 hinweg überqueren sollte – nicht nur für alle Anwohner, sondern auch für die vielen Menschen, die hier U-Bahn, S-Bahn und Straßenbahn nutzen.
Die Lärm- und Feinstaubbelastung, die schon jetzt in der FA permanent im roten Bereich liegt, würde sich mit dem Weiterbau der A 100 drastisch erhöhen. Und die FA würde weiterhin permanent überlastet sein.

Meine Frage an Sie: Wie positionieren Sie sich zum Weiterbau der A 100? Wollen Sie wirklich, dass in Lichtenberg eine Transitstrecke mit gigantischen Betonbauten entstehen soll, von der wir als Lichtenberger eine drastisch erhöhte Lärm- und Feinstaubbelastung abbekommen würden? Falls Sie irgendeinen Nutzen für Lichtenberg, oder noch besser für Berlin, erkennen sollten, teilen Sie mir bitte Ihre Argumente mit.

Mit freundlichen Grüßen
H. D.

Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau D.,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Die A100 ist ein großes Thema im südlichen Fennpfuhl, entlang der Möllendorffstraße und in den Frankfurter Allee Süd. Ich finde es gut, dass Sie hier die Bürgerinitiative Wilhelm-Guddorf-Straße mitgegründet haben und sich aktiv um die Zukunft unseres Kiezes engagieren. Wie Sie wissen, ist die Thematik komplex und entsprechend lang meine Antwort.

In Ihrem Schreiben machen Sie bereits deutlich, dass Ihnen die SPD-Position zum Autobahnbau hinlänglich bekannt ist. Sie benutzen mehrfach das Wort „angeblich“. Ich möchte hier deutlich machen, dass die SPD nicht nur angeblich Wohngebiete mit dem Bau entlasten möchte, sondern sie möchte es. Die SPD möchte Wohngebiete entlasten, zum innerstädtischen Lärmschutz beitragen und die Stadt weiterhin lebenswert erhalten. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Häuser in der Wilhelm-Guddorf-Straße nicht dazu gehören werden. Entlastet werden die Gebiete im weiten Umfeld der geplanten Autobahn. Dazu gehört auch die Buchberger- und Schulze-Boysen-Straße. Nicht aber diejenigen Wohngebäude, die direkt entlang der Streckenführung stehen. Das liegt in der Natur der Sache, wenn man eine Autobahn mitten in einer Stadt baut. Die SPD bzw. ihr Landesparteitag hat abgewogen, ob die Nachteile für die direkten Anwohner*innen der geplanten Autobahn die Vorteile für alle anderen Berliner*innen überwiegen und ist zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht der Fall ist.

Nun haben Sie mich aber nach meiner persönlichen Positionierung gefragt. Ich trete für das Abgeordnetenhaus an, um das Bestmögliche für die Menschen zwischen Paul-Junius-Straße und Kiezspinne herauszuholen. Und zwar in der Praxis. Ich möchte mich dafür einsetzen, was ich als realistisches Ziel sehe und nicht dafür, was mir zwar am meisten Stimmen bringt, am Ende aber nur als eine dieser Versprechungen endet, die Politiker*innen im Wahlkampf gemacht haben und dann nicht einhalten konnten. So entsteht Politikerverdrossenheit.

Die Autobahn ist im jetzigen Planungsstadium nichts anderes als ein Wunsch des Bundesverkehrsministeriums. Der Moment der Wahrheit kommt, wenn das Planfeststellungsverfahren eingeleitet wird. Dann laufen die Fachleute mit den Klemmbrettern durch den Bezirk und erstellen genaue Trassenvarianten, Lärmschutzkonzepte, Bodengutachten und vieles mehr. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, auf allen Ebenen aktiv zu werden. In den Parlamenten, in den Gremien und Bürgerversammlungen und auf der Straße. Dann wird es auch Bürgerbeteiligungsverfahren geben, die ihren Namen verdient haben. In diesem Prozess möchte ich mich dafür einsetzen, das Maximum für die Lichtenberger*innen herauszuholen. Das Bestmögliche. Maximaler Lärmschutz inkl. Schallschutzverglasung für alle, Verkehrsberuhigung und Begrünung der Frankfurter Allee Süd, flächendeckende Sanierung aller Bürgersteige, Radfahrstraßen, höhere Taktzeiten im ÖPNV und zusätzliche Buslinien. Man könnte bei der Gelegenheit auch die Verkehrsberuhigung der Frankfurter Allee West dazu nutzen, die Straßenbahn in die Frankfurter Allee einmünden zu lassen und zusammen mit der Autobahnbrücke einen integrierten S+U+Trambahnhof zu bauen. Von all diesen Maßnahmen würden alle Anwohner*innen profitieren – auch die im weiteren Umfeld. Bei einem Bauvorhaben dieser Größe ist genug Kapital im Spiel, damit auch etwas für uns abfällt. Außerdem möchte ich im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens prüfen lassen, die Autobahn bis zum Güterbahnhof in Tunnellage zu belassen. Wenn unter dem Ostkreuz Platz ist, dann auch unter der U5. Das ist zwar teurer, aber erstens spart man dann die Kosten für einen Großteil des Lärmschutzes und zweitens wird sich auch der Nutzenfaktor durch die dann höheren Geschwindigkeiten im unterirdischen Teil erhöhen.

Ich halte diesen konstruktiven Ansatz für erfolgversprechender, als sich als Politiker*in hinzustellen und einfach zu sagen: A100, nicht mit mir. Das ist ein Pokerspiel, alles oder nichts. Denn wenn man dann im Parlament überstimmt wird, hat man nichts erreicht. Keinen zusätzlichen Lärmschutz, keine Verkehrsberuhigung, kein… ich möchte meine Aufzählung von oben hier nicht wiederholen. Mit der Lebensqualität der Lichtenberger*innen möchte ich jedenfalls nicht pokern.

Meine Position werden Sie als Bewohnerin der Wilhelm-Guddorf-Straße und aktive Kämpferin gegen die Autobahn wahrscheinlich kritisch sehen. Mir wäre es aber schon viel wert, wenn ich Sie überzeugen konnte, dass wir beide das Beste für unseren Kiez wollen und dabei in unseren unterschiedlichen Rollen zu unterschiedlichen Herangehensweisen kommen. In jedem Fall wünsche ich mir, dass Sie sich weiter engagieren. Denn eine wache Anwohnerschaft hilft unser beider Anliegen.

Mit besten Grüßen
Christian Paulus