Frage an Christian Nürnberger von Christoph B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Nürnberger,
eigentlich hatte ich schon vor die SPD zu wählen. Allerdings frage ich mich nach dem Kandidatencheck schon, ob das immer noch die richtige Entscheidung ist.
Sie geben zu vielen entscheidenden Fragen keine konkrete Antwort und bleiben neutral. Von dieser Neutralität haben wir eigentlich schon genug gehabt die letzten Jahre unter Frau Teflon. Zum Beispiel ist die Frage zur Spitzensteuer eine entscheidende für mich: Es kann ja nicht angehen, dass die Spitzenverdiener immer mehr bekommen und die einfachen Arbeiter immer weniger. Diesem muss mann entgegentreten mit höheren Spitzensteuern und Vermögenssteuern. Noch dazu wo man das Geld für Investiotionen und den Schuldenabbau dringend benötigt. Ähnlich ergeht es mir bei den Fragen der Leiharbeit und der Energiewende. Die Unternehmen werden entlastet und die Arbeitnehmer zahlen die Kosten der Energiewende und bekommen Niedriglöhne in der Leiharbeit. Wie soll man da den immer mehr steigenden Strom noch bezahlen?
Deshalb frage ich mich, ob Sie mit Ihrer neutralen Einstellung zu entscheidenden Fragen der richtige Kandidat sind um mich und viele andere aus der Region im Bundestag zu vertreten?
Sehr geehrter Herr Burkard,
Vielen Dank für Ihr Schreiben an mich. Es freut mich, dass Sie sich Ihre Wahlentscheidung nicht leicht machen.
Ich habe es mir auch nicht leicht gemacht, als ich die von Ihnen angesprochenen Fragen beantwortete und kann verstehen, dass Sie „neutrale“ Antworten nicht befriedigen.
Aber es gibt einfache Fragen, deren Beantwortung kompliziert ist und nicht guten Gewissens mit einem simplen Ja oder Nein erledigt werden kann. Immer dort, wo mir ein Ja oder Nein zu simpel war, habe ich neutral angekreuzt.
Um mit Ihrer Frage nach der Spitzensteuer zu beginnen: Schon dann, wenn wir für alle Einkommen eine Steuer von - sagen wir - 20 Prozent hätten, würden die hohen Einkommensbezieher höhere Steuern zahlen als Geringverdiener. 20 Prozent von 100.000 wären 20.000. Wer nur 30.000 verdient, zahlte nur 6.000.
Tatsächlich zahlen die Gutverdiener aber noch viel mehr, weil sie überproportional besteuert werden - nicht 20, sondern 30, 40, 45 Prozent, also 45.000 Euro bei 100.000 Euro Einkommen.
Nun kann man sagen, selbst wenn er 50 Prozent zahlte, blieben ihm immer noch mehr als demjenigen, der nur 20.000 verdient.
Stimmt schon. Aber irgendwo ist eine Grenze, ab der der Gutverdiener sagt: Ich habe keine Lust mehr, mir regelmäßig die Hälfte meines Einkommens vom Staat wegnehmen zu lassen. Also sucht er nach Steuerschlupflöchern, Steuervermeidungstricks oder verschiebt sein Geld gleich auf eine Steueroase. So geschehen nach der Wende, als sich immer deutlicher herausschälte, dass die Kosten der deutschen Einheit wohl nicht aus Waigels Protokasse zu bezahlen sein werden. Zurück blieben die Ehrlichen, und das waren die Dummen.
Die Steuern für Reiche immer weiter zu erhöhen, führt also irgendwann an ein Grenze, an der die Steuereinnahmen nicht mehr steigen, weil die Reichen es verstehen, sich ihrer Pflichten zu entziehen.
Nun kann man sagen: Dass muss der Staat eben Steuervermeidungstricks aus der Welt schaffen, Steuerhinterziehung verhndern, Steueroasen austrocknen, mehr Steuerfahnder einstellen, das komplizierte Steuerrecht vereinfachen - und genau das hat für mich Priorität vor Steuererhöhungen.
Dann gibt es diese berühmte „Laffer-Kurve“. Der gleichnamige Ökonom behauptet einen klaren Zusammenhang zwischen dem Steuersatz und den Steuereinnahmen, wobei letztere für den Staat wieder sinken, sobald ein "optimaler" Steuersatz überschritten wird. Dieser liegt -zumindest in den USA- nach den jüngsten Statistiken zwischen 32 und 36%.
Inwieweit diese Zahlen stimmen, vermag ich nicht zu beurteilen, aber in der Tendenz leuchtet mir dieser Zusammenhang ein.
Schließlich fehlt mir noch ein weiterer Gesichtspunkt in der ganzen Steuerdiskussion. Man spricht hauptsächlich immer von den „Gutverdienern“, und diesen bürdet man die größte Steuerlast auf, während es manchem „Geringverdiener“ in Wahrheit vielleicht finanziell viel besser geht als dem „Gutverdiener“ - nämlich dann, wenn der Geringverdiener viel und der Gutverdiener nichts geerbt hat. Der eine hat dann zwar ein relativ geringes Einkommen, aber nennt immerhin ein Haus sein eigen, für das er auch noch Miete kassiert. Der andere hat ein höheres Einkommen, aber muss sich damit hoch verschulden, um erst mal zu einem Haus zu kommen.
Es gäbe noch mehr Argumente zu dem Thema. Ich wollte Ihnen damit nur begründet haben, warum mir „Steuern rauf“ zu einfach ist.
Ähnlich zur Energiewende: Natürlich ist es unerträglich, dass deren Kosten dem kleinen Stromkunden aufgebürdet werden, während die Unternehmen ungeschoren davonkommen. Aber wenn ein Unternehmen dann sagt, der Strom hier ist mir zu teuer, ich verlagere meine Produktion ins Ausland, dann sind hier Arbeitsplätze weg. Eben deshalb ist es nicht so einfach mit den Energiepreisen.
Niedriglöhne, Leiharbeit, Werkverträge mag ich nicht, will ich nicht. Wenn sie aber einen Arbeitslosen zurück ins Arbeitsleben schleusen und dieser nach einer amgemessenen Frist einen Normaljob bekommt, dann halte ich sie für vertretbar.
Hoffe, mich Ihnen damit verständlicher gemacht zu haben.
mit besten Grüßen
Christian Nürnberger