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Christian Lindner
FDP
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Frage von Edgar R. •

Frage an Christian Lindner von Edgar R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Lindner,

herzlichen Dank an Sie für die Möglichkeit, zu einem wesentlichen Thema, Fragen stellen zu können!
Meine zwei brennendsten Fragen zum Friedensbeitrag: Wie können Sie sich in Gegenwart von unserer Generation, den negativen Politikwechsel gegenüber von Russland und China erklären? Und welche gegensteuernden Maßnahmen unternimmt Ihre Partei, z. B. im Bund, um eine brandgefährliche Konfliktsituation für die nahe Zukunft abzuwenden?

Diese Fragestellung beruht natürlich unter der Berücksichtigung von einigen bekannten Stolpersteinen und Reibungspunkten innerhalb der Ost-Westbe-ziehungen, welche zu den bekannten Gegenargumenten führten.

Wenn man diese einmal nach Ost-West gegeneinander aufrechnet, findet man erstaunlicherweise mehr irritierende Fakten auf Seiten des Westens.

Begleitgedanken zu den Fragen an Sie:
Besonders die älteren, „kriegsnäheren“ Generationen wundern sich, warum man seit einigen Jahren einen solchen offensichtlichen Politikwechsel durch die westliche Seite vollziehen konnte.
Ist es nicht so, dass die stetig gebrauchten Argumente von unserer Seite die Friedensbewegungen haben ermüden lassen?
Ist es nicht so, dass wir aus der Geschichte diese Form von kurzsichtigen Argumenten vor vielen Kriegsausbrüchen kennen?
Ist es nicht so, dass Beziehungspflege mehr hilft, als Vorhaltungen, Aufrechnungen, Einmischungen, Druck und ständig neue Sanktionen?
Ist es nicht so, dass man zur wahren Konfliktlösung, Ehrlichkeit und Akzeptanz vorweisen muss, um gemeinsam von einem Ausgangspunkt starten zu können??
Ist es nicht so, dass alleine der Wille zum Ziel eines gemeinsamen Friedens die entscheidende Basis bietet, ohne Voreinstellungen??
Warum haben die alten warnenden Sätze, wie z. B., „nie wieder Krieg“, ihre Greifbarkeit und Wirkung verloren?

In Hochachtung

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Reinbold,

vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihre Fragen zum Themenkomplex der internationalen Beziehungen, insbesondere mit Russland und China.

Ich möchte eines vorweg nehmen: Diplomatie, internationale Zusammenarbeit und Handel sind dann besonders fruchtvoll, wenn Vertragspartner an Win-Win Konstellationen interessiert sind. Wir beobachten jedoch immer stärker eine Tendenz von autokratischen Regimen, dass sie eine Win-Lose Strategie verfolgen. Sie wenden zunehmend den Werkzeugkasten der inneren sozialen Kontrolle, beispielsweise das Social-Scoring-System in China, auch in der Außen- und Handelspolitik an. Es liegt also nicht nur an unserem Willen für partnerschaftlichen und friedvollen Austausch, sondern auch an der Bereitschaft unserer Verhandlungspartner, wie vertrauenswürdig und erfolgreich die Zusammenarbeit verläuft.

Selbstverständlich ist es wichtig, enge Beziehungen zu China zu pflegen. Beispielsweise begrüßen wir den Abschluss eines EU-China Investitionsabkommens. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Es ist daher wichtig, auch auf regelbasierte Investitionsbeziehungen zu setzen, die Verlässlichkeit bieten und faire Wettbewerbsbedingungen garantieren. Doch die Prämisse lautet: Zusammenarbeit ja, Unterordnung nein. Es muss glasklar kommuniziert werden, dass gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit nur miteinander funktionieren. Wenn der Einsatz für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie einen Preis in Peking kostet, dann muss Deutschland ihn zahlen. Unsere liberalen Werte und ihre universelle Bedeutung stehen nicht zum Verkauf, auch nicht in pandemisch-bedingten Krisenzeiten der Wirtschaft in Deutschland und Europa. Wir müssen aufpassen, dass „Wandel durch Annäherung“ im 21. Jahrhundert keine fatale neue Bedeutung erhält: Der Preis für eine Zusammenarbeit mit China darf nicht der schleichende Verlust von Demokratie und Freiheit in aller Welt sein. Das Dauer-Appeasement Deutschlands gegenüber einem Regime, das die Sehnsucht junger Menschen in Hongkong nach mehr Freiheit niederknüppeln lässt und das Taiwan militärisch, diplomatisch und wirtschaftlich bedroht, gefährdet letztendlich auch unsere eigene Freiheit und das Wertekonstrukt Europas.

Und erlauben Sie mir eine Bemerkung bevor wir uns dem Themenkomplex Russlandbeziehungen widmen: Dass die Sowjetunion gemeinsam mit den USA, Großbritannien und Frankreich Deutschland vom Nazi-Regime befreit hat, das ist ein historischer Verdienst der Sowjetunion, den es zu würdigen gilt. Es ist jedoch mitnichten so, dass die heutige Russische Föderation mit der Sowjetunion gleichzusetzen ist. Wir danken genauso auch allen anderen damaligen sowjetischen Staaten, wie der heutigen Ukraine, für ihren Einsatz im Zweiten Weltkrieg.

Sie suggerieren, dass ein westlicher Politikwechsel dafür verantwortlich ist, dass die Beziehungen zu Russland ein Allzeittief erreicht haben. Ich entgegne: Verantwortlich für den Status quo ist Wladimir Putin. Es mag sicherlich auch Versäumnisse Deutschlands und der EU geben, Außenpolitik ist niemals schwarz-weiß. Aber Russland ist Mitglied im Europarat und bekennt sich damit zum Völkerrecht. Es zu brechen, Giftanschläge zu verüben, nuklear aufzurüsten und Teile der Ukraine zu annektieren, das kann nicht unbeantwortet bleiben. Sie wünschen Beziehungspflege statt Sanktionen? Da kann ich Ihnen entgegen, das muss Hand in Hand gehen. Während deutsch-russischer Jugendaustausch zu begrüßen ist und pauschale Handelssanktionen das russische Volk und unsere Wirtschaft treffen, ohne viel Druck auf Putin auszuüben, sollten wir stärker als bisher Putin-nahe Eliten treffen. Dass die ihre Ferien in eigenen Villen an der Côte D’Azur verbringen und deren Kinder europäische Privatschulen besuchen, geht nicht, wenn man gleichzeitig für die Inhaftierung von Alexej Nawalny und tausenden friedvollen Demonstranten verantwortlich ist. Russische Oppositionelle, wie Wladimir Kara-Mursa, der übrigens selbst zwei Mal vergiftet wurde, sagen, dass diese Art der Sanktionen die wirksamste sei.

Dass Nordstream 2 genau jetzt in der aktuellen Lage weitergebaut wird, sendet ein falsches Signal an Moskau. Wir sind für einen Baustopp, nicht jedoch für einen Abbruch. Während dieser Zeit des Moratoriums sollte die EU einen Mechanismus entwickeln, dass ein Versuch Moskaus, die Ukraine von der Gasversorgung abzuschneiden, automatisch Auswirkungen auf Lieferungen durch Nord Stream 2 hat. Der Gasexport durch diese Pipeline darf nicht zu einem neuen außenpolitischen Druckmittel Moskaus werden. Danach spricht nichts mehr gegen eine energiepolitische Zusammenarbeit. Wenn Russland wieder bereit ist, sich an die Hausordnung zu halten, dann ist Russland als vollwertiges Mitglied im europäischen Haus willkommen. Mehr zum Thema lesen Sie hier: https://www.welt.de/politik/deutschland/plus226314707/Christian-Lindner-Wir-sollten-staerker-als-bisher-die-Putin-nahe-Elite-treffen.html

Freundliche Grüße
Christian Lindner

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