Frage an Christian Lindner von Franz M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Lindner,
wie ich heute der Tagesschau entnommen habe, haben Sie sich in der Debatte um den sog. UNO-Migrationspakt an die Seite der Kanzlerin gestellt und die Unterzeichnung dieses Paktes wie alle anderen Parteien außer der AfD unterstützt (siehe https://www.welt.de/politik/deutschland/video184239444/Christian-Lindner-Wird-der-UN-Migrationspakt-genauso-kaputt-gemacht-wie-TTIP.html). Sie haben dabei den UNO-Migrationspakt mit TTIP verglichen. Nun wäre TTIP ein bindender Vertrag auf Gegenseitigkeit gewesen zwischen genau definierten Partnern, der UNO-Migrationspakt ist dagegen - so die Kanzlerin - ein unverbindlicher Pakt zwischen UNO-Mitgliedern ist, wobei eine große Zahl demokratischer Länder, ich vermute letztlich die Mehrheit, hier nicht mitmacht. Der Vergleich ist also ziemlich heroisch. Meine Fragen: a) Welche Vorteile für Deutschland sehen sie aus dem Pakt? Ich sehe nämlich keine. b) Befürchten sie nicht, dass sich hier der Graben zwischen Deutschland und seinen demokratischen Partnerländern in Europa und weltweit (USA, Japan, Australien) vertieft, die Merkels Flüchtlingspolitik nicht mitmachen wollen?
Sehr geehrter Herr M.,
ich danke Ihnen für Ihre Frage.
Mein Vergleich bezog sich auch auf die Desinformationskampagnen, die rund um die Themen - eben von rechts, im Falle TTIP von links - durch alle sozialen Medien kursierten. Eine sachliche Debatte war ja fast nicht mehr möglich. Der aktuelle Unmut gegenüber dem Migrationspakt in Deutschland ist verständlich, denn die Bundesregierung hat es sträflich versäumt, offen und transparent über den Migrationspakt zu informieren und dessen Punkte richtig einzuordnen. Der Migrationspakt fordert aber weder ein Menschenrecht auf Migration, wie es seine Gegner gerne kolportieren, noch verpflichtet er Deutschland, alle Einwanderung ungehemmt zuzulassen. Der Migrationspakt verfolgt erst einmal das Ziel, Migration weltweit zu regeln. Ich sehe daher nicht, wie sich aus einer Zustimmung Deutschlands starke Spannungen zu Staaten, die den Pakt ablehnen, ergeben. Die Haltung Deutschlands in dieser Frage war ja zuvor bekannt; des Weiteren wird im Rahmen der UNO weiter darüber verhandelt werden, diese Länder mit ins Boot zu holen.
Deutschland würde von einigen Punkten des Paktes indirekt profitieren. Er zielt nämlich nicht auf Regionen wie Europa oder Nordamerika, wo längst Menschenrechtsstandards und internationales Völkerrecht eingehalten und die Rechte der Migranten gewahrt werden. Der Pakt will etwas in den vielen Ländern der Welt verändern - insbesondere in Afrika und Asien - die diese Standards eben noch nicht implementiert haben. Es ist ja kein Zufall, dass Flüchtlinge und Migranten gerade in Richtung Europa strömen, wenn in den Nachbarländern Menschenrechte und Flüchtlingsrechte nicht bestehen bzw. nicht eingehalten werden. Dort will der Pakt ansetzen und damit Grundrechte auch außerhalb der westlichen Demokratien stärken. Das kann nur in unserem ureigenen, nationalen wie europäischen Interesse sein. Denn wo Migranten in ihren Heimat- bzw. Nachbarregionen Perspektiven und Rechtssicherheit geboten werden, nimmt auch der Migrationsdruck auf Europa ab.
Klar ist aber auch, dass der Migrationspakt nicht der einzige Schritt zur einer Regulierung der Migration aus deutscher Sicht sein kann. Übrigens haben wir uns bei der Abstimmung im Deutschen Bundestag schlussendlich enthalten und einen eigenen Antrag eingebracht, der die Zustimmung mit einem eigenen Einwanderungsgesetz verknüpft, das Deutschland endlich klare Regeln für die Zuwanderung geben würde. Den Antrag finden Sie hier: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/055/1905534.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Christian Lindner