Frage an Christian Hirte von Andreas R. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Hirte,
in einem sehr interessanten Tagesspiegel-Interview (Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/die-diktatur-des-jetzt-ueberwinden/3992668.html ) fordert der Potsdamer Klimawissenschaftler Hans Joachim Schellnhuber, dass das Thema "Nachhaltigkeit" in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte. Demnach wäre dies ein Maßstab, auf den in konkreten Streitfällen die Verfassungsrichter zurück greifen könnten.
Ist der Vorschlag -- wertkonservativ betrachtet -- geeignet, um die Schöpfung zu bewahren? Falls ja: Werden Sie persönlich sich dafür im Umweltausschuss einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Reichhardt
Sehr geehrter Herr Reichhardt,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Gerade als junger Abgeordneter ist nachhaltige Politik für mich wichtig. Das gilt nicht nur für Fragen der Umweltpolitik, sondern auch Wirtschafts - oder Finanzpolitik sollten sich daran orientieren, was langfristig sinnvoll ist.
Eine Aufnahme des Begriffs Nachhaltigkeit ins Grundgesetz halte ich für einen interessanten Gedanken, aber in der Umsetzung für schwierig. Zwei Dinge sprechen aus meiner Sicht dagegen:
1. Wir sollten das Grundgesetz nicht aus tagespolitischen Debatten heraus aufladen. Nur weil wir ein Ziel für erstrebenswert halten oder eine Sichtweise richtig finden, muss sich dies nicht gleich in der Verfassung widerfinden. Ich habe nach Ihrer Anfrage einmal den Terminus "in Grundgesetz aufnehmen" bei Google recherchiert und kam bereits auf der ersten Seite auf folgende Treffer: Atomausstieg ins Grundgesetz aufnehmen, Merkmal sexuelle Identität ins Grundgesetz aufnehmen, IT ins Grundgesetz aufnehmen, Deutsch ins Grundgesetz aufnehmen. Mir fallen zahlreiche weitere Initiativen ein. Wir sollten das Grundgesetz und uns selbst nicht überfordern.
2. Die Verankerung im Grundgesetz würde bedeuten, dass das Verfassungsgericht trotzdem immer einen Sachverhalt interpretieren müsste. Und unsere Vorstellungen davon, was z.B. nachhaltig ist, verändern sich. Sie verändern sich bei Ihnen, bei mir und auch bei Verfassungsrichtern. Manches halten wir heute für nachhaltig und erkennen in 20 Jahren vielleicht, dass es ein Irrtum war. Vor 30 Jahren haben Wissenschaftler und weite Teile der Bevölkerung auch Kernenergie als nachhaltig angesehen. Nachhaltigkeit ist daher wichtig, aber immer auch eine Chiffre, unter der Jeder etwas Anderes versteht. Ich halte dies daher für keinen guten Begriff, um ihn in der Justiz anzuwenden.
Unabhängig von der Verfassung gilt es deshalb, nach den aktuellen Einschätzungen, Sichtweisen und Kenntnissen, nachhaltig zu agieren. Das Grundgesetz kann dennoch um Punkte erweitert werden, die Nachhaltigkeit bewirken. Die Aufnahme der Schuldenbremse war beispielsweise ein hervorragendes Beispiel dafür.
Mit freundlichen Grüßen
Christian Hirte