Frage an Christian Enz von Stefan H.
Sehr geehrter Herr Enz,
wie stehen Sie zu dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP mit den USA, gerade auch im Hinblick auf den NSA-Skandal von dem auch EU-Institutionen betroffen sind? Wuerden Sie sich dafuer einsetzen dass die Buerger Europas endlich einen Einblick in die Verhandlungen bekommen?
Waere Ihrer Meinung nach eine weitere Annaeherung der EU-Mitgliedsstaaten mit dem Ziel "Vereinigte Staaten von Europa" fuer die Bundesrepublik ein Gewinn, oder waere dies nicht im Interesse Deutschlands?
Mit fraenkischem Gruss
S. Huber
Sehr geehrter Herr Huber,
zunächst einmal vielen Dank für Ihr Interesse an Europapolitik und der bevorstehenden Wahl. Dies ist leider noch nicht allgemein verbreitet - was die Basis für zahlreiche europapolitische Probleme bildet.
In Ihrer Mail haben Sie mich konkret danach gefragt, wie ich zu dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA stehe. Meine persönliche Meinung hier zu ist, und dieses konnte ich erfreulicher Weise auch im Positionspapier der Jungen Freien Wähler zur Europapolitik durchsetzen, dass wir einem solchen Abkommen auf keinen Fall zustimmen können. Der Grund hierfür ist jedoch nicht allein der von Ihnen bereits thematisierte NSA-Skandal. Ich bin der Meinung, Politik muss strategisch gemacht werden - und darf sich nicht von kurzfristigen Stimmungen leiten lassen.
Gegen ein Freihandelsabkommen spricht aus meiner Sicht, dass es den Bürgerinnen und Bürgern keinen Mehrwert bietet. Der Handel mit den Vereinigten Staaten hat bereits jahrzehntelange Tradition und funktioniert. Es gibt keinen Grund, hier einzugreifen. Hinzu kommt, dass sich europäischen - insbesondere deutschen - Unternehmen durch ein solches Abkommen deutliche Wettbewerbsnachteile entstehen. Denn die unserer Gesetzgebung unterliegenden Firmen müssen strengere Auflagen erfüllen als die Wettbewerb in den Staaten. Hinzu kommt, dass wir inzwischen einen hohen Grad des Verbraucherschutzes erzielt haben. Diese Errungenschaften wären durch ein solches Abkommen vollkommen ausgehebelt. In diesen für Verbraucher ausnahmslos negativen Auswirkungen eines solchen Abkommens sehe ich auch den Grund, weshalb die Öffentlichkeit - und auch die gewählten Vertreter in den Parlamenten - bei den Verhandlungen komplett außen vor sind. Dies kann sich eine Gesellschaft nicht bieten lassen.
Gleiches gilt für den NSA-Skandal, und aus meiner Sicht das politische Verhalten der USA insgesamt. Die Geschichte zeigt, die Vereinigten Staaten verfolgen politisch ausnahmslos eigene Interessen. Und die Zeiten in denen sich diese mit unseren quasi automatisch gedeckt haben sind aus meiner Sicht längst vorbei. Der NSA-Skandal ist hier eine Spitze, die jeden von uns hautnah betrifft. Ebenso bedeutsam ist aber auch das Verhalten im Ukraine-Konflikt. Hier ist die gängige und von den USA geschürte Meinung, dass Russland als Aggressor auftritt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat man Russland gezielt in die Enge getrieben um einen solchen Konflikt zu schüren. Wie hätten die USA wohl reagiert, wenn Mexico dem Warschauer Pakt hätte beitreten wollen? Das Interesse der USA in diesem Zusammenhang ist jedoch eindeutig. Die Staatsverschuldung ist explodiert - und durch kriegerische Handlungen kann der Präsident hier Parlamentsdisziplin herstellen. Hinzu kommt, dass mit Russland durch mögliche Sanktionen ein wichtiger Wirtschaftspartner für Deutschland wegbricht, was unsere Firmen gegenüber den Staaten schwächt. Außerdem haben wir Schwierigkeiten in der Energieversorgung - den USA kann das alles egal sein. Sie sehen also, einem Freihandelsabkommen und einer nicht hinterfragten Partnerschaft mit den USA ist ebenso kritisch zu begegnen, wie einer grundsätzlichen ideologischen Ablehnung Russlands. In diesem Zusammenhang sind die Freien Wähler gute Volksvertreter - da sie unvoreingenommen handeln können. Vergangene Abstimmungen haben gezeigt, dass etablierte Parteien im Vorfeld gerne poltern und Volkes Stimme aufgreifen - in der Abstimmung im fernen Brüssel dann aber anders handeln. Siehe beispielsweise den Umgang mit genveränderten Lebensmitteln.
Darüber hinaus haben Sie mich gefragt, ob ich in der Errichtung von "Vereinigten Staaten von Europa" oder einem ähnlichen Konstrukt ein erstrebenswertes Ziel sehe. Hier kann ich ganz klar sagen: nein. Europäische Staaten sind für mich Nachbarn. Und, dies kennt man aus dem privaten Bereich, gute Nachbarschaft findet dort statt wo es klare Grenzen gibt. Dort wo man die Privatsphäre des Nachbarn achtet und sich auf Augenhöhe mit Höflichkeit begegnet. Anders als die Bundesstaaten der USA haben die Länder in Europa in vielen Punkten sehr unterschiedliche Bedürfnisse. Diesen kann eine Landesregierung viel besser nachkommen, als eine Zentrale. Nichts desto trotz kann man bei gemeinsamen Zielen eng zusammenarbeiten und diese Verfolgen. Aus meiner Sicht wird es Zeit, sich von der Gleichmacherei zu verabschieden - und sich darauf zu konzentrieren das umzusetzen, was vor Ort gebraucht wird.
Jedem muss klar sein, dass die EU kein Selbstzweck ist. Und es gibt nicht gute und schlechte Länder. Natürlich ist Griechenland hoch verschuldet. Allerdings haben andere Staaten, wie Deutschland, jahrzehntelang gerne Kredite an Griechenland gegeben - weil mit diesem Geld dann Produkte in Deutschland gekauft wurden. Gerne wird vergessen: Auch unsere Gesellschaft lebt über ihre Verhältnisse. Seit den 70er-Jahren resultiert das Wirtschaftswachstum aus der Neuverschuldung. Hier muss jedes Land für sich Antworten finden - sonst wird die Zukunft der kommenden Generationen verspielt. Genau hier liegt aber das Problem. Wer ehrliche Politik machen will, kommt um Einschnitte nicht herum. Wer aber Einschnitte durchsetzen will, wird nicht mehr gewählt. Dies stellt dann aber die philosophische Frage nach der Zukunft der Demokratie an sich - und nach Generationengerechtigkeit. Dies führt an dieser Stelle wohl zu weit - ich stehe aber selbstverständlich gerne zum weiteren Austausch bereit.
Mit freundlichen, fränkischen Grüßen
Christian Enz