Frage an Christa Stewens von Wolfgang T. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Stewens,
aus aktuellem Anlass möchte ich gerne Wissen, wie Sie die dazu stehen, daß Ihre Parteikollegen in der BayernLB es zulassen konnten, daß über 4 Milliarden € an Verlusten aufgehäuft werden konnten ?
Daß diese "Wertberichtigungen" letztendlich von mir und meinen Steuerzahlenden Mitbürgern aufgebracht werden müssen liegt auf der Hand. Ich empfinde diese Vorgänge als Diebstahl an Gemeingut und mittelbar als Diebstahl an meiner Leistung die ich dem Staate erbracht habe.
Welche persönlichen und finanziellen Konsequenzen haben die verantwortlichen Herren Aufsichtsräte und Geschäftsführer zu erwarten ?
Werden die hochbezahlten Herren soviel Ehre besitzen , sich zu ihrer Verantwortung bekennen und zurücktreten ?
Würden Sie sie dazu auffordern ?
Wie stehen Sie zu der Forderung, daß Politiker in Aufsichtsräten von Unternehmen nichts zu suchen haben, da diese Ämterverquickung zwangsläufig zu Interessenskonflikten führen muß ?
Herzlichen Dank
mit freundlichen Grüßen
W.Thoma
Sehr geehrter Herr Thoma,
zu Ihrer Frage bezüglich BayernLB möchte ich Ihnen wie folgt antworten:
Zunächst einmal muss man zwischen tatsächlich eingetretenen Verlusten und Wertberichtigungen unterscheiden. Die von Ihnen angeführten Wertberichtigungen belaufen sich auf eine Größenordnung von etwas über 4 Mrd. €.
Diese Wertberichtigungen gehen auf Marktwertveränderungen zurück, sind aber nicht mit Zahlungsausfällen gleichzusetzen. Die BayernLB ist auch nicht gezwungen, die Kreditpakete zum jetzigen Zeitpunkt weiter zu verkaufen. Gleichwohl möchte ich die tatsächlichen Zahlungsausfälle keineswegs bagatellisieren.
Bei dem ABS-Engagement der BayernLB handelte es sich um banktypische Geschäfte, die von vielen Banken betrieben wurden. Dies zeigt sich schon an der Tatsache, dass national wie international viele Geschäftsbanken betroffen sind, so z. B. die große Schweizer UBS-Bank, die größte Geschäftsbank der USA, die Citigroup sowie die Dresdner Bank und nicht zuletzt auch die Deutsche Bank. Seit Aufnahme der ABS-Geschäfte gab es weder von Seiten der Wirtschaftsprüfer oder der Bankaufsicht noch von Seiten der Deutschen Bundesbank oder den Rating-Agenturen Beanstandungen, Hinweise oder gar Aufforderungen an die BayernLB, ihre Geschäftspolitik im Hinblick auf den ABS-Bereich zu ändern.
Betrachtet man die Rolle der staatlichen Vertreter im Verwaltungsrat und der Rechtsaufsicht, ist zunächst klarzustellen, dass die Führung der operativen Geschäfte in den Zuständigkeitsbereich des Bankvorstandes fällt. Nach damaliger Sicht und Einschätzung aller relevanten Fachleute und Experten handelte es sich bei den besagten ABS-Geschäften nicht um Geschäfte mit unangemessenem
oder gar überzogenem Risiko. Vor diesem Hintergrund ist die bisweilen vorgebrachte Behauptung, die BayernLB hätte mit Hilfe dieser ABS-Papiere "gezockt", sachlich nicht korrekt. In den Vorlagen, die dem Verwaltungsrat zur Entscheidung und Kontrolle vorlagen, waren die Anlage- und Kreditentscheidungen unter anderem mit Angaben zum Rating und zu internen Risikobeurteilungen plausibel begründet. Nach Ausbruch der Finanzmarktkrise im zweiten Halbjahr 2007 wurde der Verwaltungsrat regelmäßig über die Entwicklung des ABS-Portfolios informiert.
Aus heutiger Sicht betrachtet ist der Vorwurf gegenüber dem Vorstand der BayernLB und den ihn kontrollierenden Verwaltungsrat, man hätte auf die Schwäche am US-Immobilienmarkt bzw. auf die sich abzeichnende Finanzkrise zu spät reagiert, schnell erhoben. Doch ist diese Betrachtung im Nachhinein gerade angesichts der Tatsache, dass diese ABS-Papiere über viele Jahre hinweg liquide waren und einen angemessenen Ertrag erbracht haben, in dieser Schärfe nicht gerechtfertigt. Denn weder Ratingagenturen, noch die Bankenaufsicht oder die die BayernLB prüfenden Wirtschaftsprüfer haben in diesem Punkt Bedenken gegen die Geschäftspolitik des Vorstandes der BayernLB erhoben. Aktuell haben wir es an den Finanzmärkten mit einer Finanz- und Vertrauenskrise ungeahnten Ausmaßes zu tun. Der internationale Währungsfonds IWF taxierte die Schäden an den globalen Finanzmärkten und den damit verbundenen Wirtschaftsbereichen auf eine Größenordnung von weltweit 1 Billion Dollar. Dass der Markt für ABS-Papiere vollständig zusammen brechen würde mit der Konsequenz, dass selbst Papiere mit exzellenten Ratings ihren Marktwert einbüßen, kam für nahezu alle Experten unerwartet. An die Sorgfalts- und Überwachungspflicht eines Verwaltungsratsmitglieds lassen sich aber meiner Auffassung nach keine höheren Anforderungen stellen als die zur Aufsicht berufenen Experten bei der Bankenaufsicht bzw. bei den Wirtschaftsprüfern und Ratingagenturen.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass es auch unter Berücksichtigung der genannten Hintergründe schwierig ist, unseren Bürgerinnen und Bürgern plausibel zu erklären, wie es zu den erheblichen Verlusten und Wertberichtigungen bei der Bayerischen Landesbank kommen konnte. Nach meiner Einschätzung muss man mit Blick auf die Vielzahl der betroffenen Kreditinstitute im In- und Ausland auf breiterer Grundlage erörtern, ob und inwieweit die gegenwärtig vorliegenden Banken- und Aufsichtsstrukturen noch zeitgemäß sind. Diesen Dialog müssen wir auf Bundesebene bzw. im Rahmen der EU offen und kritisch führen, dürfen ihn aber andererseits nicht auf die Bayerische Landesbank als Unternehmen beschränken.
Bezogen auf das Unternehmen "Bayerische Landesbank" müssen wir derzeit alles tun, um der Bank in ruhigeres Fahrwasser zu verhelfen. Vor diesem Hintergrund haben sich der Freistaat und die Sparkassen als jeweils hälftige Eigentümer der BayernLB im Grundsatz auf eine sog. Risikoabschirmung verständigt. Die Risikoabschirmung soll helfen, bilanzierungsbedingte Bewertungsschwankungen bei der Bank zu reduzieren und ihr Eigenkapital zu schonen.
Ganz wichtig ist, dass es sich bei der Abschirmlösung zugunsten der BayernLB um eine reine Vorsorgemaßnahme handelt. Weder der Freistaat noch die Sparkassen, noch etwa Sparer oder Steuerzahler müssen derzeit auch nur einen Euro aufwenden, um Verluste der Bayerischen Landesbank zu decken bzw. diese wirtschaftlich zu stützen. Anders liegen die Dinge z.B. im Fall der IKB, die unter maßgeblichem Einfluss des Bundes steht. Die Stützung der IKB hat den Steuerzahler aus dem Bundeshaushalt bereits weit mehr als eine Milliarde Euro gekostet.
Mit freundlichen Grüßen
Christa Stewens