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Christa Stewens
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Frage von Marion L. •

Frage an Christa Stewens von Marion L. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Stewens,

laut Artikel 19 der UN-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Rechte behinderter Menschen „(Unabhängige Lebensführung und Teilhabe an der Gemeinschaft)müssen Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, ihren Wohnsitz frei zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie in welcher Wohnform leben wollen. Sie müssen Zugang zu häuslichen, institutionellen und anderen gemeindenahen Assistenz- und Unterstützungsdiensten haben, die zur Teilhabe am Leben der Gemeinschaft notwendig sind.

Die Tendenz geht aber immer mehr dazu "nicht werkstattfähige", schwer mehrfach behinderte Menschen in Wohnpflegeheimen unterzubringen. Die ist dann der einzige Lebensbereich, in dem auch nur ähnlich schwer behinderte Mitbewohner leben.

Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch behinderte Menschen mit hohem Pflege- und/oder Betreuungsbedarf in Einrichtungen der Eingliederungshilfe - und damit gemeinsam in Wohngruppen mit weniger stark behinderten Erwachsenen - leben und eine externe Tagesförderstätte besuchen können?

Mit freundlichen Grüßen
Marion Linhuber

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Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Linhuber,

schwer mehrfach behinderte Menschen, von denen ein großer Teil nicht werkstattfähig ist, leben häufig, wenn sie nicht alleine oder bei ihren Familien wohnen können, in sog. Wohnpflegeheimen. Die Bezeichnung als Wohnpflegeheim rührt daher, dass die Betroffenen neben der im Vordergrund stehenden Eingliederungshilfe in aller Regel auch Pflege benötigen, die die Träger dieser Einrichtungen auch bereit zu stellen in der Lage sind. Die Besucher dieser "Wohnpflegeheime" gehen tagsüber in dem ihnen möglichen Umfang in eine Förderstätte, die sich in der unmittelbaren Nähe, manchmal gar im selben Gebäude oder auch weiter entfernt befinden kann.

Die Nachfrage nach entsprechenden Heimplätzen ist nach wie vor relativ hoch. Selbstverständlich können auch schwer mehrfach behinderte Menschen in anderen Wohnformen leben, wenn sie dies wollen, dazu in der Lage sind und die zuständigen Kostenträger (für die Eingliederungshilfe die Bezirke, für die Pflege nach dem SGB IX die Pflegekassen) die entsprechenden Hilfen finanzieren. Der Freistaat Bayern fördert mit freiwilligen Mitteln auch die Errichtung von sog. alleinstehenden Förderstätten.

Unbeschadet dessen, dass seit 01.01.2008 die bayerischen Bezirke sowohl für die ambulante als auch für die teilstationäre und stationäre Eingliederungshilfe und damit für die Bereitstellung einer entsprechenden, angemessenen und ausreichenden Infrastruktur zuständig sind, bin ich der Auffassung, dass sich die Hilfen für die Betroffenen zuvorderst an deren Wünschen orientieren müssen. Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen.

Die nunmehr bereits seit Jahrzehnten flächendeckend bestehende frühe Förderung von Kindern mit Behinderung, die schulische Bildung, die heilpädagogische Förderung in Tagesstätten und weitere Förderangebote haben erfreulicherweise dazu geführt, dass mehr und mehr erwachsen gewordene Menschen mit Behinderung über eine wachsende Selbständigkeit und Fähigkeit zur Selbstbestimmung verfügen. Dies wirkt sich auch auf Bedürfnisse im Bereich des Wohnens aus. Trotz der auch zukünftig generellen Notwendigkeit einer gesicherten Betreuung im Bereich des Wohnens für erwachsene Menschen mit geistiger oder mehrfach Behinderung gilt es daher, das Angebot betreuter Wohnformen zu differenzieren. Zu der klassischen "Rund-um-die-Uhr"-Heimversorgung müssen neue Wohnformen hinzutreten, die den gewachsenen Fähigkeiten der zukünftigen Bewohner gerecht werden. Dementsprechend hat auch mein Haus das zum 01.08.2008 in Kraft getretene Pflege- und Wohnqualitätsgesetz (PfleWoqG) ausgestaltet. Es wurden neue Wohnformen in das Gesetz aufgenommen (ambulant betreute Wohngemeinschaften, betreute Wohngruppen), die bürokratischen Anforderungen reduziert, die fachlichen Anforderungen differenziert und auf das unverzichtbar Wesentliche konzentriert. Damit sind die ordnungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, damit zukünftig eine breitere Palette unterschiedlicher Wohnformen entstehen kann.

Zudem befasst sich derzeit auch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe mit entsprechenden Fragen. Diskutiert wird dabei auch die Auflösung der Leistungsformen ambulant, teilstationär und stationär, d. h. ob für die Leistungsgewährung weiterhin der Ort bzw. das Gebäude entscheidend sein soll, in dem der Betroffene lebt.

Mit der Verlagerung der Zuständigkeit für die ambulante Eingliederungshilfe auf die Bezirke, dem persönlichen Budget und dem neuen PfleWoqG wurden bereits wichtige Schritte zu mehr Wahlfreiheit und Selbstbestimmung in die Wege geleitet. Auch die unter der Federführung meines Hauses zwischen allen verantwortlichen Stellen in der Diskussion befindliche OBA (Dienste der offenen Behindertenarbeit)-Reform wird mit Blick auf diese übergeordneten Ziele geführt. An dieser Stelle ist auch auf die Einführung und die Novellierung des Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung hinzuweisen. Am "Runden Tisch - Zukunft der Behindertenhilfe in Bayern", an dem auch die Freie Wohlfahrtspflege vertreten ist, werden in gemeinsamer Abstimmung weitere Schritte eingeleitet und nähere Einzelheiten mit allen in der Behindertenhilfe verantwortlichen Stellen vereinbart werden.

Mit freundlichen Grüßen

Christa Stewens