Frage an Christa Pfeifer von Gerhard G. bezüglich Verkehr
Was sind Ihre Vorschläge zur Erreichung/Erhaltung/Förderung des (im Grundgesetz und der Landesverfassung beschriebenen) Rechtes auf gleichwertige Lebensverhältnisse in Ihrem/unseren Wahlkreis?
Wie kann es gelingen, den ländlichen Raum auch und gerade für junge Menschen attraktiver zu machen?
Sehr geehrter Herr Gunsam,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse. Bitte entschuldigen Sie, dass mir Ihre Anfrage durch wenige Tage Urlaub, Wahlkampfaktivitäten und Terminen in der Arbeit einfach verloren gegangen ist. Mit der Erinnerung aus Potsdam bin ich heute bemüht, dieses Versäumnis aufzuarbeiten.
Zu Ihrer Anfrage:
Die Liste notwendiger Maßnahmen ist umfangreich und komplex und geht von gesunder Umwelt, über soziale Gerechtigkeit, Bildung, Kultur, Gesundheit, Infrastruktur. Es werden quasi alle Bereiche angesprochen, die eine Region lebenswert machen. Es gilt nicht nur, Fehler der Vergangenheit zu beheben, sondern auch zukunftsweisende Entwicklungen wie z.B. die künftigen Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Lebens- und Arbeitswelt, zu berücksichtigen. Einseitige Stärken-Schwächen-Analysen nur aus der Sicht des Tourismus oder der Wirtschaft oder der Infrastruktur sind da nicht hilfreich. Stellen wir die Stärken des ländlichen Raumes heraus und die individuellen Potenziale der einzelnen Orte, dann kommen wir zu einzelnen individuellen Notwendigkeiten. Stellen wir jemand die Frage, warum ziehst Du nicht z.B. nach Pritzwalk (?), dann können wir aus der Antwort ableiten, was uns hier fehlt. Sammeln wir die Antworten vieler Menschen, haben wir eine Prioritätenliste und können Maßnahmen ableiten. Solange Politiker meinen, Sie hätten die richtigen Lösungen, geht es meist einseitig oder gar nicht voran im ländlichen Raum. Mein Anliegen dabei ist, möglichst viele Bürger in diesen Prozess einzubinden, sie politisch aktiv werden zu lassen, die Ortsteile zu stärken und in die demokratischen Prozesse einzubinden. Der Entscheidung aufs Land zu ziehen, gehen doch Fragen voraus, die eine Abwägen zur jeweiligen aktuellen Situation darstellen, wie:
Ist der Ort attraktiv?
Wie hoch sind die Mieten?
Wie lange brauche ich, um zur Arbeit zu kommen?
Wie sind die Verkehrsanbindungen?
Habe ich schnelle Kommunikations- und Internetverbindungen?
Wie sind die Arbeitsplatzsituation und die Verdienstmöglichkeiten?
Wie ist die ärztliche Versorgung?
Welche Bildungs-/ Ausbildungsmöglichkeiten gibt es?
Gibt es KITA-Betreuung und wann werden die Kitagebühren abgeschafft?
Welche Kultur-, Sport- und Freizeitangebote findet man?
Welche Einschränkungen muss ich hinnehmen beim Konsum?
etc.
Erst wenn auf der jeweiligen Positiv- Negativ-Liste die positiven Aspekte überwiegen, wird jemand seinen Lebensraum wechseln. Gerade jungen Familien kann man durch Ideen wie Probewohnen (vielleicht 4 Wochen kostenlos und dann bis zu einem Jahr gestaffelte Miete) die Entscheidung zum Umzug erleichtern. Das Leben in einer Metropole wird von vielen Negativaspekten überschattet. Es ist notwendig, hier eine Gegenüberstellung zu wagen und selbstbewusst die Vorteile des ländlichen Raumes herauszustellen, die sich nicht nur auf sichtbare Landschaft statt Beton, gesunde Luft, gesundes Wasser und Platz zum Spielen für die Kinder beschränkt. Man muss nicht alles haben, aber seine Stärken zeigen. Eine individuelle Mischung aus Handel, Gastronomie, Sport, Kultur und Kunst reicht, um sich wohl zu fühlen. Für die Entwicklung entsprechender Konzepte setze ich mich seit Jahren ein. Wenn aber immer nur klischeehaft die Nachteile propagiert werden, wertet das die Vorteile eines vielfältigen, gesunden Lebens auf dem Lande ab.
Intakte Verkehrswege, die zeitlich aufeinander abgestimmt sind, also Bus- und Bahnfahrpläne sind gerade für Pendler existenziell wichtig. ÖPN braucht nicht nur die Schiene, sondern gerade im ländlichen Raum intakte Straßen einschließlich der Radwege, neue Mobilitätsideen wie Pilotprojekte zu Mitfahrgemeinschaften und Carsharing-Modellen. Das alles braucht eben auch intakte Straßen und Radwege, die durch E-Bikes nochmal eine neue Bedeutung bekommen. Es ist für den Bürger unverständlich, dass der Straßenbau stoppt, weil die Verantwortlichkeit entsprechend der Widmung oder Einstufung als Bundes-, Landes-, Kreis- oder Gemeindestraße genau dort endet, wo gefühlt die Straße am meisten kaputt ist. Das Zuständigkeitsgerangel zeigt sich dem Bürger nirgendwo so deutlich, wie im Straßenbau. Hier gilt es die Bauvorhaben nach Notwendigkeit und nicht nach Fördermitteltöpfen zu entscheiden und kompetenzübergreifend den Straßenbau und –ausbau aus z.B. einem Fonds zu finanzieren, der z.B. gespeist wird aus den Kfz-Steuern. Für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Brandenburg haben wir als FREIE WÄHLER die Unterschriften gesammelt. Jahrelang wurde das Thema im Landtag abgelehnt und Anträge abgewiesen. Angesichts von 108.000 Unterschriften in wenigen Wochen erkannte die jetzige Landesregierung dieses Thema als Vorteil der FREIEN WÄHLER im Wahlkampf. Deshalb und nur deshalb kam die Gesetzesvorlage im Juni diesen Jahres noch schnell ins Parlament. Man wollte Druck aus dem Kessel nehmen. Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge dann als eigenen Einsatz für die Belange der Bürger zu verkaufen, wie es nun fast alle Parteien tun, ist schon eine starke Nummer, zeigt aber auch das Zweckdenken und die Verlogenheit.
Bildung ist eine staatliche Aufgabe und sollte es auch bleiben. Mit dieser Feststellung ist eine Verantwortung für Politiker verbunden. Gerade Pritzwalk kann (noch) als der Bildungsstandort in der Prignitz bezeichnet werden, wo alle Schulformen, auch weiterführende wie das Oberstufenzentrum bis hin zu Anbindungen an unsere TU in Brandenburg zu finden sind. Aber auch hier gilt für mich nicht die Quantität, sondern die Qualität. Lehr- und Lernmethoden brauchen eine zukunftsorientierte technische Ausstattung der Schulen und auch entsprechend qualifizierte Lehrer. Es muss nicht alles in Deutschland neu erfunden werden. In den skandinavischen Ländern, insbesondere in dort dünnbesiedelten Gebieten praktiziert man schon Fernunterricht, und nach PISA mit beachtlichen Erfolgen. Eine individuelle Betreuung und Förderung gerade in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern ist wohl sogar wesentlich besser möglich. Es wird ja auch in der Weiterbildung an Universitäten bei berufsbegleitenden Studiengängen in Deutschland längst praktiziert. Aber statt diese Möglichkeiten auch für unsere Schulen weiterzudenken, schwört man hier weitestgehend von Klasse 1 bis zum Abitur auf die Fibel, wie auf einem Wahlplakat sichtbar. Auch hier zeigt sich, dass diese Denkmuster von gestern nicht unbedingt von zukunftsorientierten Kandidaten sein können. Es geht aber weiter, denn es wird in der Schule ja nicht nur Wissen vermittelt, sondern durch das Gemeinschaftserleben auch soziale Kompetenz erworben. Elternhäuser geben die Verantwortung in der Erziehung immer mehr an die Bildungseinrichtungen ab. Die Generation PC und Roboter hat viele Eltern in IT-Fragen längst überholt und bei den Lehrern scheint es auch oft der Fall zu sein. Hier heißt es für Politiker gemeinsam mit und für die heranwachsenden Generationen Lösungen zu erarbeiten und vielleicht mal nachfragen, wie es in anderen Ländern schon funktioniert. Bei dem angeblichen Bemühen in Deutschland stolpern wir nur wieder von einer Schulreform in die nächste. Auch hier Zuständigkeitsgerangel zwischen Bund und Ländern. Ich bekenne mich für einheitliche Lehrpläne in der gesamt Bundesrepublik. Der unrealistische Wettstreit der Schulen untereinander führt zu inflationärer herausragender Benotung. Einerseits erreichen immer mehr Abiturienten die Traumnote 1,0. Kommen sie dann aber zum Studium oder in die Ausbildung, zeigt sich, dass die Werthaltigkeit der erreichten Noten oft nicht gegeben ist und in Ausbildungsbetrieben sogar von Bildungsnotstand gesprochen wird. Ich will aber nicht alles in einen Topf werfen. Auch dieses Thema ist komplex, erfordert aber von allen Beteiligten ein hohes Maß an Engagement und ein Zusammenwirken von allen Beteiligten auch der Schüler, denn um deren Zukunft geht es. Dazu sollten die Bedürfnisse der Schüler entsprechend berücksichtigt werden, was man durch Kinder- und Jugendbeiräte auf den Weg bringen kann.
Digitale Infrastruktur: Schnelles Internet und der Breitbandausbau bilden hier in meiner Aufzählung die abschließende Zusammenfassung, sind aber die Voraussetzung, um einen Großteil der Probleme überhaupt lösen zu können. Ich behaupte sogar, dass sich einige unserer Probleme in Luft auflösen, wenn die Voraussetzung geschaffen sind, um Unternehmen anzusiedeln, Arbeiten von zu Hause zu ermöglichen, Lernen über das Internet zu unterstützen und nicht zuletzt mit Familienangehörigen und Freunden (ggf. in aller Welt) zu kommunizieren. Entfernung zu den Metropolen ist eine relative Wahrnehmung geworden, entscheidend für die Zukunft wird sein, in welcher Zeit und in welcher Qualität ich diese überwinden kann.
Sehr geehrter Herr Gunsam aus Kümmernitztal, gern können wir uns auch noch weiterführend über die von Ihnen aufgeworfene Frage persönlich unterhalten. Ich werde die nächsten zwei Wochen noch verstärkt zu den Markttagen als Gesprächspartner unterwegs sein. Aber Sie können mich auch gern in meinem Büro (Pritzwalk, Roßstraße 9) besuchen. Für die Kontaktaufnahme hier meine E-Mail: christapfeifer@gmx.de
Bis eventuell dahin Ihnen eine gute Zeit
Christa Pfeifer