Frage an Carsten Müller von Brit C. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Müller,
ich lebe und arbeite in Braunschweig als Psychotherapeutin. Persönlich und beruflich beschäftigt mich seit einem Jahr die Corona-Pandemie. Ich sehe Impfung aller dazu bereiten Erwachsenen (und möglichst bald auch aller Kinder und Jugendlichen als einzigen Weg aus dieser Situation heraus) und lege große Hoffnung in die Impfkampagne. Leider ist diese weiterhin langsam in der Umsetzung. Dazu meine Fragen: wo liegen die aktuellen Problemstellen beim Impfen und was wird konkret getan, um diese zu lösen? Gibt es Austausch mit den Verantwortlichen in Ländern, in denen erfolgreicher geimpft wird um zu lernen,wie der Prozess beschleunigt werden kann?
Mit freundlichen Grüßen
Dipl.-Psych. Brit Crackau
Sehr geehrte Frau C.,
vielen Dank für Ihre Frage zur Impfkampagne via abgeordnetenwatch.
Ich stimme Ihnen zu: Die Impfkampagne ist der hoffnungsvollste Weg, diese pandemische Ausnahmesituation zu überwinden. Ich stimme Ihnen ebenfalls zu, dass das Impfen zu langsam geht. Um es deutlich zu sagen: Wir müssen hier besser und schneller werden. Das muss in den kommenden Wochen klar die oberste Priorität genießen. Grundsätzlich bleibt das formulierte Ziel bestehen, dass im Sommer jeder und jedem in Deutschland ein Impfangebot gemacht werden kann. Das dieses Ziel erreichbar sein kann, zeigen die Positivbeispiele einiger Länder, wie beispielsweise Großbritannien, die USA oder Israel, die uns hier voraus sind. Ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Ziel erreichen können.
Die Ursachen für die Verzögerungen sind vielschichtig. So ist es beispielsweise deutlich, dass unsere föderalen Strukturen mit umfänglichen Zuständig- und Verantwortlichkeiten in einer derartigen Krisensituation an Grenzen stoßen und schlichtweg zu langsam sind. Beim Impfen treffen verschiedenste Zuständigkeiten aufeinander: Der Bund beschafft und finanziert die Impfstoffe. Der Bund organisiert die Verteilung der Covid-19-Impfstoffe an die von den Bundesländern eingerichteten Anlieferungsstellen. Die Organisation der Impfung und die Vergabe der Impftermine für die Impfung zum Schutz vor dem Corona-Virus regeln jedoch die Bundesländer. Ein bundeseinheitliches Terminmanagement war seitens der Länder nicht befürwortet worden. Die Länder sorgen für die sichere Lagerung und Verteilung vor Ort. Sie organisieren und betreiben auch die Impfzentren und die mobilen Impfteams. Für die Gesundheitsämter sind die kommunalen Verantwortungsträger zuständig. Diese komplex verteilten Zuständigkeiten beschleunigen dann keine Entscheidungen. Hier besteht für Krisensituationen ein Änderungsbedarf.
Dennoch appelliere ich, auch die positiven Aspekte zu sehen:
Zu Beginn der Pandemie hätten es viele Menschen nicht für möglich gehalten, dass wir im Frühjahr 2021 über einen wirksamen Impfstoff verfügen. Die Entwicklung von Impfstoffen dauert Jahre und Jahrzehnte. Tatsächlich sind in der Europäischen Union Mitte März 2021 bereits drei hochwirksame Impfstoffe zugelassen und weitere sind in der Zulassung oder durchlaufen momentan die klinischen Studien. Das ist ein im Jahr 2020 erhoffter, aber nicht sicher zu erwartender Erfolg der weltweiten Wissenschaft.
Mit Stand 17. März 2021 sind 3,097 Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland (3,7 Prozent der Gesamtbevölkerung) vollständig geimpft und insgesamt 6,971 Millionen Personen erhielten mindestens eine Impfdosis. Auch wenn wir einiges besser machen müssen, rangiert Deutschland im internationalen Vergleich hinsichtlich des Anteils der Erstimpfungen auf Rang 14 mit einer Impfquote von aktuell 8,4 Prozent. Zieht man die Impfquote der vollständig geimpften Menschen heran, liegt Deutschland mit einer Quote von 3,7 Prozent im internationalen Vergleich auf Rang 13. Das sind in der Tat keine Spitzenplätze, sie sind aber auch Beleg, dass es im globalen Vergleich um die Corona Schutzimpfungen in Deutschland nicht so schlecht steht, wie häufig dargestellt. Die tagesaktuellen Daten zum Impfen finden Sie für Deutschland unter https://impfdashboard.de und weltweit https://ourworldindata.org/covid-vaccinations. Das wichtige ist: Die Wirkung der Impfkampagne lässt sich bereits in den Krankenhäusern und statistischen Daten erkennen, da die Fallzahlen der schweren Verläufe bei den bisher stark betroffenen Patienten aus den Risikogruppen und hohen Alters sinken.
Die Impfproduktion selbst fährt kontinuierlich hoch. Die Zahl der zugelassen Impfstoffe wächst und auch die Anzahl der gelieferten und produzierten Impfdosen aller Hersteller wächst. Grundsätzlich ist die Herstellung von Impfstoffen hochkomplex und nicht mal eben schnell zu realisieren. Es bedarf zahlreicher Vorprodukte, die weltweit produziert und gegenwärtig maximal nachgefragt sind. Da in den letzten Jahrzehnten keine globale Pandemie aufgetreten ist, war nicht absehbar, dass weltweit Lieferketten für medizinische Produkte und Arzneimittel zusammenbrechen oder notwendige Vorprodukte in einigen Ländern mit Ausfuhrbeschränkungen belegt werden. Die Krise hat uns deutlich vor Augen geführt, dass wir bei Industrien und Produkten von zentraler Bedeutung entsprechende Kapazitäten in Deutschland und Europa aufbauen müssen, um bei künftigen Ausnahmesituationen unabhängiger agieren zu können.
Mit der Industriestrategie der Bundesregierung hatten wir bereits vor der Krise Schritte in diese Richtung unternommen, sie wurden durch die Erfahrungen der Pandemie aber noch einmal verstärkt. Deutschland und Europa werden künftig auf derartige Krisen besser reagieren können. Ab 2022 soll beispielsweise die sichere Versorgung Deutschlands mit Impfstoffen über eigene Produktionskapazitäten gewährleistet werden. Dazu brauchen wir ein Netzwerk von Unternehmen, die die verschiedenen Produktionsschritte ausführen können. In den letzten Wochen und Monaten sind wir dabei schon einen großen Schritt vorangekommen. Bisherige Produktionsstätten wurden ausgebaut und neue Standorte errichtet, so dass die Produktion umfassend ausgeweitet wird. In diesen Tagen wurden bereits zusätzliche Lieferungen von Impfdosen durch Biontech angekündigt und Moderna wird nun in der Schweiz produzieren. Johnson & Johnson hat die Produktion in Dessau angekündigt. Das sind gute Nachrichten. Und zum Glück hat die EU, entgegen einiger berechtigter Kritik, sehr viel mehr Impfstoff bestellt als erforderlich. Somit werden mögliche Rückschläge oder Defizite ausgeglichen.
Sehr geehrte Frau Crackau, ich bin sicher, dass wir die Impfangebote bekommen werden und die richtigen Lehren aus dieser Pandemie ziehen. Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen geholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Carsten Müller