Frage an Carsten Müller von Dietrich B. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Müller,
Wie stehen Sie zur vorgesehenen Masern- Impfpflicht? Ist Ihnen bekannt, dass es seit 2012keinen Masern- Einzelimpfstoff gibt in Deutschland, sondern nur Kombi- Impfstoffe, die zusätzlich Impfstoffe gegen Mumps, Röteln und evtl. Windpocken enthalten. Sollen diese Krankheiten auch ausgerottet werden? Falls ja, müsste dann das Gesetz nicht umbenannt werden? Die Hälfte der zur Zeit an Masern Erkrankten sind Erwachsene. Deren Erkrankungen werden durch das vorgesehene Gesetz nicht vermieden. Ich bin als Kinder- und Jugendarzt weiter für verstärkte individuelle Aufklärung von Eltern und Patienten
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. D. B.
Sehr geehrter Herr Dr. B.,
vielen Dank für Ihre Frage zur Masern-Impflicht vom 17. September 2019 über abgeordnetenwatch.de.
Als Mediziner wissen Sie: Masern gehören zu den ansteckendsten Viruserkrankungen überhaupt, bei der schwerwiegende Folgeinfektionen drohen. Besonders gefürchtet ist dabei eine akute Enzephalitis, die mit Folgeschäden für das zentrale Nervensystem oder sogar tödlich enden kann. Da für Masern-, Mumps-, Röteln- sowie Varizelleninfektionen und deren Komplikationen keine spezifisch medizinische Therapie zur Verfügung steht, kommt der Prävention durch Schutzimpfung überragende Bedeutung zu. Impfungen gehören mit Abstand zu den wirksamsten präventiven Maßnahmen, die in der Medizin zur Verfügung stehen. Impfungen schützen dabei nicht nur Empfänger selbst, sondern im Falle einer sehr hohen gesellschaftlichen Impfrate auch indirekt Menschen, die nicht geimpft werden können. Dieser indirekte Schutz erlangt im besonderen Maße eine Bedeutung zum Schutz von Menschen, die aus verschiedenen (medizinischen) Gründen nicht selbst aktiv geimpft werden können: Neugeborene bis neun Monate, Schwangere, ältere (multimorbide) Menschen sowie chronisch oder anderweitig erkrankte Menschen. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts können in Deutschland etwa zwei Prozent der Bevölkerung (etwa 1,7 Millionen Menschen) nicht selbst gegen Masern geimpft werden und sind auf hohe Impfquoten in ihrer Umgebung angewiesen.
Vor diesem Hintergrund haben wir in den letzten Jahren viel für die Prävention in Deutschland getan. Im Jahr 2017 wurde das Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten für eine bessere Durchsetzbarkeit der Pflicht zur Impfberatung der Eltern vor Aufnahme ihrer Kinder in einer Kita beschlossen. Dabei setzten wir auf objektive ärztliche Beratung der Eltern, um ihnen Ängste zu Trotz des Gesetzes besteht bei einigen Schutzimpfungen noch Verbesserungsbedarf, um die „Herdenimmunität“ zu gewährleisten. Diese tritt ein, wenn 95 Prozent der Bevölkerung über einen entsprechenden Impfschutz verfügen. Diese Durchdringungsquote wird derzeit bei den Impfungen gegen Masern, Mumps und Röteln nicht erreicht. Die Impfquote für die zweite Impfung lag im Durchschnitt bei 92,9 Prozent und stagniert bereits seit 2011 auf diesem niedrigen Niveau zwischen 92 Prozent und 93 Prozent. Trotz wiederholter Informationskampagnen und einer zum Teil hohen medialen Aufmerksamkeit, insbesondere zu Zeiten von Ausbrüchen, konnten diese Impfquoten bisher nicht weiter verbessert werden. Die Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) belegen: Die Zahl der übermittelten Masernfälle stagniert auf einem hohen, über den Eliminationszielen der WHO liegenden Niveau von weniger als einem Fall pro eine Million Einwohner. Daher halte ich den eingeschlagenen Weg einer Impfpflicht gegen Masernerkrankungen für richtig und unterstütze das Gesetzesvorhaben unabhängig von der Titulierung des Gesetzes.
Konkret vorgesehen ist, eine Impfpflicht bzw. die Pflicht zur Vorlage einer vorhandenen Immunität gegen Masern gesetzlich zu verankern für
- Personen, die in einer Gemeinschaftseinrichtung (gem. des neuen Paragraf 33 des Infektionsschutzgesetzes: insbesondere KiTa, Kinderhorte, -gärten und -krippen, Formen der Kindertagespflege, Schulen und sonstige Ausbildungseinrichtungen, Heime und Ferienlager) betreut werden und Personen, die dort tätig sind bzw. werden wollen;
- Personen, die in Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerbern, vollziehbaren Ausreisepflichtigen, Flüchtlingen und Spätaussiedlern untergebracht sind und Personen, die dort tätig sind bzw. werden wollen;
- Personen, die in Einrichtungen gem. Paragraf 23 Abs. 3 Satz 1 Infektionsschutzgesetz eine Tätigkeit ausüben, d.h. Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe, Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden, ambulante Pflegedienste, die ambulante Intensivpflege in Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstigen gemeinschaftlichen Wohnformen erbringen und Rettungsdienste.
Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden können, sollen selbstverständlich von dieser Regelung ausgenommen werden.
Für den Gesetzentwurf stehen die parlamentarischen Beratungen noch an. Ich kann Ihnen versichern, dass im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens mit Aussprachen in Arbeitsgruppen und Fachausschüssen, in Expertengesprächen und -anhörungen und im Plenum des Deutschen Bundestages eine umfassende thematische Auseinandersetzung stattfinden wird. Die pro- und contra-Argumente werden umfassend abgewogen und am Ende der Beratungen entschieden.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen geholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Carsten Müller