Frage an Carsten Müller von Christina S. bezüglich Gesundheit
Hallo Herr Müller,
werden Sie sich für die Widerspruchlösung bei Organspenden einsetzen ?
Ich bin gerne bereit, daran mitzuarbeiten.
Beste Grüße,
C. S.
Sehr geehrter Frau S.,
vielen Dank für Ihre Frage zur Widerspruchslösung bei Organspenden sowie Ihr Angebot zur Unterstützung.
Das Thema Organspende steht immer wieder auf der politischen Agenda. Seit Jahren versucht der Gesetzgeber Lösungen zu finden, um die Zahl der dringend benötigten Organspenden in Deutschland zu erhöhen. Doch leider noch immer ohne Erfolg. Im Gegenteil: Die Zahl der tatsächlichen Organspender geht zurück. 2017 gab es in Deutschland gerade einmal 797 Organspender. Das sind 60 weniger als im bereits schwachen Vorjahr. Diese Entwicklung ist mit Sorge zu betrachten. Daher hat der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in einem Interview angeregt, die doppelte Widerspruchslösung für die Organspende im Deutschen Bundestag zu debattieren. Es bedeutet, dass immer von einer Zustimmung zur Organspende ausgegangen wird, außer es liegt ein ausdrückliches „Nein“ der/des Betreffenden aus Lebzeiten vor. Sollte keine ausdrückliche Erklärung vorliegen, regt der Bundesgesundheitsminister eine Nachfrage bei der Familie im Falle einer möglichen Organspende an. Mit dieser doppelten Schwelle kann von einer höheren Akzeptanz bei den Menschen ausgegangen werden.
Wichtig ist, zu diesem Vorschlag liegt kein Gesetzentwurf vor. Das zentrale Anliegen des Bundesgesundheitsministers ist es, die gesellschaftliche Debatte anzuregen. Diese Debatte im und außerhalb des Parlaments ist wichtig, denn auch die Widerspruchslösung bedeutet per se keine Verbesserung der Organspendesituation. Das zeigt der Blick nach Schweden. Die Einführung der Widerspruchslösung hat in dem skandinavischen Land nicht den erhofften Effekt erzielt. Gleichzeitig kann eine Zustimmungslösung, die häufig kritisch betrachtet wird, hohe Organspendezahlen generieren. Das zeigt der Blick in die USA. Sie sehen, es kommt nicht darauf an, ob wir eine Zustimmungs- oder Widerspruchslösung einführen. Wichtig ist die Schaffung des richtigen Rahmens. Dazu sind wir alle gefordert: Wir brauchen eine gesellschaftliche Aufklärung, die gesetzlichen Regelungen, ein praktikables Umfeld in den Krankenhäusern sowie ein funktionierenden medizinischen Organspendeprozess.
Im Mittelpunkt des gesamten Themas stehen die Menschen, die bereit sind, nach dem eigenen Tod die Organe zu spenden und so helfen, lebensbedrohliche Situationen für andere Menschen zu überwinden. Hier gibt es eine positive Entwicklung zu verzeichnen: Aktuelle Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung belegen, dass mittlerweile 36 Prozent der Bevölkerung einen Organspendeausweis ausgefüllt haben. Doch wir brauchen mehr. Wir benötigen die breite gesellschaftliche Anerkennung der Organspende. Dazu bedarf es vor allem einer Aufklärungskampagne, um die Menschen weiter zu informieren, Ängste zu nehmen und Möglichkeiten aufzuzeigen. Als Blaupause könnte die Initiative zur Knochenmarkspende der DKMS dienen. Angeknüpft werden kann auch an die bereits geführte Aufklärungskampagne „Organspende – Die Entscheidung zählt!“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Maßgebliches Verbesserungspotenzial bietet sich an verschiedenen Punkten in Krankenhäusern. Grundsätzlich muss es für Ärzte jederzeit, auch in Notfallsituationen, unproblematisch und sicher erkennbar sein, ob der Patient sich zur Organspende bereit erklärt hat. Dazu sollte die Einrichtung eines zentralen Registers diskutiert werden. Ein in der Sache gestärkte Position des Transplantationsbeauftragten bzw. Aufwertung zum Transplantationsbevollmächtigten trägt in den medizinischen Pflegeinrichtungen zur stärkeren Akzeptanz und Präsenz der Thematik bei. Zudem sollten die Organspendebetreuungsteams gestärkt werden. Mehr und besser ausgestattete Teams können die Eintreffzeiten vor Ort senken und vor allem die kleineren Krankenhäuser fachkundig unterstützen. Die Expertise der Teams kann die rechtlichen Voraussetzungen fachkundig abdecken, beispielsweise die Feststellung des Hirntods, und die Organentnahmen durchführen. So kann das Personal der Krankenhäuser entlastet und die bisherige Konzentration der Entnahmen auf die Nacht durchbrochen werden.
Wie immer und überall ist die finanzielle Deckung der Maßnahmen ein wesentlicher Aspekt der erfolgreichen Durchführung. Das gilt selbstverständlich auch bei der Organspende in den Krankenhäusern. Die seit dem 1. Januar 2018 von den Entnahmekrankenhäusern in Rechnung zu stellenden Erstattungsbeträge decken zwar den Aufwand der Entnahme, aber nicht die entstehenden „sekundären“ Kosten. So können Intensivbetten während der Versorgung des hirntoten Spenders nicht mit anderen Patienten belegt werden oder das Personal zur Identifizierung eines potenziellen Spenders oder nach einer nächtlichen Organentnahme fehlt im regulären Krankenhausbetrieb. In der Summe werden die gegenwärtig anfallenden Gesamtkosten einer Organspende nicht von den Erstattungsbeträgen gedeckt. Die Kostenkalkulation muss hier entsprechend angepasst werden.
Sehr geehrte Frau S., allein die Einführung der Widerspruchslösung wird zu keinem Erfolg führen, wenngleich ich dem Vorschlag aufgeschlossen gegenüber stehe. Ich erachte die vom Bundesgesundheitsminister angestoßene Debatte als richtigen Weg, um die Thematik noch einmal grundsätzlich zu debattieren und die maßgeblichen Verbesserungen in vielen Bereichen fortzuführen. An dieser Debatte sollten wir uns alle beteiligen und viel wichtige Aufklärungsarbeit leisten. Mit den richtigen Änderungen können wir die Zahl der Organspenden endlich steigern und viele lebensbedrohliche Situationen für Menschen in Not überwinden.
Ich hoffe, Ihnen mit diesen Informationen geholfen zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Carsten Müller