Gendersprache entspringt nicht dem natürlichen Sprachwandel. In Umfragen lehnen 75-86% sie ab. Was halten Sie von der regelbasierten, verständlichen und gebräuchlichen deutschen Standardsprache?
Sehr geehrte Frau Haßelmann,
Politik, Verwaltungen, ÖR-Medien und Bildungsinstitutionen gendern gegen den allgemeinen Sprachgebrauch und gegen den Mehrheitswillen der Bürger (Umfrage mdr 2021). Sollte Politik den wachsenden Unmut der Bürger ignorieren und Gendern durchsetzen? Darf sie in gewachsene grammatische Strukturen eingreifen?
Bei der nächsten selbstorganisierten bundesweiten Volksabstimmung von ABSTIMMUNG21 e.V. fordern wir die Abkehr von der Gendersprache in der öffentlichen Kommunikation, da wir meinen, dass die Verständigungsfunktion von Sprache verlorengeht, wenn Schulen, Universitäten, Städte und Gemeinden, Bundesländer, Zeitungen, Verlage, TV- und Radiosender gegen geltende Regeln* jeweils eine eigene Version von „geschlechtergerechter“ Sprache nutzen:
https://abstimmung21-mitmachen.de/proposals/25-abkehr-von-der-gendersprache
Halten Sie die Einheitlichkeit der deutschen Sprache für erstrebenswert oder entbehrlich?
Liebe Frau M.,
vielen Dank für Ihre Frage. Frau Haßelmann hat uns gebeten, Ihnen zu antworten.
Es kann nicht bezweifelt werden, dass Sprache wirkungsvoll ist und dass durch sie soziale Tatsachen geschafft werden. Sprache, Wortschatz, Regeln und Ausdruck verändern sich kontinuierlich durch Sprachgebrauch. Niedergeschriebene Regeln stellen immer lediglich die zum Zeitpunkt verständigten Konventionen dar, siehe dazu auch die in den vergangenen Dekaden vereinbarten Rechtschreibreformen. Sprache ist nicht unveränderlich, sie folgt dem Sprachgebrauch der Menschen und bildet Veränderungsprozesse ab. Auch "Gendern" ist ein Beispiel für solch eine Veränderung von Sprache durch Sprachgebrauch. In diesem Kontext kann sie als Werkzeug für mehr Geschlechtergerechtigkeit dienen.
Generell gilt aber, dass niemand bei den Grünen anderen Menschen vorschreibt, wie sie zu schreiben oder zu sprechen haben. Genauso wenig soll Menschen auferlegt werden, zu gendern. Bemerkenswerterweise wird solch eine vermeintliche Vorschrift in der Öffentlichkeit in erster Linie von Gruppen thematisiert, die geschlechtergerechte Sprache ablehnen. Hieraus resultiert unserer Auffassung nach erst die Aufregung um angebliche Sprachvorgaben. Wahr ist allerdings, dass es - mit Ausnahme von den Bereichen der Schule und der öffentlichen Verwaltung - keine vom Staat vorgegebenen Regeln für Sprache und Schreibung gibt und auch nicht geben soll. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass Einzelpersonen das Recht zusteht von der Standardsprache abzuweichen - beispielsweise um eine geschlechtergerechtere Sprache zu verwenden.
Mit besten Grüßen
Team Haßelmann