Frage an Britta Haßelmann von Karin D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie können Sie & Ihre Partei dazu beitragen,
dass sich die Arbeitsweise des Bundestages (einschließlich der GO) verändert,
um den Fraktionsdruck zu vermeiden,
mehr Gewissensentscheidungen zu ermöglichen
und dabei wechselnde Mehrheiten mit sach- statt machtorientierten Entscheidungen zuzulassen,
z.B. anhand eines Antrags zum Volksentscheid auf Bundesebene?
Sehr geehrte Frau D.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verpflichtet. Das ist im Grundgesetz in Artikel 38 fest verankert.
Dies ist auch die Grundlage dafür, dass sich Abgeordnete sachorientiert entscheiden. Eigene Initiativen oder Gesetzentwürfe des Kabinetts oder der Koalition werden in Arbeitsgruppen der Fraktion, in Fraktionssitzungen und in den Fachausschüssen des Bundestages in der Regel mehrfach beraten und diskutiert. Die Abgeordneten entscheiden in diesen Gremien lösungsorientiert.
Unsere Demokratie lebt allerdings vom Vertrauen der Bürger/innen in ihre Repräsentant/innen, in ihre Institutionen und Entscheidungsprozesse. Ich finde es wichtig, dass wir das Vertrauen in die Arbeit des Bundestages stärken. Wir als Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wollen, dass Gesetzgebungsverfahren, Prozesse und Beschlüsse im Bundestag transparenter werden. Ein wichtiger Schritt ist, dass die Ausschüsse grundsätzlich öffentlich tagen sollten. Dafür haben wir uns im Bundestag stark gemacht, aber keine Mehrheit dafür gewonnen.
Im politischen Handeln im Bundestag geht es auch um Kohärenz und Verlässlichkeit der politischen Entscheidungen. Zu Beginn der Legislaturperiode schließen sich Abgeordnete zu Fraktionsgemeinschaften zusammen. Die Bildung von Fraktionen dient auch dieser Verlässlichkeit und Kohärenz bei Entscheidungen des Parlamentes. Ich weiß, dass es für jede und jeden einzelnen Abgeordneten im Einzelfall immer eine sehr schwierige Abwägung bedeutet, sich zwischen eigener Auffassung und Positionierung der Fraktion, der man sich zugehörig fühlt, zu entscheiden, wenn dort unterschiedliche Auffassungen bestehen. Letztlich sind die Abgeordneten ihrem Gewissen verpflichtet und müssen ihre Abwägung bzw. Entscheidung treffen und verantworten. Hinweisen will ich darauf, dass es bei sehr grundsätzlichen, ethischen Fragen wie etwa der embryonalen Stammzellenforschung, der Patientenverfügung oder der Frage der "Sterbehilfe" im Bundestag keine parlamentarischen Initiativen oder Gesetzentwürfe von Fraktionen sondern von Gruppen aus der Mitte des Parlamentes gab.
Um die direkte Demokratie zu stärken, wollen Bündnis 90/Die Grünen Mehr Elemente direkter Beteiligung ermöglichen. Deshalb wollen wir Volksentscheide in die Verfassung einführen. Die Rechte von Minderheiten sowie Grundrechte und wesentliche Verfassungsprinzipien dürfen allerdings durch Volksentscheide nicht zur Disposition gestellt werden. Zum Kern der Demokratie gehört die Mehrheitsentscheidung genauso wie der Minderheitenschutz.
Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann