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Britta Haßelmann
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Frage von Christian S. •

Frage an Britta Haßelmann von Christian S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Haßelmann

Mein Name ist Christian Schwarz, ich arbeite seit 1973 in der Pflege und leite z. Z. eine psychiatrische Klinik.
Es gibt derzeit kein Bewerbermangel für Pflegeberufe, aber es gibt leider ein Mangel an qualifizierten Bewerbern.
Bisher ist die Vorrausetzung zum Erlernen eines Pflegeberufes (Krankenpflege oder Altenpflege gleichermaßen) in Deutschland ein mittlerer Bildungsabschluss.
Deutschland ist damit Schlusslicht in der EU, da in fast allen EU - Mitgliedsstaaten die Ausbildung als Hochschulstudium oder zumindest parallel als Hochschulstudium und Ausbildung in Sekundarstufe II geregelt wird. Obwohl wir Schlusslicht in Europa sind, und die Koalition in Berlin eine Weiterentwicklung der Pflegeberufe im Koalitionsvertrag festlegt (auch die damit verbundene Qualität), will sie nun, allen voran Ulla Schmidt, aus Arbeitsmarktpolitischen Gründen den Zugang zur Pflegeausbildung für Hauptschulabsolventen absenken und das in aller Heimlichkeit. Die Ausbildung der Pflege jedoch ist heutzutage eine hoch komplexe Angelegenheit. Schon heute, so berichten viele Schulen haben Pflegeschüler mit mittlerem Bildungsabschluss oft Schwierigkeiten die Anforderungen der theoretischen Ausbildung zu bewältigen sowie geeignete Bewerber mit dem aktuell verlangten Schulabschluss zu finden.
Sollte sich die Koalition in Berlin mit ihrem Vorhaben der Absenkung der Zugangsberechtigung durchsetzen bedeutet das, dass der Ausbildungsanspruch drastisch gesenkt werden muss womit automatisch die Qualität der Pflege gesenkt wird. Sie wird auch nicht auf dem heutigen Stand gehalten werden können.

Ich möchte Sie bitten, dem Änderungsantrag (BT-Drucksache 16 (14) 0527: Artikel 12a) zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BT-Drucksache 16/12256) nicht zuzustimmen. Für eine baldige Antwort Ihrer Sichtweise sowie Stimmverhaltens bezüglich des Änderungsantrages wäre ich Ihnen sehr verbunden.
MfG
Christian Schwarz

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schwarz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage zur Absenkung der Zugangsvoraussetzungen zur Altenpflege und Krankenpflegeausbildung, die die große Koalition im Rahmen der Arzneimittelgesetz-Novelle beschlossen hat.

Die Änderung im Kranken- bzw. Altenpflegegesetz sieht vor, künftig über eine Modellklausel auch BewerberInnen mit Hauptschulabschluss den direkten Zugang zur dreijährigen Pflege-Ausbildung zu ermöglichen. Diese Regelung wird auf zunächst acht Jahre bis Ende 2017 befristet. Im Gesetz ist, wie bei Modellklauseln üblich, keinerlei wissenschaftliche Begleitung und Auswertung vorgesehen. Dies wäre aber zwingend notwendig, um feststellen zu können, ob sich die Neuregelung bewährt hat oder nicht.

Die große Koalition begründet die Änderung mit den in den kommenden Jahren zu erwartenden Folgen der demografischen Entwicklung und dem damit verbundenen Personalmangel im Pflegesektor. Auch wenn wir Grüne diese Problematik durchaus erkennen, halten wir – wie auch die überwiegende Mehrheit der Fach- und Verbändewelt- den Beschluss der großen Koalition nicht für sinnvoll und zielführend. Er fokussiert einseitig die quantitative Seite des Problems und lässt dabei die Frage nach der Qualität außer Acht. In den vergangenen Jahren haben sich die Berufsfelder von Gesundheits-, Kranken-, und Altenpflege zunehmend ausdifferenziert.

Ausbildungsinhalte sind deutlich anspruchvoller geworden und verlangen ein hohes Maß an fachlicher Kompetenz. Schon heute rangiert Deutschland im europäischen Vergleich auf den unteren Plätzen hinsichtlich des Zugangniveaus zur Pflegeausbildung. In den meisten europäischen Staaten ist diese bereits an akademische Zugangsvoraussetzungen gebunden. Daraus würden sich für deutsche Pflegefachkräfte auch innerhalb der EU Probleme ergeben, weil die Qualifikationsniveaus zwischen den Ländern nicht mehr vergleichbar sind.
Zudem klagen schon heute viele Ausbildungsstätten, dass es nicht an Bewerbern mangele, sondern häufig an einem ausreichenden Qualifikationsniveau. Sie verweisen auf die hohe Zahl von Schülern und Schülerinnen, die an den Anforderungen der Lehrinhalte scheitern und die Ausbildung vorzeitig abbrechen müssen.

Wir Grüne wollen, dass Hauptschülerinnen und -schüler eine echte(!) Chance erhalten, sich im Berufsfeld Pflege zu qualifizieren. Denn wir brauchen motivierte Menschen, die diese verantwortungsvolle Tätigkeit ausüben wollen. Wir glauben aber nicht, dass die Koalition mit ihrer Gesetzesänderung dafür den richtigen Weg einschlägt. Wir brauchen vielmehr eine längst überfällige und sehr grundlegende Reform der Pflegeausbildung. Auch darüber verliert die Koalition kein Wort. Eine solche Reform muss ein abgestuftes und durchlässiges Ausbildungssystem zum Ziel haben. Darin soll jedeR die Chance bekommen, ihre/seine Qualifikation ohne bürokratische Hürden schrittweise zu erweitern. So ist es BewerberInnen mit Hauptschulabschluss bereits heute möglich, nach einer Ausbildung in einem Pflegehilfe- oder Pflegeassistenzberuf in die nächst höhere Ausbildungsstufe zu wechseln. Zudem werden derzeit auch Modellprojekte zu neuen, zweijährigen Ausbildungen in der Pflege ausgewertet (Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart), deren bevorzugte Zielgruppe Hauptschüler waren bzw. sind. Solche Ansätze wollen wir weiterentwickeln. Auch weitergehende Abschlüsse bis hin zum Fachhochschul- oder Universitätsabschluss sollen möglich werden. Ein solcher Ansatz benachteiligt niemanden, der Interesse am Pflegeberuf hat – im Gegenteil. Er schafft, im Gegensatz zum Beschluss von Union und SPD, eine sinnvolle Balance zwischen dem Gewinnen neuer Bewerber/innen und der Beachtung der Qualität. Ganz wesentlich scheint für uns dabei, dass dadurch auch die Attraktivität des Berufsbildes insgesamt erhöht werden kann, da Aufstiegs- und Weiterentwicklungschancen für alle möglich sind.

Mit freundlichen Grüßen
Britta Haßelmann

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