Frage an Brigitte Pothmer von Reinhard B. bezüglich Umwelt
Sehr geehrte Frau Pothmer,
in der "Welt" erscheint heute unter der Überschrift - "Die Grünen machen Jagd auf Jäger" ein sehr interessanter Artikel zu den Auswirkungen der vielen Jagdereignisse durch eine immense Zahl von Hobbyjägern. Ein "Biologe" lässt sich interviewen. Die Jagd sei überflüssig, ein grausamer "Blutsport". Es sei ein Skandal, dass "Hobbyjäger" sich an wild lebenden Tieren vergreifen dürften. Die Natur "regelt sich selbst". Mir selbst erzählte ein Harzer Ranger, dass es im Harz wenn überhaupt, nur noch sehr kleine "Rudel" von Rotwild mehr geben würde. Vor einigen Jahren konnten im Winter durch die Ranger noch Rudelgrößen von 30 Tieren gezählt werden. Im letzten Winter zählte man nur noch max. 7 Tiere. Offiziell dürften die Ranger ihre Erkenntnisse nicht berichten. Die Jägerlobby sei viel zu stark. Werden sich die Grünen dieses Themas engagiert annehmen, damit sich auch nachfolgende Generationen noch an freilebenden Wild erfreuen können?
Sehr geehrter Herr Brunke,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage.
Wie Sie wissen, ist der Naturschutz ein Kernthema für die Grünen und der Erhalt der Artenvielfalt liegt auch mir persönlich sehr am Herzen. Über die spezifische Situation der Rotwild-Bestände im Harz liegen mir keine Informationen vor, aber mit Blick auf das Land Niedersachsen insgesamt ergibt sich nach meinem Wissen kein verschärftes Konkurrenzverhältnis zwischen Jagd und Naturschutz. Anders als die von Ihnen zitierte Schlagzeile suggeriert, geht es uns Grünen nicht darum, die Jagd abzuschaffen, sondern sie stärker an den naturschutzfachlichen Erkenntnissen und Erfordernissen auszurichten. Wir halten es grundsätzlich für ökologisch und moralisch vertretbar, Wildtiere, die in ihrem Bestand nicht bedroht sind und die der menschlichen Ernährung dienen, so zu bejagen, dass es für die Tiere mit möglichst wenig Leiden und Stress verbunden ist. Dabei ist natürlich zu respektieren, dass Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer die Jagd aus ethisch-moralischen Gründen ablehnen und deshalb nach einem entsprechenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte das Recht haben, ihr Grundstück zu einem sogenannten befriedeten Bezirk erklären zu lassen, auf dem nicht gejagt werden darf. Dieses Recht darf nicht durch unnötigen bürokratischen Aufwand faktisch ausgehebelt werden.
Der Aussage, die Jagd sei unter naturschutzfachlichen Gesichtspunkten unnötig und die Natur regele sich von allein, kann ich so jedoch nicht zustimmen. Unter der Annahme einer reinen Naturlandschaft mag das stimmen. Eine solche Situation haben wir in Deutschland aber kaum. Bei uns findet Naturschutz und Nutzung weit überwiegend auf derselben Fläche statt. Im Bereich der Waldwirtschaft gibt es seit einigen Jahren glücklicherweise die zunehmende Tendenz der Naturverjüngung von und mit standortheimischen Laubgehölzen. Ein solcher Prozess ist aus Sicht des Naturschutzes eindeutig positiv zu bewerten, da auf diese Weise ein naturnäherer in seinen Altersklassen gestaffelter Wald heranwächst. Naturverjüngung im Wald funktioniert jedoch nur mit deutlich niedrigeren Beständen an Schalenwild (Rehe, Hirsche, Wildschweine) als wir sie in vielen Teilen Niedersachsens derzeit haben. Gerade dort, wo die Schalenwildbestände für eine Naturverjüngung des Waldes zu hoch sind, kann es naturschutzfachlich sinnvoll sein, diese zu reduzieren. Dabei geht es selbstverständlich nicht darum, Wildbestände örtlich auszulöschen, sondern auf ein Maß zu regulieren, das mit einer naturnahen Waldwirtschaft im Einklang steht.
Ich hoffe, Ihnen die differenzierte Position der Grünen in dieser Sache verständlich dargelegt zu haben, die einer zugespitzten Zeitungsüberschrift à la "Die Grünen machen Jagd auf Jäger" sicher nicht entspricht.
Mit freundlichen Grüßen,
Brigitte Pothmer