Frage an Bodo Ramelow von Andreas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Ramelow,
ich bin auf youTube auf ein Video gestoßen, bei dem Sie uns etwas zu Volksentscheiden erklären. Selbstverständlich bin ich für Volksentscheide wie die Mehrheit der Bevölkerung wohl auch.
Nun haben Sie dabei auch erwähnt, dass die Regierung das Grundgesetz ändern (sodass das letzte bisschen Basisdemokratie abgeschafft wird) wollte und das macht mir Sorgen.
Warum ist es denn so einfach, das Grundgesetz zu ändern. Warum hat die Politik kein Respekt mehr vor dem Grundgesetz? Wenn sie etwas beschließen wollen, das gegen das Grundgesetz ist, dann wird einfach das Grundgesetz geändert. Das geht so nicht, ich finde wenn man schon am höchsten Gesetz rumschrauben will, sollte man das Volk fragen.
Was tut Ihre Partei gegen solche Machenschaften?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Kolloch
Sehr geehrter Herr Kolloch,
vielen Dank für ihre Anfrage.
Wie Sie bereits aus dem youtube-Mitschnitt erfahren haben, ist es für uns als Linke nicht hinnehmbar, dass in der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik der Willen der Bevölkerung nur am Wahltag zählt und sich die gewählten Volksvertreter ansonsten häufig gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit durchsetzen. Beispielsweise, indem sie das Rentenalter auf 67 Jahre hoch setzen oder Kriegseinsätzen zustimmen.
DIE LINKE fordert sei langem mehr direkte Demokratie durch eine dreistufige
Volksgesetzgebung:
- Gesetzesvorlagen und Gegenstände der politischen Willensbildung sollen durch eine Volksinitiative mit der Unterschrift von 100.000 Wahlberechtigten beim Deutschen Bundestag eingereicht werden können.
- Für den 2. Schritt - das Volksbegehren - bedarf es einer Zustimmung von 1 Million Wahlberechtigten innerhalb von 6 Monaten, bei Grundgesetzänderung erhöht sich das Quorum auf 2 Millionen.
- Entspricht der Deutsche Bundestag nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten dem Volksbegehren, so findet ein Volksentscheid statt. Spricht sich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen für den Inhalt des Volksbegehrens aus, soll dies für den Bundestag bindend sein.
Darüber hinaus will DIE LINKE, dass die Fraktionen klarer an ihre Wahlversprechungen gebunden werden als zur Zeit. Deshalb soll sich jede Partei bei ihrer Kandidatur für den Bundestag nicht nur mit Personen bewerben, sondern auch eine klare Sach-frage mit zur Abstimmung stellen. An die Entscheidung der Bevölkerung über diese Sachfrage ist der Bundestag dann gebunden.
Aber die Bürgerbeteiligung darf nicht in Deutschland aufhören. Auch auf europäischer und internationaler Ebene sind die Menschen zu hören und zu beteiligen. Daher fordert DIE LINKE. z.B. auch einen Volksentscheid über die Europäische Verfassung.
Nicht nur DIE LINKE, sondern 70% der Bevölkerung will weg von der gegenwärtigen Zuschauerdemokratie hin zu einer Kultur der direkten Beteiligung und des Dialogs. Denn nur wo sich Bürgerinnen und Bürger einbringen, wo sie mitreden und mitentscheiden können, kann eine Demokratie auf Dauer funktionieren.
Um Elemente direkter Demokratie in der Bundesrepublik einführen zu können, muss das Grundgesetz geändert werden. Nicht jede derartige Änderung ist also per se schlecht - es kommt auf den Inhalt an. Wenn wir als Linke soziale Grundrechte ins Grundgesetz aufnehmen wollen - zum Beispiel das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung - werden Sie der erforderlichen Grundgesetzänderung sicher auch positiv gegenüber stehen. Leider haben die meisten Grundgesetzänderungen bisher zu Einschränkungen von Grundrechten wie dem Asylrecht oder von Freiheitsrechten wie der Pressefreiheit oder der Unverletzlichkeit der Wohnung geführt. Die Gründe hierfür liegen in den Machtverhältnissen und der Tatsache, dass die Bevölkerung keine Instrumente besitzt, selber Gesetze vorzuschlagen oder zu verhindern. Die Volksgesetzgebung ist deshalb auch unter dem Aspekt des Schutzes des Grundgesetzes von entscheidender Bedeutung.
Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow