Frage an Bodo Ramelow von Matias Leão R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ramelow!

Mit Manuela Schwesig zusammen lehnen sie den Begriff "Unrechtsstaat" für die DDR ab.

Zum einen lt. Fr. Schwesig, weil er von vielen aus der DDR Stammenden als herabsetzend empfunden wird, Zum anderen betonen sie, dass die DDR eindeutig kein Rechtsstaat gewesen sei, aber sich im Sinne eines Unrechtsstaates deutlich vom NS-Staat Deutschland unterscheide.

Sicherlich bleibt dieser Begriff umstritten.

Einerseits setzte die NSDAP durch das Führerprinzip auf diktatorischer Weise eine "rassistische Volksgemeinschaft" durch. Durch Verbote und Gleichschaltungen wurde die offene bürgerliche Gesellschaft abgeschafft. Ihre Opfer sind bis heute unvergleichlich. Ihre Überlebenden werden weit über ihren Tod hinaus, uns mahnen.

Andererseits sah sich die DDR-Justiz als Vollstreckungsorgan der SED. Ihre Entscheidungen hatten sich aus einer marxistisch-leninistischen Rechtstheorie zu ergeben. Sie wurden neben der Polizei und dem Zoll durch das Ministerium für Staatssicherheit als eigene Strafverfolgungsbehörde durchgesetzt. Sie hatte 40 Jahre Zeit eine politische Selbstjustiz zu entwickeln. Ihre Opfer leben und leiden heute noch.

Können Sie sich vorstellen, beide Diktaturen als Unrechtsstaaten zu bezeichnen, indem beide eine aus heutiger Sicht demokratisch liberale Gesellschaftsordnung leugneten,
beide sich jedoch darin unterscheiden, dass der NS-Staat durch sein völkisches Gesellschafts- und Menschenbild ebenso ein VERNICHTUNGSSTAAT war, indem er zwischen "Herrenmenschen" und "Untermenschen" unterschied. Die einen privilegierte. Die anderen versklavte oder sogar in Lagern industriell ermordete?

Ich halte die Gemeinsamkeit der DDR und NS-Deutschland als Unrechtsstaaten und die einzigartige Singularität des NS-Staates als Vernichtungsstaat als Aussöhnung für bürgerliche und progressive Kräfte, Ost- und Westdeutschland sowie Opfer und Täter[innen] tragfähig.

Könnten sie an dieser Stelle mitgehen, ggf. durch eine aktuelle Debatte im Thüringer Parlament?