Frage an Birgit Klampe von Guntram S. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Klampe,
auf meine Frage nach Ihren Standpunkten zu KiTa-Plätzen haben Sie umfassend in http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-221-47955--f333244.html#q333244 geantwortet. Zu dem Punkt 3. antworteten Sie:
*Ob Familiengerichte und Jugendämter "unsozial" handeln, kann ich nicht bestätigen. Beide müssen sich an Recht und Gesetz halten.*
Grundsätzlich teile ich Ihre Auffassung, dass Gesetze als "Richtschnur" für die Urteilsfindung dienen.
Im Familienrecht gibt es jedoch einige Schwachpunkte: unter Anderem den Begriff "Kindeswohl". Im Regelfall haben die beteiligten Parteien (Eltern, Jugendämter, Anwälte, Richter, Gutachter) oft sehr unterschiedliche Auffassungen, was im Einzelfall dem Kindeswohl entspricht.
1. Ist es überhaupt möglich und wenn ja wie, im Einzelfall objektiv heraus zu finden, ob beispielsweise in der Frage des Umgangsausschlusses oder einer Einschränkung des Umgangs das objektive Wohl des Kindes (d.h. die Einflüsse auf seine Entwicklung) dem Wohl des jeweiligen Kindes Rechnung getragen wird? Die Tatsache, dass Scheidungskinder sehr oft später im Erwachsenenalter sozial und materiell schlechter gestellt sind als deren Altersgenossen aus intakten Familienstrukturen, läßt vermuten, dass dieses hehre Ziel tendenziell eher verfehlt wird.
2. Wissen Eltern über die tatsächlichen Bedürfnisse ihrer Kinder nicht weitaus besser Bescheid, da sie sie weitaus besser und intimer kennen als die beteiligten Dritten?
3. Verstellt nicht sehr oft der Blick auf materielle Aspekte der Scheidung (z.B. das Interesse der Solidargemeinschaft Deutschland, möglichst KEINE materielle Verantwortung tragen zu müssen), den Blick auf das Wesentliche, nämlich Scheidungskonflikte konstruktiv, und damit im Sinne der Kinder zu lösen?
5. Handeln öffentliche Stellen automatisch sozial, nur weil sie sich "an das Gesetz" handeln, oder steht nicht gerade in Sozialfragen die MENSCHLICHE Seite an oberster Stelle? Was, wenn das Recht unsozial formuliert wurde?
Sehr geehrter Herr Seiß,
der Begriff des "Kindeswohles" ist, wie jeder unbestimmte Rechtsbegriff, nicht unproblematisch. Er eröffnet einen großen Interpretations- und Gestaltungsspielraum zu Gunsten des Familiengerichts. Nichtsdestotrotz ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass eine sorgfältige Ausdifferenzierung dieses Begriffs möglich ist. Dies zeigen verschiedenste gesetzliche Regelungen, nach denen eine Maßnahme dem Kindeswohl beispielweise positiv "entsprechen" oder aber "dienen" kann. In negativer Hinsicht kann eine Maßnahme das Kindeswohl "gefährden" oder diesem "nicht entsprechen".
Sicherlich sind die Eltern diejenigen, die ihr Kind und dessen Bedürfnisse am besten kennen. Nicht zu vergessen ist jedoch die emotionale Ausnahmesituation, in die eine Familie im Falle einer Scheidung gerät. In dieser Situation vermag ein außenstehender, neutraler Dritter wohlmöglich eine ausgewogenere Lösung zu finden. Dafür, dass Kinder nicht unter einer Scheidung leiden, tragen in erster Linie die Eltern die Verantwortung. Ihr Umgang mit der neuen Situation, insbesondere dem ehemaligen Partner, entscheidet darüber, mit welchen Eindrücken, Erlebnissen und Erfahrungen gemeinsame Kinder ihren neuen Lebensabschnitt beginnen; der Ablauf des Scheidungsverfahrens ist meines Erachtens da nur von sekundärer Bedeutung.
In der Hoffnung, Ihnen mit meinen Ausführungen geholfen zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Birgit Klampe