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Bianca Pircher
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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Frage von Wolfgang S. •

Wie beurteilen Sie die geplante Hochrüstung der Juraleitung von 220.000 auf 380.000 Volt?

Werden Sie für eine Änderung des Bundesbedarfsplans und weniger Höchstspannungsleitungen eintreten, damit die Netzentgelte nicht so hoch steigen?

Sind Sie dafür, dass weiter laut Bundesbedarfsplan für zusätzliche 38.000 km Höchstspannungsleitungen zu den bestehenden 35000 km rund 330.000 Millionen € ausgegeben werden und diese über Netzentgelte und den Bundeshaushalt finanziert werden?

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Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr S.

Ich verstehe, dass der Ausbau solcher Infrastrukturprojekte Sorgen auslöst, gerade wenn es um mögliche Auswirkungen auf Wohngebiete, Umwelt oder Kosten geht. Dennoch sehe ich die geplante Hochrüstung der Juraleitung von 220.000 auf 380.000 Volt als eine Maßnahme an, die für eine sichere und zukunftsfähige Energieversorgung notwendig ist. 

Wir stehen vor der Herausforderung, unser Stromnetz so zu modernisieren, dass es die wachsende Menge an erneuerbarer Energie zuverlässig aufnehmen und verteilen kann. Die bestehende Leitung ist über 70 Jahre alt und kann den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Eine höhere Spannung ermöglicht es, mehr Strom über die gleiche Trasse zu transportieren, wodurch langfristig weniger zusätzliche Leitungen gebaut werden müssen. 

Bereits jetzt arbeiten Teile unseres Stromnetzes an der Belastungsgrenze. Netzbetreiber müssen regelmäßig eingreifen, um Überlastungen zu vermeiden. Wenn wir nicht rechtzeitig in den Ausbau der Übertragungsnetze investieren, riskieren wir, dass erneuerbarer Strom nicht dorthin transportiert werden kann, wo er gebraucht wird – mit der Folge, dass erneuerbare Energie abgeregelt wird, während gleichzeitig noch fossile Kraftwerke laufen. Die Hochrüstung der Leitung ist daher nicht nur für die Integration erneuerbarer Energien entscheidend, sondern auch für die grundsätzliche Netzstabilität. Ohne eine leistungsfähige Infrastruktur kann ein modernes, resilientes und dezentrales Energiesystem nicht funktionieren.

Die Alternative zur Hochrüstung wäre, in 10 bis 20 Jahren erneut eine Diskussion über den Netzausbau zu führen – dann aber unter noch schlechteren Bedingungen, mit noch höheren Kosten und einer noch größeren Dringlichkeit. Jetzt die Kapazitäten massiv auszubauen, ist die wirtschaftlich vernünftigste Lösung. So vermeiden wir es, immer wieder in kurzfristigen Schritten nachbessern zu müssen.

Die GRÜNEN und auch ich setze mich für eine gerechtere Finanzierung des Netzausbaus ein, die nicht allein über die Netzentgelte der Verbraucherinnen und Verbraucher läuft. Die bisherige Praxis, große Teile des Netzausbaus direkt über die Stromrechnungen zu finanzieren, führt zu regionalen Ungleichheiten und belastet vor allem Menschen in Gegenden, in denen besonders viel Infrastruktur modernisiert werden muss. Das ist weder sozial gerecht noch wirtschaftlich sinnvoll.  

Unsere Überzeugung ist, dass Netzinvestitionen – ähnlich wie Straßen, Schienen oder digitale Infrastruktur – als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden müssen. Daher plädieren wir dafür, einen Teil der Investitionen über den Bundeshaushalt oder über langfristige Kreditfinanzierungen zu stemmen. Das würde die Kosten fairer verteilen und sicherstellen, dass nicht einzelne Haushalte oder Unternehmen übermäßig belastet werden. Ein solches Modell entspricht auch dem Prinzip nachhaltiger Investitionen: Infrastruktur, die über Jahrzehnte genutzt wird, sollte nicht nur aus den laufenden Einnahmen finanziert werden, sondern über langfristige Finanzierungskonzepte, wie es auch in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge üblich ist.  

Langfristig wollen wir zudem erreichen, dass der Netzausbau effizienter und vorausschauender geplant wird, damit keine unnötigen Kosten durch Verzögerungen, nachträgliche Anpassungen oder fehlende Koordination entstehen. Ein stabiles, gut ausgebautes Netz ist eine Voraussetzung für stabile Strompreise – deshalb muss es klug finanziert werden, ohne die Akzeptanz der Energiewende durch unnötige Mehrbelastungen zu gefährden.