Was denken Sie warum die Grünen so an Zustimmung verlieren? Warum sollten wir überhaupt noch die Grünen wählen?
Sehr geehrte Frau M., vielen Dank für Ihre Frage.
Ich fange mit Ihrer zweiten Frage an: Warum sie grün wählen sollten: Die Grünen sind die einzig echte Klimaschutzpartei. Wir schreiben die Sorgen um unsere Zukunft und die unserer Kinder nicht nur einfach in Wahlprospekte. Wir sind Menschen, die genau diese Sorgen in die Partei gebracht hat. So geht es auch mir: mit der Geburt meines zweite Kindes habe ich für mich beschlossen, dass es nicht ausreicht, nur wählen zu gehen und zu hoffen, dass die Politik den richtigen Weg schon finden wird. Ich bin bei den Grünen eingetreten, weil ich gemerkt habe, dass das eine Arbeit ist, die nur viele Menschen mit den gleichen Sorgen und Ideen zusammen schaffen können. Und jetzt möchte ich durch eine Kandidatur dazu beitragen, dass Bayern tatsächlich wie ausgerufen 2040 klimaneutral wird, nicht nur auf dem Papier sondern in der Realität. Weil alles andere Verrat an unseren Kindern und Enkelkindern wäre.
Zustimmungsverluste: Gibt es die? Oder haben wir einfach den super Lauf vom letzten Mal nicht mehr? Wir werden das am Sonntag sehen und ich bin mir sicher, es wird dann – egal wie die Wahl ausgeht – ausführliche Analysen geben. Für mich gibt derzeit mehrere Herausforderungen, mit denen wir Grüne konfrontiert sind:
1. Wer nichts macht, macht keine Fehler; wer was macht sehr wohl: Die vorherigen Regierungen haben hehre Ziele beschrieben (z.B. Klimaneutralität in Deutschland bis 2045, Bayern 2040), ohne jedoch konkrete, ausreichende Maßnahmen anzuschieben und einen ehrlichen, realistischen Fahrplan aufzustellen. Wohlwissend, dass Veränderungen Wählerstimmen kosten können. Aber genau das hat die Ampelregierung und insbesondere die Grünen getan: Dinge anpacken, die über Jahre oder sogar Jahrzehnte liegen geblieben sind. Dadurch erscheint das Veränderungstempo sehr hoch. Und ja, es passieren auch Fehler. Da müssen wir auch selbstkritisch sein. Aber in einer intakten Demokratie werden Fehler im Gesetz durch einen aufwendigen Gesetzgebungsprozess korrigiert. Vieles was z.B. beim Heizungsgesetz kritisiert wurde, hat im Laufe der Gesetzgebung Anpassungen erhalten. So wie andere Gesetze auch. Ein eigentlich normaler Prozess. Darüber hinaus verkaufen wir unsere Erfolge nicht gut. Da müssen wir noch nachbessern. Aber hier schon mal zu dem was wir anpacken: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ampel-koalition-versprechen-streit-studie-100.html
2. Vieles was wir anpacken wollen, können wir in einer Koalition aus drei Parteien nicht 100% umsetzen. Es sind Kompromisse notwendig. Viele durch und durch überzeugte Klimaschützer gehen unsere Errungenschaften nicht weit genug und sie sind enttäuscht.
2. Die politischen Herausforderer: Die CSU hat sich - wohl mit der Sicherheit dass es ohne sie keine Regierung in Bayern geben wird - ein "Wahlprogramm" von gerade mal 22 Seiten mit alten Ideen gegeben. Das eigentliche Wahlprogramm lautet: Gegen die Grünen. Nach unserm Erfolg vor 5 Jahren vielleicht eine einfache Herangehensweise. Leider nur eine, die den demokratischen Prozess vergiftet: Denn wenn unser Ministerpräsident bei weit über 100 Bierzeltauftritten immer wieder falsche Dinge behauptet, z.B. die Grünen wollen allen das Fleisch verbieten, dann bleibt etwas hängen. Wir beschreiten gerade eine bei uns ungeahnte Stufe des Populismus. Und erschreckenderweise funktioniert dieses Prinzip. Wir sehen das daran, dass unsere Plakate zerstört unsere Mitglieder beschimpft werden - und hören dabei genau diese Bierzelt-Behauptungen. Das macht traurig.
3. Ein allgemeiner Rechtsrutsch in Europa: Vor diesem sind offensichtlich auch in Deutschland und Bayern nicht sicher. Egal ob Frankreich, Italien, Ungarn, Polen... hier sind die extrem rechten Parteien schon viel weiter als bei uns. Wir konnten uns dagegen lange erfolgreich behaupten. Nun zeigen die Freien Wähler, wie weit man in der Öffentlichkeit die Grenze nach rechts verschieben kann. Die Grünen sind das ganz klare Gegenbekenntnis zu rechten Tendenzen: Wir stehen für ein tolerantes, menschliches, faires Miteinander, in dem jede*r leben und lieben kann wie er*sie möchte. Allein dass ich hier das * genutzt habe, treibt mancher*n jetzt wahrscheinlich die Zornesröte ins Gesicht. Warum? Weil dieses tolerante Leben manchen Menschen ein Dorn im Auge ist. Menschen, die sich besser fühlen, wenn es „die einen“ und „die anderen“ gibt, Menschen die spalten statt integrieren. Dagegen stehen wir Grüne auf. Fast jeden Tag stehen wir auf Demos gegen rechts, für mehr Toleranz, etc. In den sozialen Medien kommentieren wir rechte Falschbehauptungen, unsere Anträge wollen Ausgrenzung und Spaltung verhindern. Und auch das macht uns zum Ziel gezielter Kampagnen rechter Trolle und Politiker. Auch deren Einfluss nimmt leider zu. Deren Reichweiten in den sozialen Medien greifen weit und erreichen gerade junge Menschen, wie die U18 Wahl in Bayern jetzt gezeigt hat.
Glauben Sie mir eines: Wir bleiben weiter das Bollwerk gegen Rechts, die Klimapartei schlechthin. Das ist aktuell kein einfacher Job. Umso wichtiger ist es, dass Menschen, die für den Klimaschutz und gegen Ausgrenzung sind, ein Zeichen setzen und grün wählen. Je mehr wir sind, desto mehr können wir erreichen.