Bettina Berens
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Frage von Thomas O. •

Frage an Bettina Berens von Thomas O. bezüglich Finanzen

Sehr geehrte Frau Berens,

Beim Bund der Steuerzahler habe ich gelesen:

"Ende 2010 wird das Land Nordrhein-Westfalen rund 129 Milliarden Euro Schulden haben. Dafür werden pro Jahr 4,7 Milliarden Euro Zinsen fällig."
( http://www.steuerzahler-nrw.de/Subventionen-abbauen/3063b1158/index.html )
Das ist ein durchschnittlicher Zinssatz von etwa 3,6%, die in einer Niedrigzinsphase gezahlt werden.

Ich fürchte, wir müssen in den nächsten Jahren mit stark steigenden Zinsen und damit stark steigenden Ausgaben rechnen. Sehen Sie das auch so?

Beim Finanzministerium von NRW habe ich gelesen, daß die Steuereinnahmen für 2009 38,461 Mrd. Euro betrugen.
( http://www.fm.nrw.de/haushalt_und_finanzplatz/haushalt/01_steuereinnahmen/2009.php ) und, daß in den ersten Monaten 2010 die Steuereinnahmen NRWs deutlich gesunken sind: "Bisher flossen dem Landeshaushalt Steuereinnahmen in Höhe von 5.426,7 Mio.EUR zu. Dies sind 13,1 % oder 821,3 Mio.EUR weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Von dem Rückgang entfallen rd. 5,4 Prozentpunkte oder rd. 337,6 Mio. EUR auf den Übergang der Ertragshoheit der Kfz-Steuer auf den Bund." ( http://www.fm.nrw.de/haushalt_und_finanzplatz/haushalt/01_steuereinnahmen/2010.php )

Wir haben in NRW also in zwei Monaten reale Steueraufälle von 483,7 Mio EUR verglichen mit 2009 gehabt. Es ist also erst einmal zumindest nicht mit steigenden Steuereinnahmen zu rechnen.

Damit gibt das Land NRW derzeit etwa 12,2% seiner Steuereinnahmen für Zinsen aus. Da die Zinssätze nicht immer auf einem historischen Tief bleiben werden und gleichzeitig die Steuereinnahmen schwächeln, ist damit zu rechnen, daß dieser Anteil in den Jahren, in denen Sie im Landtag sind, noch deutlich steigen wird.

Ich befürchten daher, daß bei jeder an sich sinnvollen Maßnahme im Landtag argumentiert werden wird "Dafür ist kein Geld da".
Wie wollen Sie mit dieser Argumentation umgehen und wie stehen Sie zu dem Problem der Verschuldung der öffentlichen Hand?

MfG,
Thomas Oberländer

Antwort von
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Sehr geehrter Herr Oberländer,

vielen Dank für Ihre Frage.

Die Tatsache, dass Prognosen oft nicht so ausfallen, wie die Spezialisten errechnet haben, begegnet uns in der Politik recht häufig. Den Verweis auf den Wetterbericht lasse ich mal unkommentiert.

Ich bin selbst Mitglied im Bund der Steuerzahler und habe meinen Eindruck, dass der Aufschwung bei mir noch nicht richtig angekommen ist, durch die Zahlen bestätigt bekommen. Vielleicht kann man ihn ja herbeireden.

Die Antwort auf die Frage, was ich mit der Tatsache machen werde, dass die Steuereinnahmen weiter sinken: Ich würde zuerst dafür sorgen, dass die niedrigen Zinsen ein bisschen länger erhalten bleiben. Dabei muss uns die Bundesregierung allerdings auch helfen. Ich würde prüfen lassen, ob es möglich ist, für die Schulden des Landes langfristigere Zinsbindungen auszuhandeln. In der Immobilienfinanzierung wird das ja auch so gemacht. Und das Land, bzw. die Bürger des Landes, haben ja ne Menge Immobilien und Grundstücke, die als Sicherheit dafür wohl ausreichen sollten. Dann hätten wir die Gefahr, dass uns die Zinsen aus dem Ruder laufen, erstmal im Griff. Das hilft, weil höhere Zinsen bedeuten auf jeden Fall höhere Schulden, denn höhere Einnahmen sind ja nicht sicher. Die Tatsache, dass die Einnahmen aus der Kfz-Steuer neuerdings dann vom Bund verteilt werden, hilft dem Strassenbau in NRW nicht. Es kann nicht sein, dass jeder, der gerade knapp ist, sich die Einnahmen dort holt, wo noch was ist, das läuft auf kommunaler Kreis/Gemeindeebene ähnlich. Es soll Schluss sein mit der ständigen Hin- und Herbewegung von Zuständigkeiten. Wenn NRW für Straßen, Schulen, Kitas etc. verantwortlich ist, dann soll das Geld auch fließen. Wenn von der Bundesregierung gefordert wird, 750.000 Plätze für unter 3-Jährige zu schaffen, soll der Bund auch sagen, woher das Geld kommt.

Ihre Befürchtung, dass das Argument, "Dafür ist kein Geld da", kommt, kann ich nur verneinen, es ist schon da.

Wir sollten uns daher im Landtag überparteilich grundsätzlich darauf verständigen, was sinnvolle Maßnahmen sind.

1. Welche Kosten werden uns in den nächsten Jahren belasten? Die Armut in Deutschland speziell bei jungen Menschen ( http://www.focus.de/finanzen/news/untersuchung-armut-trifft-zunehmend-junge-menschen_aid_481122.html ) ist seit der Verabschiedung der UN-Millenniumsziele http://de.wikipedia.org/wiki/UN-Millenniumsziele, dass wir die Armut bis 2010 halbieren sollen, in Deutschland um 30% gestiegen. Diese Kinder werden größer, werden vielleicht die Schule nicht schaffen, werden keine besondere Ausbildung erhalten, werden sich nicht gesund ernähren, werden nicht unbedingt Sport treiben, werden eher krank. Eine Studie, die belegt, was wir sparen, wenn wir diese Kinder jetzt an die Hand nehmen, würde ich in Auftrag geben und die daraus resultierenden Fakten zur Handlungspriorität erklären. Wenn wir es durch Vorbeugung schaffen, dass wir diese Hypothek gar nicht erst aufkommen lassen, werden wir viele Schulden gar nicht bekommen.

2. Wir leisten uns ein Entwicklungsministerium, warum leisten wir uns selbst keine Entwicklungshilfe? Wir gehen nach Afrika und sagen den Menschen dort, was sie alles tolles machen könnten. Warum machen wir das nicht bei uns? Haben wir keine Probleme? Wir können unseren Bürgern den Weg weisen, wie sie sich gegenseitig helfen können, ohne Geld auszugeben. Ich denke, dies wäre auch ein weiterer Pluspunkt auf dem Weg zu einem produktiven Wir. Und als Nebeneffekt können wir lernen, wie wir die Versorgung der in 20 Jahren ( http://www.welt.de/wirtschaft/article6858903/Beamten-Pensionen-bringen-griechische-Zustaende.html ) alten Menschen durch die Schaffung einer neuen Säule im Rentensystem sicherstellen können. Und wenn wir als Staat offensiv damit umgehen, frei nach dem Motto, wir können im Moment mal nicht helfen, wir helfen uns selbst, können wir ein Beispiel setzen, denn nur ein starkes Deutschland kann ein starkes Vorbild sein. Wir in NRW machen den Anfang, indem wir den Städten und Kommunen helfen, die aus eigenem Verschulden oder durch widrige Umstände in eine Lage gekommen sind, die vom Bürger zuviel abverlangt. Unser Sozialstaat hat uns über 50 Jahre in dem Glauben gefestigt, wenn man Hilfe braucht, bekommt man sie. Hilfe zur Selbsthilfe war nicht wirklich gewollt, zumindest wurde sie nicht wirklich unterstützt (z.B. viele anonyme Versicherungen, die staatlich verordnete Rentenversicherung war mal ein Generationenvertrag, staatlich verordneter Steuerabzug, Kinder ab 3 Jahren unter staatlicher Erziehung ). Eine trügerische Sicherheit machte sich breit. Nun hat der Geldtopf so viele Löcher, dass auf einmal verlangt wird, jetzt sorg gefälligst für dich selbst, der Staat hat das lange genug gemacht. Das geht nicht. Das kann sich nur entwickeln. Wenn wir mit dem Holzhammer alle guten Dinge plattmachen, werden wir der Gefahr, die hinterm Horizont auf uns wartet, nichts mehr entgegensetzen können. Wir sollten jetzt handeln. Die Menschen in den neuen Bundesländern kennen das Prinzip der Selbstversorgung und gegenseitigen Hilfe noch, wir sollten mit den Menschen zusammenarbeiten. Selbstversorgung setzt gegenseitige Hilfe voraus. Wir können es schaffen, wenn wir sofort damit anfangen. Vielen Dank nochmals für Ihre sehr konkrete Fragestellung.

Ihre Bettina Berens