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Bernhard Schillo
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Frage von Ismail S. •

Frage an Bernhard Schillo von Ismail S. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Schillo,

in ihrer Programmpräsentation habe ich gelesen, dass Sie sich für eine Reform des Patentrechts engagieren. Sie schreiben, dieses diene "heutzutage meist nur dazu, unerwünschte Konkurrenz vom Markt fernzuhalten" - "kaum noch als Innovationsanreiz".
Wenngleich die Bildung von Monopolen (insbesondere im Nachrichten- und Medienbereich, aber auch im Verlagswesen) eine Bedrohung der Meinungsvielfalt und der sozialwissenschaftlichen Pluralitätskultur darstellen, so sehe ich mich als freier Schriftsteller doch selbst dazu genötigt, die bestehenden Publikationswege zu nutzen.

Meine Fragen an Sie wären daher:

1. Welche Position beziehen Sie zur rechtlichen Gewährleistung geistigen Eigentums?

2. Unterscheidet sich Ihre diesbezügliche Position von dem, was in der Piratenpartei hierüber sonst an Meinungen vorherrscht?

3. Was wären Ihre Vorschläge zu einer alternativen Gewährleistung des Urheberrechts?

4. Wie kann der Produzent von sogenannten geistigen Werten gegenüber den Eigentümern und Monoplisten der Vermarktung gestärkt werden?

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Samira,

Ihren Formulierungen entnehme ich, dass Sie sich ein wenig in unsere Internetpräsenz eingelesen haben. Ihre Fragen betreffen genau den Themenbereich, den ich persönlich in der Piratenpartei vertrete, daher würde ich gerne sehr ausführlich antworten, habe aber aktuell wegen dem Wahlkampf wenig Zeit. Daher nur eine (relativ) kurze Antwort:

> 1. Welche Position beziehen Sie zur rechtlichen Gewährleistung geistigen Eigentums?

Zuerst einmal: Der Begriff "geistiges Eigentum" ist erst vor ca. 25 Jahren in unser Gesetz eingezogen. Wir als Piratenpartei lehnen ihn eigentlich ab, da er suggeriert, dass geistige Werte mit materiellen Werten vergleichbar wären. Dazu erzähle ich gerne auf Anfrage noch mehr, aber nun erstmal zu Ihrer Frage: Am besten lesen Sie sich da unser Programm durch, denn so allgemein formuliert kann sich Ihre Frage ja auf Patent-, wie auch auf Urheber- oder Markenrecht beziehen. In Bezug auf Urheberrecht, was Sie als Schriftsteller ja wahrscheinlich am ehesten interessiert, vertreten wir die Position, dass die nicht kommerzielle Vervielfältigung in jedem Fall legal sein sollte. Denn dies ist im "digitalen Zeitalter" nicht aufzuhalten. Man kann heute schon eine komplette Musiksammlung auf dem Mp3-Player mit sich rumtragen und diese auf einen anderen Mp3-Player übertragen. Dazu braucht man gar keine Tauschbörsen. Wenn man das verhindern möchte, dann muss man in die Grundrechte des Bürg ers eingreifen, denn man muss private Datenträger oder private Kommunikation kontrollieren. Und das möchten wir verhindern. Daher muss die Privatkopie frei sein. Aber das betrifft ja nur die digitale und nicht kommerzielle Kopie. Eine CD mit Booklet oder Schallplatte, oder ein Buch, wird sich aber immer noch verkaufen können. Das Internet und Computer allgemein bedeuten ja auch neue Möglichkeiten, einfacher und unabhängiger zu produzieren und sich zu vermarkten.

> 2. Unterscheidet sich Ihre diesbezügliche Position von dem, was in der Piratenpartei hierüber sonst an Meinungen vorherrscht?

Naja, in der Piratenpartei gibt es noch nicht bei allen Fragen einen genauen Konsens, aber da, wo Konsens herrscht, ist dieser fast komplett auch in meinem Sinne. Keinen genauen Konsens gibt es bei der Frage, ob eine sogenannte Kulturflatrate die Freigabe der Privatkopie mitfinanzieren sollte oder nicht, wobei ich den Eindruck habe, dass die Stimmung in der Piratenpartei eher dagegen ist, was auch meiner Position entspricht. Auch bei der Frage, wie mit Laufzeiten für das Urheberrecht verfahren werden sollte, herrscht keine allzu große Einigkeit. Hier unterscheidet sich meine Position vielleicht am meisten von dem Durchschnitt der Piratenpartei, denn ich bin für eine relativ lange Laufzeit im Vergleich, zumindest auf nationaler Ebene. Hier ( http://piratenpartei-hamburg.de/?q=node/24 ) steht mehr zu meiner Position.

> 3. Was wären Ihre Vorschläge zu einer alternativen Gewährleistung des Urheberrechts?

In der Piratenpartei gibt es den Vorschlag, eine alternative Verwertungsgesellschaft zu erschaffen, die nicht auf Zwang beruht, sondern die lediglich Spendengelder sammelt und an die Künstler verteilt. Diese Idee wird GEMA 2.0 genannt. Ich selber finde diese Idee nicht ganz so gut. Wenn es schon nicht die Aufgabe des Staates sein kann, mit steuer-ähnlichen Zahlungsforderungen Geld für Künstler einzutreiben und zu verteilen, dann ist es auch nicht die Aufgabe des Staates, Spenden für Künstler einzuziehen. Dies veranschaulicht nur die momentane Situation, dass es für rein digitale Musik kaum noch andere Möglichkeiten gibt. Immer mehr Künstler, auch bekannte Künstler, geben ganze Alben zum Download frei, wobei man etwas dafür spenden kann, wenn man möchte. Diese Künstler nutzen die Publicity, die die Verbreitung über das Netz bringt anstelle auf überteuerten Preisen für Musikdateien zu bestehen, die nur mit (staatlicher) Gewalt durchgesetzt werden können. Meiner Meinung nach wür de sich die uneingeschränkte Freigabe der Privatkopie nicht negativ auf die Kulturlandschaft auswirken. In der Schweiz beispielsweise wird es nicht bestraft, privat urheberrechtlich geschützte Dateien aus dem Netz zu laden. Dies dient der Verbreitung von Kultur und der Bildung der Bürger. Wenn aber die kommerzielle Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke nach wie vor dem Urheber vorbehalten bleibt, so hat dieser meiner Meinung nach die besten Möglichkeiten, im "digitalen Zeitalter" seine Werke zu vermarkten. Des weiteren ist die Sache zu bedenken, dass Kultur immer aufeinander aufbaut. Werke von Künstlern beziehen sich immer auf andere Werke. Nichts ist wirklich absolut original. Gerade im heutigen Zeitalter besteht ein großer Bedarf, Werke zu remixen und zu sampeln. Dieser Bedarf zeigt sich darin, dass verschiedene Lizenzmodelle wie etwa Creative Commons entstehen, die auf dem Urheberrecht aufbauen, aber eine freiere, alternative Lizensierung ermöglichen. Solche Modelle sollten in die Gesetzgebung und -Handhabung mit einbezogen werden. In Dänemark ist gerade ein Album unter einer Creative Commons Lizenz erschienen, welches gleichzeitig von der dortigen Verwertungsgesellschaft verwaltet wird. Die Gema in Deutschland hat sich bisher geweigert, über die Anerkennung von Creative Commons Lizenzen nachzudenken. Hier gibt es viel zu tun.

> 4. Wie kann der Produzent von sogenannten geistigen Werten gegenüber den Eigentümern und Monoplisten der Vermarktung gestärkt werden?

Indem er nicht gezwungen wird, die Nutzungsrechte zu verkaufen. Dies geschieht aber schon dadurch, dass geistige Werte überhaupt durch staatliche Gesetze handelbar gemacht werden. Man muss bedenken, dass geistige Werte von sich aus nicht handelbar sind. Erst durch den staatlichen "Schutz" dieser Werte werden diese zu einem handelbaren Gut. Sie bedeuten also ein Privileg, welches der Staat an seine Bürger bzw. den Urheber vergibt. Da "geistiges Eigentum" mittlerweile aber international durchgesetzt wird, kann man nicht so einfach auf nationaler Ebene die Verwertungsrechte im Urheberrecht abschaffen, ohne den heimischen Urheber zu benachteiligen. Wenn dies aber weltweit geschehen würde, so wäre es tatsächlich eine Stärkung der Produzenten von solchen Werten, da diese nicht mehr gezwungen wären, ihre Rechte zu verkaufen. Solche Änderungen könnte man also am besten nur international anstreben, wobei wiederum einige Aspekte zu bedenken sind, auf die ich hier aus Zeitmangel nicht n äher eingehen möchte. Allerdings ist dies wohl auch eine Diskussion für "Fortgeschrittene" in der Urheberrechtsthematik.

Auf nationaler Ebene würde ich die Privatkopie uneingeschränkt erlauben, aber die kommerzielle Vervielfältigung dem Urheber vorbehalten und ihm Möglichkeiten einräumen, auf anderen Werken aufzubauen sowie unkompliziert seine Werke veröffentlichen zu können, ohne eine Heerschaar von Anwälten zu beschäftigen, die vor jeder Veröffentlichung erstmal eine komplizierte Klärung von Rechten vornehmen müssen. Heutzutage muss man ja schon fast Jura studiert haben, um Musik zu veröffentlichen, denn es kann immer sein, dass man zufällig eine Melodie verwendet, die es schon mal gegeben hat. Ich habe selber schon erlebt, dass ich (als Freizeit-Musiker) auf ein meiner Meinung nach traditionelles Musikstück aufbauen wollte, aber wegen etlicher rechtlicher Unklarheiten irgendwann aufgegeben habe. Auch hier kann man also sagen: Die Privatkopie sollte frei sein, die Gema und das Urheberrecht müssten reformiert werden, und zwar genau mit dem Ziel, den Urheber gegenüber den Verwertern und "Monoplisten der Vermarktung", wie Sie so schön sagen, zu stärken. Für die Produzenten von anderen geistigen Werten als Musik, also zum Beispiel Schriftsteller, gilt Ähnliches. Allerdings ist die Situation hier nicht ganz so zugespitzt wie im Bereich Musik.

Monopole bzw. Oligopole oder Quasi-Monopole sind das tatsächliche Problem bei dieser Thematik. Denn wie sie ja auch erkannt haben, ist sowohl der Produzent als auch der Konsument von geistigen Werten von Monopolisten abhängig, wenn diese die Vermarktungswege monopolisiert haben, was momentan der Fall zu sein scheint.

mit freundlichen Grüßen
Bernhard Schillo