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Bernd Stäglich
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Frage von Hannelore H. •

Frage an Bernd Stäglich von Hannelore H. bezüglich Familie

Sehr geehrter Herr Stäglich,

ich bin Großmutter von 2 kleinen Jungs und Halterin von 2 Hunden. Meine Frage an Sie, wie kann ich es verbinden, mit meinen Hunden UND mit meinen Enkelkindern einen schönen Spaziergang in Bramfeld zu machen. Das heißt auch, dass meine Enkelkinder gerne dabei den Spielplatz besuchen. Als meine Kinder klein waren, konnte man dieses ohne Probleme miteinander verbinden. Der Hund blieb an der Bank und ich konnte auf die Kinder und den Hund aufpassen. Andere Kinder konnten, wenn sie wollten, Kontakt aufnehmen. Alles war mehr als problemlos. Aber jetzt geht überhaupt nichts mehr in dieser Richtung. Im Gegenteil. Eltern, wie Kinder werden verunsichert und in große Angst versetzt, gerade auch von den Politikern. Es wird auch in keiner Weise gegengesteuert. Wie z.B. Besuch von Therapiehunden in Schulen und Kindergärten, damit KInder wieder ein normales Verhältnis zu Tieren bekommen.

MfG
H.Herrmann

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Herrmann,

über Ihre Frage habe ich mich sehr gefreut, weil sie mich nämlich noch einmal besonders darauf gestoßen hat, dass da etwas und warum da etwas in unserem Lande ganz erheblich nicht stimmt.

Doch zunächst zu Ihrer eigentlichen Frage: Ich bin kein Hundehalter und ich habe von Tierschutz herzlich wenig Ahnung. Doch eines wusste ich damals genau, als es im Jahre 2005 in der Hamburger Bürgerschaft um das verschärfte Hamburger Hundegesetz ging und ich so viele wirklich friedlich aussehende Hunde plötzlich nur noch an der Leine und teilweise auch noch mit Maulkorb herumlaufen sah. Das konnte nicht sein. Das war unmenschlich oder besser gesagt untierisch. In dieser Auffassung habe ich mich bei meiner jetzigen Beschäftigung mit dem Thema nun auch nachträglich bestätigt gesehen: http://www.kritische-tiermedizin.de/2007/AG_Tierschutz/Der_gefaehrliche_Hund.html

Dieser Internetbeitrag bietet eine m.E. gute, sachliche Darstellung der Problematik und ich freue mich, dass dieser Beitrag Arbeitsgrundlage meiner Partei DIE LINKE geworden ist. Das einzige, was mich an den dortigen Ausführungen stört, ist die darin aufrecht erhaltene Auffassung "Anleinpflicht nur auf Kinderspielplätzen, Marktplätzen und an weiteren Orten, wo es sachlich begründet ist". Diese Passage ist wohl irgendwie als Zugeständnis an die Gegenseite gemeint, m.E. aber nichtsdestotrotz verfehlt. Denn hier wird jetzt wieder aufgebaut, was an anderer Stelle des Papiers an den Gesetzesbefürwortern kritisiert wird: "Die Fiktion eines real nicht existierenden Konfliktverhältnisses "Kind vs. Hund" [...] ist nicht nur eine absichtliche Vermeidung von Sachlichkeit (á la "Terrorabwehr ist wichtiger als Datenschutz"), sondern - schlimmer noch - reine Demagogie. Die Intention ist folgende: "Wer gegen das Hundegesetz ist, der ist auch gegen Kinder" - so die Aussage."

Nun hat sich ja beim Hundegesetz seit 2005 einiges verändert. Doch immer noch gibt es "Die ´besonderen´ Anleinpflichten und die Mitnahmeverbote..." und immer noch gelten besondere Regelungen "in Grün- und Erholungsanlagen". Und ich sehe es wie Sie: "Als mein Kind klein war (ich habe einen Sohn), konnte man dieses ohne Probleme miteinander verbinden. Der Hund blieb an der Bank und die Leute passten auf die Kinder und den Hund auf. Andere Kinder (meines z.B.) konnten, wenn sie wollten, Kontakt aufnehmen. Alles war mehr als problemlos".

Natürlich gibt es schwarze Schafe und ich treffe auch immer wieder auf Hundebesitzer, die ihren Hund ganz offensichtlich zur Machtdemonstration mit sich herum führen. Aber muss deswegen so ein Paragraphenwust entstehen? Auch dem Hundegesetz aus 2005 hat ja wohl ein Fall zugrunde gelegen, der in Wirklichkeit ganz anders hätte gelöst werden können - ohne neue Gesetze. Wir haben ein Vollzugsdefizit, kein Gesetzesdefizit! Da liegt der Hase im Pfeffer! Ganz wie bei Roland Koch und "seiner" Jugendkriminalität, der ja auch durch Einsparungen den ordentlichen Vollzug erst verhindert hat und im Wahlkampf plötzlich am lautesten nach neuen Gesetzen schrie.

Doch insgesamt kommen Sie noch auf eine viel größere gesellschaftliche Frage und die geht m.E. weit über das Hundeproblem hinaus: Sie schreiben nämlich: "Eltern wie Kinder werden verunsichert und in große Angst versetzt". Und hier wurde ich nachdenklich: Wird nicht unsere ganze Gesellschaft momentan "verunsichert und in Angst versetzt?" Mit diesem künstlichen Aufbau von Gegensätzen a la "Kind vs Hund"?

Wo ich auch hinschaue: "Radfahrer vs. Autofahrer", "Raucher vs. Nichtraucher", "Terrorabwehr ist wichtiger als Datenschutz", Jugendliche vs. Schwule, Obdachlose und Ausländer, "Muslim = Terrorist". Nichts scheint mehr ein "normales Verhältnis" untereinander und das beängstigt mich.

Und Sie haben Recht: Wir werden "verunsichert und in große Angst versetzt gerade auch von den Politikern". Roland Koch und Wolfgang Schäuble sind da regelrecht Paradebeispiele. Aber z.B. auch die verhängnisvolle Agenda 2010-Politik, die so viele Menschen in Angst und Unsicherheit gestürzt hat. Und ganz allgemein werden wir verunsichert und mutlos gemacht durch diese ständigen Hinweise unserer Politiker und "Experten" auf das "TINA-Syndrom" ("There Is No Alternative - Es gibt keine Alternative"). So als ob Wettbewerb und der Kampf aller gegen aller wirklich unabwendbare Ereignisse und naturgegebene Notwendigkeiten wären.

Dass das in Wirklichkeit nicht unbedingt so ist, dass es auch noch was ganz anderes gibt, zeigen neurobiologische Erkenntnisse und die Hirnforschung. Der Mensch ist mehr und er freut sich auch aufs Miteinander und kann auch anders wirtschaften und arbeiten, wenn man ihn nur lässt und nicht ständig versucht, ihn aus reinen Gewinnmaximierungsinteressen (es geht ja gar nicht mehr um den Gewinn, sondern nur noch um seine Maximierung) in gnadenlose Konkurrenz zueinander zu stürzen. Es darf nicht sein, dass immer nur der Ausgekochteste für seine "Leistungen", die meist auf Kosten der Braven, Ehrlichen und echten "Malocher" gehen, nicht nur in grotesker Weise absahnt, sondern dafür auch noch angehimmelt wird von unseren "Wirtschaftsweisen", "Experten", "Börsianern" und Fernsehkommentatoren.

Etwas ist faul in unserem System. Wir brauchen eine Wertediskussion und einen neuen sozialen Konsens in unserer Gesellschaft. Viele Menschen spüren das. Ich bin deshalb wie so viele andere in der neuen Partei DIE LINKE gelandet. Wir haben die Weisheit sicherlich nicht mit Löffeln gefressen, aber wir bemühen uns wenigstens um neues Denken und andere Ansätze. Und aus meiner Mitarbeit in unserer AG Wirtschaft und Finanzen darf ich Ihnen sagen, wir sind dabei längst nicht so "ohne Fachkompetenz" und "Wolkenkuckucksheimer", wie es uns immer wieder gerne unterstellt wird. Ich würde mich freuen, wenn Sie das unter anderem durch meinen Beitrag hier erkennen und honorieren könnten und mich und meine Partei DIE LINKE vielleicht sogar wählen?

Herzlichst Ihr

Bernd Stäglich