Frage an Bernd Christiansen von Frank J. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Christiansen !
Nun, gesetzt den Fall, die Linke schafft es, Hartz 4 abzuschaffen und jedem Hartz 4 Empfänger EUR 500,--
pro Monat zu zahlen und darüberhinaus erhöhte Miete zuzusichern (ca. 450,-- EUR ?). Hier eine einfache Rechnung :
Ein alleinstehender Sozialhilfeempfänger kriegt von Ihnen EUR 500,-- zzg. 450,-- EUR für die Wohnung, ergibt EUR 950,-- (z.Z. ALG 2 + Miete ca. EUR 635,--) Gesetzt den Fall Sie erreichen auch den staatlichen Mindestlohn von EUR 8,-- +, ich rechne mal mit EUR 8,70 ergibt bei 155 Stunden Arbeit im Monat 1.350,-- EUR brutto. Nach Steuern sind dass 962,66 EUR (Quelle : http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,223811,00.html ). Somit "verdient" der Arbeiter sodann 12,66 EUR/Monat mehr, wenn er 155 h leistet (jetzt EUR 327,66). Das gäbe ein Stundenlohn von 8 Cent (jetzt EUR 2,11). Die Aufwendungen für den Weg zur Arbeit, Arbeitskleidung etc. nicht eingerechnet.
Spinnt man den Faden weiter, würde es sich für derzeitige Arbeiter, welche einen solchen Bruttoverdienst in der Wirtschaft z.Z. erzielen nicht mehr lohnen zu arbeiten. Es wäre kein ökonomischer Anreiz mehr da, tatsächlich zu arbeiten. Die Unternehmen würden dementsprechend, gerade bei gering qualifizierten Arbeitskräften entweder diese Arbeitskräfte verlieren, diese Arbeitskräfte wegrationalisieren, an einen Wirtschaftsstandort umsiedeln, in dem es derartige Probleme nicht gibt und/oder die erhöhten Kosten auf die Produktpreise umschlagen. Bei letzter Variante würde jeder auf dem Papier mehr Geld erhalten, es jedoch für höhere Produktkosten wieder ausgeben müssten. Teilt man die gesamten Haushalte der BRD durch 10, so zahlen 3/10 der einkommenstärksten Haushalte insgesamt 61,9 % aller Steuern und Beiträge Quelle : http://www.mehr-freiheit.de/faq/sozpol.html .
Wen wollen Sie denn besteuern,
wenn diese abwandern um höheren Steuern zu entgehen (Kapitalabwanderung) ? Wie wollen Sie o.g. Vorgänge verhindern?
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter Herr Frank Jahncke,
herzliche Dank für die an mich gerichtete Frage.
Zunächst etwas Grundsätzliches. Das SGB II, also das sogenannte Hartz IV Gesetz bemisst nicht nur einen zu geringen Hilfesatz zu, sondern ist nicht nur m. E. darüber hinaus in einigen Bereichen verfassungswidrig. Daher gilt es für uns dieses wieder abzuschaffen.
Nun zu ihrer Frage der Leistungshöhe. Ich halte weder 425, 455 noch 500 Euro für angemessen. Der Satz in Höhe von 500 Euro wird von der Linkspartei Hamburg nur übergangsweise angestrebt bis das Bundesverfassungsgericht über das SGB II vorläufig abschließend entscheidet. Wie Sie selber in Ihrem Zahlenbeispiel darlegen, entspricht der Leistungssatz des SGB II etwa dem Nettoeinkommen eines heutigen Geringverdieners. Wie die Arbeitslosenstatistik eindrücklich ausweist, ist ein wesentlicher Teil der Langzeitarbeitslosen jenseits der 50 Jahre. Die Zahl der arbeitslosen Akademiker und hoch qualifizierten Arbeitskräfte mit profunden Berufabschlüssen und Erfahrungen, das nur nebenbei bemerkt, nimmt stetig zu. Wie man so schön sagt, Hartz IV beginnt auch in der sogenannten Mittelschicht seine Spuren zu verbreiten. Bei ihrer Darstellung berücksichtigen Sie somit leider nicht, dass nicht alle Erwerbslosen Geringverdiener sind bzw. waren. Der arbeitslos gewordene Elektroingenieur im Alter von 52 Jahren und einer durchgängigen Erwerbsbiografie von mehr als 20-30 Jahren hat, so ist jedenfalls zu unterstellen ein anderes Einkommen erzielt. Mit diesem Einkommen waren auch Versicherungsbeiträge zur Arbeitslosenversicherung in korrespondierender Höhe verbunden. Machen Sie dieser Frau oder Mann einmal klar, dass er nach 12 bis 24 Monaten in die Tiefen des sogenannten Hartz IV -Abgrundes mit derzeit 347 Euro mtl. stürzt. Seine Lebensversicherung auflösen, das drei Jahre alte Mittelklassefahrzeug und sein zu großes Haus verkaufen muss. Oder sie/er kein Anspruch auf die Leistungen des SGB II hat, weil sie/er mit einem Partner zusammen lebt oder verheiratet ist, welche/r ein, wie das von Ihnen beschriebenes Bruttoeinkommen hat.
Die Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III i.d.a.F. berücksichtige nicht nur das bisherige Einkommen ( hierzu ergänzend die Entscheidung des BVerfG unter: Lebensstandardprinzip) sondern ermöglichte auch getrennt lebenden Eltern den Umgang mit ihren Kindern durch erhöhte Leistungssätze. Was ihre These anbelangt, dass alle Millionäre das Land verlassen könnten, so ist dem entgegenzuhalten, dass wenn dieses zuträfe, diese nicht schon alle längst das Land verlassen haben. An einer mangelnden Liquidität wird es nicht liegen, oder? Es muss also eine Reihe von Gründen geben, die dieses Land auch für Millionäre oder gar für Milliardäre interessant und attraktiv machen. Abschließend noch eine Bemerkung. Einige amtierende Politiker verweisen gern einmal auf gesetzliche Regelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dieses möchte ich in diesem Zusammenhang und bezogen auf Ihre Frage auch einmal machen. Wer also einen US amerikanischen Pass vor seinem Herzen trägt, der muss, egal wo es sich in der Welt niedergelassen hat, in den USA seine Steuererklärung machen und die Steuern zuerst dort abführen. Die Gegenleistung der USA ist das durch die amerikanische Verfassung verbriefte Bürgerecht als US Amerikaner. Ergänzende Hinweise zu Hartz IV finden Sie unter meinen vorangegangenen Stellungnahmen.
In der Hoffnung Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben,
verbleibe ich mit freundlichem Grüßen
Bernd Christiansen