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Frage von Kersten M. •

Frage an Bernd Christiansen von Kersten M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Christiansen,

vielen Dank für die ausführluche Beantwortung meiner Frage zu den Hartz IV-Gesetzen, die Sie offenbar wieder abschaffen wollen.

Leider ist mir nicht klar geworden, wie Die Linke dann die Arbeitslosen behandeln wollen. Ist eine Rückkehr zum alten System denn überhaupt noch finanzierbar? Und droht dann nicht noch mehr Arbeitslosigkeit als vorher?

Mit freundlichen Grüßen

Kersten Maaß

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Sehr geehrter Herr Kersten Maaß,

vielen Dank für Ihre ergänzende Frage. Diese muss ich augenscheinlich in zwei Segmente aufteilen um sie zu beantworten. Sodann zu Ihrer ersten Frage.

Ist eine Rückkehr zum alten System denn überhaupt noch finanzierbar? Soweit ich weiß, hat das Bundesverfassungsgericht BVerfG bereits bei vergleichbaren Sachständen darauf hingewiesen, dass die Finanzierbarkeit und der Liquiditätsmangel des Staates nur eine sehr untergeordnete, respektive gar keine Rolle spielt.

Als Beispiel einer derartigen Entscheidung, ohne jetzt lange in meinen Aufzeichnungen und Unterlagen nachschauen zu müssen, möchte ich auf die ergangene Bundesverfassungsgerichtentscheidung aus Oktober 2006 in Sachen Normenkontrollklage der Stadt Berlin gegen den Bund hinweisen. Hier kam das Bundesverfassungsgericht zu der festen Überzeugung, dass die Defizite im Hauchalt Berlins nicht durch zu hohe Ausgaben verursacht wurden, sondern durch zu geringe Einnahmen.

Der sich für mich hieraus ergebene kausale Schluss ist doch, dass dieser Sachverhalt ebenso beim Bund vorliegt. Die rot/grüne Bundesregierung unter der Führung von Gerhard Schröder SPD senkte einerseits massiv den Spitzensteuersatz, dieser wurde durch kluges Interpretieren des komplizierten deutschen Steuerrechts durch hochkarätige Steuerberater und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften eh selten bezahlt, andererseits wurden zusätzlich Steuergeschenke in Milliardenhöhe an die Großkonzerne verteilt. Dem hingegen wurde das Kleingewerbe und der Mittelstand durch die Novellierung der Gewerbesteuer mehr belastet. Heute muss der gewerbetreibende auf seine Laden/Raummiete, also Kosten des Unternehmens, Steuern zahlen. Wie aberwitzig das ist, soll das folgende Beispiel zeigen. Stellen sie sich vor, Sie müssten auf ihre Wohnungsmiete noch Einkommensteuer zahlen.

Ungeachtet dessen war die ehemalige Bundesanstalt für Arbeit BA grundsätzlich in der Lage, ihre Aufwendungen bezüglich der Arbeitslosigkeit zu tragen. Der Bund ist lediglich gesetzlich verpflichtet, also vergleichbar mit den Defiziten der Rentenkassen, die Liquiditätsengpässe in Form von Darlehen an die BA auszugleichen. Erwirtschaftete die Renten- und Arbeitslosenversicherung Überschüsse, so müssen diese die gewährten Darlehen an den Bund zurückzahlen. Seit der Einführung des SGB II und dem so erfolgten Paradigmenwechsel erwirtschaftete die BA Überschüsse in Milliardenhöhe über die Beiträge der Versicherungsnehmer. In 2006 waren die etwa 15 Milliarden Euro. Diese Beitragsüberschüsse, also wohlgemerkt Beiträge der Versicherten, wurden, wie jeder von uns den Medien entnehmen konnte, in den allgemeinen Staatshaushalt abgeführt. Soweit zu Ihrer Frage der Finanzierbarkeit.

Alsdann zum zweiten Teil Ihrer Frage. Droht dann nicht noch mehr Arbeitslosigkeit als vorher?

Nein, ich denke nicht. Wenn man ein gerechtes, einfaches und überschaubares Steuergesetz auf den Weg bringt, welches die geschickte Steuergestaltung nicht mehr zulässt und dem Erfordernis des Artikel 14 Grundgesetz "Eigentum verpflichtet" wieder entspräche, so hätte die Öffentliche Hand wieder ausreichend Steuereinnahmen.

Diese so erzielten Finanzmittel ließen sich beispielsweise für ein antizyklisches oder wirtschaftbelebendes Konjunkturprogramm einsetzen und würden Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft und im Öffentlichen Dienst sichern und schaffen. So ließe sich auch die Forschung, Entwicklung und die Bildung fördern. Da wir nur über marginale Rohstoffe in unserem Lande verfügen, ist Bildung und Ausbildung der einzige Rohstoff, der unsere Zukunft sichern kann. Die negativen Auswirkungen des SGB II lassen sich auch am Inlandsmarkt festmachen. Da die sogenannten Hilfebedürftigen mit dem Alg II in Höhe 347 Euro nicht einmal mehr das für die Existenz notwendige bestreiten können, ist eine Belebung des Binnenmarktes auch hier nicht zu erwarten. Diese Bevölkerungsgruppe fällt daher als ernstzunehmender Nachfrager hinsichtlich des Konsums und Dienstleistung schlicht aus. Insbesondere die Personen, die in einer Partnerschaft leben. Diese erhalten trotz langjähriger Beitragsleistung i.d.R. kein Alg II, weil sie nicht als hilfebedürftig gelten, wenn der Partner mehr als 1.400 Euro brutto verdient. Wenn also die Nachfrage im Einzelhandel mehr und mehr zurückgeht, so ist es nicht verwunderlich, dass auch hier Personal reduziert wird und oder der Unternehmer mit prekären Beschäftigungsverhältnissen auf diese Situation reagiert.

Nur überproportionale Beschäftigungsverhältnisse im prekären Bereich reduzieren die Einnahmen des Staates zusätzlich. Wie jüngste Studien zeigen, verzichtet der Bund durch Mini- und Midijobs so auf Milliarden an Steuern und Abgaben. Ferner bedeuten niedrigere Umsätze letztendlich auch geringere Mehrwertsteuereinnahmen für den Bund. Auch das reduziert den Handlungsspielraum des Bundes. Die gegenwärtige Sozial- und Wirtschaftpolitik weißt also eine Reihe von Ungereimtheiten auf, die der notwendigen Belebung des Binnenmarktes nicht förderlich sind.

Was die Ungereimtheiten im Hamburger Haushalt anbelangt, so möchte ich Sie ergänzend auf die folgenden Beiträge von Joachim Bischoff / Bernhard Müller auf der Website DIE LINKE Hamburg aufmerksam machen. - Hamburgs öffentliche Finanzen: Es geht anders! - Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld? - DIE LINKE. und die öffentlichen Finanzen In der Hoffnung Ihre Frage, wenngleich leider auch hier nur skizziert, hinreichend beantworten zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Christiansen