Frage an Bernd Christiansen von Renate S. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Christiansen,
wie steht Die Linke zur Thematik steigende Jugendgewalt/Gewalt von Jugendlichen mit Migrationshintergrund? Soll es mit der "Kuscheljustiz" und dem übergroßen Verständnis weitergehen oder sollte hier ein härterer Kurs (verbunden mit Präventivmaßnahmen) gefahren werden?
Danke für eine Atnwort
Renate Simonsen
Sehr geehrte Frau Simonsen,
zunächst vielen Dank für Ihre gestellte Frage. Diese Frage lässt sich aber nicht so ganz einfach beantworten, da der zugrundeliegende Sachverhalt sehr diffizil erscheint. Ich möchte Ihre Frage daher zunächst in zwei Teile aufgliedern.
1. Gewalt von Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Die Bundesrepublik Deutschland verfügt seit 1949 über eine bewährte Verfassung und diese ist im Grundgesetz (GG) statuiert. Hier heißt es unter Artikel 3 GG , dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und somit bei der gegebenenfalls stattfindenden, als auch unter Umständen bei einer erforderlichen richterlichen Sanktionsmaßnahme gleich behandelt werden müssen. Der von Ihnen angesprochene Migrationshintergrund spielt daher für mich keine entscheidende Rolle.
2. Jugendgewalt: Was die zunehmende Jugendgewalt, hier denke ich, meinen Sie die Verrohung und zunehmende Brutalität in der Gesellschaft angeht, wird die Beantwortung Ihrer Frage noch schwieriger. Man wird den Richtern, die diese Sachen auf den Schreibtisch bekommen und danach zu entscheiden haben nicht vorwerfen können, dass diese gedankenlos oder gar fahrlässig mit diesen Vorfällen umgehen. Sicher mag es hier und da mal Fehleinschätzungen des Tatbestandes oder des jeweiligen Beklagten geben, aber grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass sich die Justiz und auch die eingeschalteten Jugendbehörden die Beurteilung des vorliegenden Tatsachverhalts nicht leicht machen. Jeder Fall liegt eben anders und muss individuell betrachtet werden.
Ihre Frage zielt für mich im Kern eher auf ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem. Da sind zum einen die gewaltverherrlichenden Filme und Ballerspiele zu nennen. Wie man diesem Problem im Zeitalter des weltumspannenden Internet etc. begegnen soll, kann ich Ihnen auch nicht schlüssig beantworten. Zum zweiten darf man auch nicht außer Acht lasen, dass Teile der heutige Jugend es schwer hat, einen qualifizierten Schulabschluss zu machen und danach eine neigungsorientierte Ausbildung zu finden. Aus diesem Grunde plädiert DIE LINKE auch für die Reformierung des Schulsystems - eine Schule für alle - und für ein kostenfreies Studium. Wer also keine rechte Lebensperspektive hat, also seine Bedürfnisse nicht befriedigen kann und auch noch den "falschen" Umgang pflegt könnte leicht auf die schiefe Bahn kommen. Ich will die in der Presse publizierten Gewalttaten, wie auch bspw. die jüngst stattgefundenen in Niendorf, der Jugendlichen nicht beschönigen oder gar verteidigen, sie sind und bleiben widerwärtig! Aber all diese Fragen, neben der Drogen- und Alkoholproblematik, dem u.U. gewalttätigen Elternhaus, der mangelnden Integration, der möglichen Resozialisierung des Täters etc. haben Richter, Staatsanwälte und Jugendbehörden in ihr abschließendes Kalkül mit einzubeziehen. Exkurs: Was den übermäßigen Alkoholkonsum von Jugendlichen, also erkennbare Trunkenheit in der Öffentlichkeit anbelangt, hier empfehle ich einen Blick in die von einigen Politikern viel gepriesenen USA. Auf meinen vielen Reisen durch die USA habe ich in den 27 von mir bereisten Bundesstaaten keinen einzigen Betrunkenen gesehen. Übermäßiger Alkoholkonsum der jugendlichen stehen aber nicht selten im Mittelpunkt von gewalttätigen Auseinandersetzungen. Anstelle dessen regeln wir gesetzlich das Rauchverbot in Gaststätten. Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass m.E. eine Gesetzesänderung in Analogie, wie sie bspw. Herr Roland Koch amtierender Ministerpräsident in Hessen vorschlägt keinen weiteren Nährwert bringen würde. Das Höchststrafmaß im Jugendrecht beträgt bekanntlich zehn Jahre Freiheitsentzug. Für mich ist kaum vorstellbar, dass ein zudem u.U. angetrunkener Jugendlicher sich bei einer körperlichen Auseinandersetzung darüber Gedanken macht, ob es nun drei, fünf, zehn oder gar fünfzehn Jahre Freiheitsentzug bedeutet, wenn er nochmals auf sein Opfer einschlägt.
Nur muss sicher sein und dieses liegt im Ermessen der für das nachfolgende Strafmass Verantwortlichen, dass diesem Jugendlichen eindeutig und unmissverständlich klar gemacht wird, das Gewalt kein Mittel zur Konfliktlösung darstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Christiansen