Seit über 10 Jahren kommt die Aufklärung der Missbrauchsfälle der Kirchen nicht voran. Denken Sie, dass die Politik stärker eingreifen sollte?
Hallo Herr Wiesmann,
auch wir betrachten den Umgang mit den Missbrauchsfällen mit Sorge. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 werden mehr als 5% der katholischen Priester beschuldigt, Minderjährige missbraucht zu haben. 40% davon waren Serientäter. Strafanzeige wurde nur gegen ein Drittel davon gestellt - und zwar meist von den Betroffenen, nicht von Kirchenvertretern. Zwei Drittel der Täter mussten nicht einmal innerkirchliche Strafen befürchten.
Es ist enttäuschend, dass nach einem solchen Skandal noch immer kein einziger Kirchenvertreter – außer mit Lippenbekenntnissen – Verantwortung übernimmt. Und das in einer Institution, die sich so gern als moralische Instanz aufführt. Es ist erschreckend, dass diese Paralleljustiz überhaupt möglich ist.
Wir fordern das Ende dieser Paralleljustiz, die eine effektive Aufklärung verhindert. Es darf keine derartigen Sonderrechte für Kirchen geben – weder vor der Justiz noch anderswo. Und es braucht öffentliche Kontrolle dieser verantwortungslos agierenden Institution. Wir fordern daher eine konsequente Aufklärung der Missbrauchsfälle in beiden Kirchen durch unabhängige staatliche Stellen.
Grüße
Barend Wolf