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Frage von Alfred B. •

Frage an Barbara Steffens von Alfred B. bezüglich Gesundheit

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auch ich gehöre zu den mittlerweile 169 wartenden zum Thema "Homöopathie", die Sie ja so toll finden - auch wenn bis heute nicht eine Studie mehr als einen Placebo-Effekt gezeigt haben. Die Krone ist aber ein neuer Artikel, der von Medizin-Studenten eine Prüfung in Chinesischer Medizin fordert - eine Frechheit sondergleichen. Können Sie mir bitte erklären, auf welcher Basis das begründet wird?
http://scienceblogs.de/bloodnacid/2013/02/08/esoterikzwang-an-der-bonner-universitat/#comment-7912

Wenn ich daran denke, das ich womöglich einem dieser "Ärzte" in die Hände falle und der meine Blinddarm-Entzündung per Akupunktur und ChingChang heilen will...Nennen Sie DAS Wissenschaft????

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Über dieses Portal erhalte ich so viele Anfragen zu meiner Einstellung zur Homöopathie, dass ich nicht in der Lage bin, sie alle individuell zu beantworten. Dafür bitte ich um Verständnis. Ich hoffe aber, mit meinem folgenden ausführlichen Statement viele Fragen beantworten und nachvollziehbar darlegen zu können, weshalb ich für ein verstärktes, ideologiefreies Miteinander unter Vertreterinnen und Vertretern unterschiedlicher Heilmethoden werbe.

Erstes Ziel aller Akteurinnen und Akteure im Gesundheitswesen muss die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten sein. Wenn darüber Einigkeit besteht, sollte es möglich sein, frei von ideologischen Debatten um Methoden offen über beste Wege zu diskutieren. Vielfalt in der Herangehensweise und im Zugang zu Patientinnen und Patienten kann nur hilfreich sein.

Ein "Entweder-oder" in Bezug auf konventionelle, integrative oder komplementäre Verfahren muss überwunden werden zugunsten eines "Sowohl-als-auch". Selbstverständlich muss dabei klar sein: Überzogene oder gar falsche Heilsversprechen durch alternative Therapien darf es ebenso wenig geben wie nicht notwendige Operationen. Es muss unser Ziel sein, Patientinnen und Patienten vor unnützen oder sogar schädlichen Therapien und Verfahren zu schützen und darüber aufzuklären - unabhängig davon, ob es sich um konventionelle oder komplementäre Verfahren handelt.

Die Behandlung von Patientinnen und Patienten erfordert immer die ganzheitliche Betrachtung der Person. Darauf sollten sich alle Beteiligten im Gesundheitssystem stärker fokussieren: Wenn Ursachen für Erkrankungen wieder mehr in den Blick rücken und die Symptombehebung nur als Teil eines Gesamtprozesses gesehen wird, wenn statt einzelner medizinischer Leistungen der Mensch in seinem Gesamtzustand zum Maß einer erfolgreichen Therapie wird, dann kann Medizin effizienter und im Ergebnis besser werden.

In diesem Sinne sind die Behandlungsansätze vieler Ärztinnen und Ärzte auch längst eine Kombination aus Schul- und Alternativmedizin. Und das ist im Hinblick auf eine bestmögliche Versorgung auch der richtige Weg: Die Versorgung "aus einer Hand" oder durch ein eng zusammenarbeitendes Team. Aber Schulmedizin und alternative Methoden können auch negative Auswirkungen aufeinander haben, wenn sie nicht abgestimmt sind. Diese Gefahren können ebenfalls durch ein "Miteinander statt Gegeneinander" minimiert werden.

Natürlich müssen die Wirkungen und eventuellen Nebenwirkungen alternativer Verfahren ebenso erforscht und beachtet werden wie die Auswirkungen konventioneller Therapien. Und: Eine komplementäre Therapie darf nicht dazu führen, dass Erkrankte notwendige schulmedizinische Therapien nicht bekommen, ablehnen oder abbrechen und dadurch bleibenden Schäden oder im schlimmsten Fall lebensbedrohende Situationen eintreten. Wie alle Therapien müssen auch komplementäre Verfahren sinnvoll und verantwortungsbewusst eingesetzt werden. So können sie etwa in der Krebstherapie dazu beitragen, die Lebensqualität der Erkrankten zu verbessern und eine belastende Chemo- oder Strahlentherapie besser durchzustehen.

Grundsätzlich brauchen wir in der onkologischen Behandlung die Schulmedizin mit allen ihren Facetten, müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass auch in diesem Bereich nur ein geringer Teil der Verfahren streng evidenzbasiert ist. Eine Studie hat etwa gezeigt, dass die in den amerikanischen Leitlinien zur Krebstherapie empfohlenen Behandlungsmethoden lediglich zu sechs Prozent durch hochwertige Studien und damit hoher Evidenz abgesichert sind. Auch die Leitlinien zur Behandlung kardiologischer Erkrankungen, herausgegeben vom American College of Cardiology und der American Heart Association, stützen sich lediglich zu elf Prozent auf solchen Studien.

In der Bevölkerung gibt es wegen ihrer speziellen, ganzheitlichen und den Menschen zugewandten Herangehensweise eine breite Akzeptanz für die Homöopathie. 57 Prozent der Bundesbürger haben laut einer Allensbach-Umfrage im Jahr 2009 selbst schon mindestens einmal bewusst homöopathische Mittel genommen. Teile des Gesundheitssystems verschließen sich aber nach wie vor Ansätzen von Komplementärmedizin beziehungsweise integrierter oder integrativer Medizin. Als Ministerin versuche ich, immer wieder solche konstruierten, weil so nicht existierenden Gegensätze auf allen Ebenen auszuräumen. Nach einer großen Versorgungsstudie (Beobachtungsstudie der Universitätsklinik Charité in Berlin über acht Jahre mit rund 4000 Patientinnen und Patienten in Praxen von rund 100 klassisch homöopathisch arbeitenden Ärztinnen und Ärzten; häufigste Behandlungsanlässe waren langjährige chronische Krankheiten, bei Frauen Kopfschmerzen und Migräne, bei Männern allergischer Schnupfen und Bluthochdruck, bei Kindern Neurodermitis und Infektanfälligkeit) gelingt allein durch homöopathische Therapie eine Reduktion der klinischen Symptome im Durchschnitt um etwa die Hälfte. Weitere Studien belegen, dass die Patientinnen und Patienten sich nicht nur kurzfristig besser fühlen, sondern dass die positiven Effekte nachhaltig sind. Angesichts dieser Ergebnisse sind weiterführende Überlegungen zulässig. Zum Beispiel welche positiven Aspekte der homöopathischen Therapie zu einer besseren Behandlung auf Basis der konventionellen Medizin möglich sind.

Die Forderung nach soliden wissenschaftlichen Konzepten zur Beurteilung von Therapien fußt in den Grundzügen auf der evidenzbasierten Medizin. Und dennoch liefert auch die evidenzbasierte Medizin nicht immer Ergebnisse, denen alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler uneingeschränkt zustimmen, wie die Diskussion um Statine vor einigen Jahren beispielhaft gezeigt hat. Auch die konventionelle Medizin bietet jedoch viele Verfahren an, deren Wirkung nicht oder noch nicht evidenzbasiert nachgewiesen ist. Im Sinne einer patientenorientierten Versorgung werden daher auch Therapien, für die es lediglich nachvollziehbare Hinweise auf positive Wirkungen gibt, angewendet. Ferner besteht die Möglichkeit, Therapieansätze differenziert auch mit anderen wissenschaftlichen Methoden zu betrachten. Dies gilt sowohl für die Schulmedizin als auch die Komplementärmedizin.

Der einfache Satz „Wer heilt, hat recht“, macht zum einen deutlich, dass nicht alles, was im menschlichen Körper geschieht, wissenschaftlich zu erklären ist. Zum anderen birgt er natürlich auch die Gefahr, dass Handauflegern das Wort geredet wird. Bei differenzierter Betrachtsweise bin ich jedoch der Ansicht, dass beispielsweise innerhalb des Medizinstudiums auch Raum vorhanden sein sollte, sich neben den Inhalten der Schulmedizin mit alternativen Therapieformen auseinanderzusetzen. Dadurch können Medizinstudentinnen und -studenten auch diese Tätigkeitsfelder bei der Ausrichtung ihres weiteren beruflichen Werdegangs angemessen prüfen