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Bärbel Bas
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Frage von Freimut K. •

Frage an Bärbel Bas von Freimut K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrte Frau Bas,

ich wende mich an Sie, weil Sie relativ jung und möglicherweise noch nicht betriebsblind sind.

1. Glauben Sie, dass 67-jährige Politiker wie Clement oder Müntefering den Arbeitsmarkt von heute realistisch einschätzen können? Kurt Beck sagte einmal: „Wenn Sie sich waschen und rasieren, dann haben Sie in drei Wochen einen Job!“ - halten Sie das für realistisch?

2. Glauben Sie, dass man mit Sanktionen motivierte Bewerbungen erzwingen kann?

3. Was halten Sie vom bedingungslosen Grundeinkommen?

Mit freundlichen Grüßen
Freimut Kahrs

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Kahrs,

lassen Sie es mich so sagen: Ich denke, dass ich als 41-Jährige mit 24 Berufsjahren und engen Verbindungen zu den Gewerkschaften den Arbeitsmarkt durchaus realistisch einschätzen kann. Deswegen möchte ich mich im Deutschen Bundestag für Mindestlöhne, starke Mitbestimmung und einen Sozialstaat einsetzen, der allen Menschen ihr unveräußerliches Grundrecht im Alltag garantiert: Ihre Würde. Das heißt für mich auch, dass wir in der Arbeitsmarktpolitik wieder mehr Fördern als nur Fordern müssen.

Zur Frage, ob Sanktionen motivierenden Charakter haben, kann man sicher unterschiedlicher Auffassung sein. Ich finde es jedoch richtig, dass angesichts der gegenwärtigen Zustände in den JobCentern der Vollzug von Sanktionen ausgesetzt werden muss. Wenn es nämlich richtig ist, dass ca. 50% der ausgestellten Bescheide falsch sind, kann man davon ausgehen, dass auch 50 % der ausgesprochenen Sanktionen falsch sind.

Zu Ihrem dritten Punkt möchte ich mich etwas ausführlicher äußern, weil auch ich die Faszination des Bedingungslosen Grundeinkommens sehr gut verstehen kann. Das Konzept klingt wie aus einem Märchen: Der Staat zahlt jedem Bürger ein monatliches Grundgehalt von soundso viel Euro ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Gegenleistung. Alle Sozialleistungen werden im Gegenzug gestrichen. Bürokratie würde abgebaut. Für Unternehmen würden die Arbeitskräfte günstiger, die Wirtschaft floriert und die Arbeitslosigkeit würde sinken. Weil jeder die Leistung erhielte, wären Arbeitslose nicht länger stigmatisiert. Kurz: Die Defizite unseres Sozialstaats wären auf einen Schlag beseitigt. Was so fantastisch klingt, ist es letztendlich auch: Ein fantasievolles Gedankenspiel, was aber nichts mit unserer Realität zu tun hat.

Zuerst einmal muss ich Ihnen sagen, dass unsere deutsche, europäische und globale Wirklichkeit derart komplex, vielschichtig und interdependent ist, dass man mit solchen "einfachen besten Lösungen" zwar in gewissen Gesprächsrunden Eindruck schinden kann. Mit realitätsnaher, praktischer und finanzierbarer Politik hat es jedoch wenig zu tun.

Die Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit eines Systems des bedingungslosen Grundeinkommens ist höchst fraglich. Tendenziell würden die Bürger ihre Arbeit zugunsten von mehr Freizeit reduzieren. Dadurch würde die Produktivität unserer Wirtschaft sinken, was wiederum geringere Erlöse und steigende Preise zur Folge hätte. Ein Teufelskreis, weil das Grundeinkommen daraufhin erhöht werden müsste. Selbst für das Grundeinkommen gilt aber: Man kann nur das Geld verteilen, welches man zunächst erwirtschaftet hat. Eine Gegenfinanzierung über eine höhere Mehrwertssteuer (auf Grund- und/oder Luxuskonsumgüter) würde nur zu einer Massen- (Einkaufs-) Flucht über die deutschen Grenzen führen.

Das Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens ist aber auch unsozial: Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wird versucht, Kernprinzipien des Sozialstaates auszuhebeln. Während bisher Sozialleistungen überwiegend zielgenau auf die tatsächlich Bedürftigen zugeschnitten wurden, würden nach diesem Modell auch diejenigen Bürger zu Transferempfängern, die das Geld überhaupt nicht benötigen. Gleichzeitig entfiele mit der progressiven Einkommensteuer ein zentrales Umverteilungsinstrument. Diese Logik widerspricht zu Recht dem Gerechtigkeitsempfinden der meisten Menschen in Deutschland. Das hat nicht zuletzt der Bundestagswahlkampf 2005 gezeigt, als Professor Paul Kirchhof mit seiner Flat Tax scheiterte. Hinzu kommt, dass die meisten Bedürftigen nach den momentan kursierenden Grundeinkommens-Modellen (z.B. auch das von Dieter Althaus) weniger Geld in der Tasche hätten als heute.

Aus meiner Sicht werden die Modelle des bedingungslosen Grundeinkommens auch nicht der Komplexität von Armut gerecht. Das bedingungslose Grundeinkommen wird Probleme wie fehlende Chancen auf aktiver Teilhabe an der Gesellschaft und in der Arbeitswelt, mangelnde Bildung und "Vererbung" sozialer Benachteiligung nicht lösen sonder eher vergrößern! Ein sozialer Staat ermutigt, aktiviert und befähigt deshalb seine Bürger zu Partizipation, Leistung, Kreativität. Er investiert in die Menschen, anstatt sie zu
alimentieren. Nur der vorsorgende Sozialstaat, der Familien-, Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Integrationspolitik intelligent miteinander vernetzt, kann im 21. Jahrhundert soziale Gerechtigkeit herstellen. Die Verfechter des Grundeinkommens hingegen wollen die Säulen der Sozialversicherung (Rente, Arbeitslosigkeit, Pflege, Unfall) einfach niederreißen, die Fürsorgesysteme und Maßnahmen zur Arbeitsförderung einstellen. Berufliche Weiterbildung, Ausbildung Benachteiligter, beschäftigungsbegleitende Leistungen - alle staatlichen Hilfen, mit denen die Menschen auf eigene Füße kommen sollen, würden abgeschafft.

Zudem wird aus meiner Sicht der psychologische Aspekt übersehen. Wissenschaftliche Studien habe gezeigt, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen den Mensch eben nicht zu einem zufriedenen, arbeitseifrigen und seine Freizeit sinnvoll nutzenden homo illuminatus werden lässt. Vielmehr führt es Unzufriedenheit, Antriebslosigkeit, Unwirtschaftlichkeit und eher chaotischen Verhältnissen. Wer würde sich denn in einer Welt des bedingungslosen Grundeinkommens um 3 Uhr morgens aus dem Bett quälen um einer ehrlichen Arbeit wie Brötchen backen, den Müll abholen oder Zeitungen
ausliefern nachzugehen?

Statt der Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen sollten wir vielmehr über eine gute und nachhaltige Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik reden. Hier muss Deutschland jetzt wichtige Weichen stellen - in meinem Wahlkreis Duisburg Mitte/Rheinhausen/Süd genauso wie in Osterholz-Scharmbeck. Jeder Mensch muss eine Chance auf einen Platz in unserer Gesellschaft und Arbeitswelt bekommen, so dass er nach seiner Fasson glücklich werden kann. Dafür möchte ich mich in Berlin einsetzen und ohne den nötigen Realismus werden wir die Probleme nicht gestemmt kriegen.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Bärbel Bas

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