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Aydan Özoğuz
SPD
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Frage von Birgit D. •

Frage an Aydan Özoğuz von Birgit D. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung

Sehr geehrte Frau Özoguz,

mit Fassungslosigkeit habe ich gerade gelesen, dass Sie auch für die Verlängerung der betäubungslosen Ferkelkastration gestimmt haben. Das ist ein Skandal. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass auch die SPD eine Tierquäler-Partei ist. Das ging schon mit dem Koalitionsvertrag los, indem sich die SPD gemeinsam mit CDU/CSU darauf geeinigt hat, Tierschützer, die in Ställe „einbrechen“ (um Missstände aufzudecken!), härter bestrafen zu wollen. Im September hat die SPD zusammen mit CDU/CSU zwei verschiedene Anträge von FDP und Grünen zu Verschärfungen bei Tiertransporten abgelehnt. Und nun diese unselige Fristverlängerung!

Genau dieses "Weiter-So-für-die-Wirtschaft-koste-es-was-es-wolle" ist der Grund dafür, dass der SPD die Wähler in Scharen weglaufen.

Bitte erläutern Sie mir Ihre ganz persönlichen Beweggründe, warum Sie dafür gestimmt haben, dieses qualvolle Prozedere beibehalten zu wollen.

Und kommen Sie mir nicht mit einer vorformulierten Textwüste von Ihrem SPD-Kollegen Rainer Spiering. Und auch nicht mit dem Totschlagargument Arbeitsplätze (ich weiß, eine makabre Wortwahl in Zusammenhang mit dem sensiblen Thema Tierschutz). Wenn Geschäftsgrundlagen ethisch nicht vertretbar sind und zu gesundheitlichen Gefahren von Mensch, Tier und Umwelt führen, dürfen Arbeitsplätze kein Argument mehr sein.

Mich interessiert wirklich, ob Sie als Politikerin noch Empathiefähigkeit für andere Lebewesen haben, und wie Sie persönlich zum Thema Tierschutz stehen.

Mit freundlichen Grüßen,
B. D.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau D.,

ich kann mir vorstellen, dass die Abstimmung zum Thema Ferkelkastration tatsächlich sehr vielen Menschen nahe gegangen ist, wie auch mir. Ich habe in den letzten Jahren immer wieder Tiere aus dem Tierheim geholt und mich mein Leben lang für den Tierschutz eingesetzt. Viele, die mich kennen, wissen das auch. Gerne möchte ich Ihnen daher die Beweggründe für meine Entscheidung darlegen:

Wir standen vor der Situation, dass die bisherigen Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft in den letzten fünf Jahren versäumt hatten, die Voraussetzungen für die im Tierschutzgesetz 2013 vorgegebene schmerzfreie Ferkelkastration zu schaffen. Der Bundestag musste handeln.
Schnell wurde deutlich, dass man nicht unmittelbar eine Alternative findet, die die gegenwärtige Praxis flächendeckend in Deutschland ablösen könnte. Längst hätten diese Alternativen geschaffen sein müssen. War aber nicht geschehen. Wäre es jetzt nicht zu einer Fristverlängerung gekommen, wären in Deutschland massive Strukturbrüche bei den deutschen Sauenhalterinnen und Sauenhaltern zu befürchten gewesen. Die Folge wäre gewesen, dass wir es zu verantworten hätten, dass mehrere Millionen Ferkel über mehr als tausend Kilometer aus Ost- und Nordeuropa importiert werden würden. Diese würden auch auf Dauer nicht nach deutschen Tierschutzstandards kastriert werden und noch dazu weite Transportwege zurücklegen. Das ist aufgrund des europäischen Binnenmarktes zulässig und wäre unter Tierschutzaspekten ebenfalls mehr als bedenklich.

Nur wenn die Ferkelerzeugung in Deutschland bleibt, kann souverän über Tierschutzstandards entschieden werden. Vor diesem Hintergrund haben sich nahezu alle Sachverständigen in der Anhörung des Landwirtschaftsausschusses am 26. November 2018 für die Fristverlängerung ausgesprochen. Der von der Fraktion Die Linke benannte Sachverständige Dr. Palzer vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) schreibt in seiner Stellungnahme: „Aus all diesen Gründen hält der bpt eine Verschiebung des Termins schon seit längerem für unabdingbar.“ Das war auch für mich eine sehr gewichtige Stimme.
Wir haben nun im Gesetz Sicherungen eingebaut, die garantieren, dass nach zwei Jahren nun wirklich die Alternativen flächendeckend zur Verfügung stehen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird verpflichtet, die bisherige Verweigerungshaltung aufzugeben und unter anderem im Rahmen einer Rechtsverordnung die Voraussetzungen für die Alternativmethoden flächendeckend zu schaffen – so z.B. durch die Entwicklung und Bereitstellung von Schulungsprogrammen, durch die Unterstützung der Betriebe bei der Anschaffung von notwendigen Narkosegeräten und durch entsprechende Aufklärungskampagnen.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), eine Organisation, die vor allem kleinere bäuerliche Betriebe vertritt und die jedes Jahr in Berlin mit vielen anderen Organisationen zu einem Paradigmenwechsel in der Agrarwirtschaft aufruft, meint zum Gesetz: „Jetzt gilt es, die für Betriebe möglichen Alternativen rechtlich so schnell wie möglich abzusichern, die entsprechenden Arzneimittel und Narkosegeräte in der Fläche verfügbar zu machen und die Praktikerinnen und Praktiker im tier- und sachgerechten Umgang zu schulen … Der Gesetzentwurf legt nun fest, dass das Bundesministerium endlich zu handeln hat. Das ist ein riesiger Fortschritt“

Die nun vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung sorgt dafür, dass die nächsten zwei Jahre nicht erneut ungenutzt verstreichen können. Ein klar gesteckter Zeitplan mit einem entsprechenden Maßnahmenpaket schafft die Voraussetzungen dafür, dass Landwirt*innen bei der Anwendung von Isofluran entsprechend geschult sind. Zudem begleiten Informationskampagnen die Einführung der Ebermast und Immunokastration am Markt. So können die derzeit vorliegenden Alternativen eine realistische Chance am Markt bekommen und die Ferkelaufzucht in Deutschland kann auf Dauer dem Tierschutzgesetz gerecht werden.

Die Diskussion um die Versäumnisse des Bundeslandwirtschaftsministeriums im Zusammenhang mit der Ferkelkastration haben wir zudem dazu genutzt, generell einen Paradigmenwechsel in der Nutztierhaltung einzufordern und klare Verabredungen unter den Koalitionsfraktionen zu treffen. So fordern wir das zuständige Ministerium darüber hinaus dazu auf, die Nutztierstrategie weiterzuentwickeln und dabei Lösungen für nicht-kurative Eingriffe, wie das Kürzen von Ringelschwänzen und das Enthornen von Rindern, vorzulegen und das Töten von Eintagsküken so schnell wie möglich zu beenden.

Ich hoffe, ein wenig aufklären zu können, dass wir uns solche Entscheidungen nie leicht machen. Wir sind auch als Abgeordnete sauer, wenn unsere Ministerien – wegen eigener Untätigkeit – uns zu solchen schwierigen Entscheidungen zwingen. Ich hoffe, dass wir nun alle Wege genutzt haben, die Tiere in Zukunft zu schützen und uns nicht wegzuducken nach dem Motto: Wenn es nicht hier geschieht, dann stört das auch keinen. Das wäre für mich keine Lösung gewesen.

Mit freundlichen Grüßen

Aydan Özoguz, MdB

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