Ates Gürpinar
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DIE LINKE
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Frage von Andreas K. •

Warum anerkennen Sie nicht die wichtige demokratische Rolle, welche Großbritannien während zweier Weltkriege, aber auch in Zeiten des kalten Krieges je mit Monarch/in eingenommen hat?

Sehr geehrter Herr Gürpinar,
vor dem Auftritt des britischen Monarchen im Bundestag haben Sie moniert: "Einen König im Bundestag sprechen zu lassen, halte ich für absurd. Erinnern wir uns: Monarchien sind im Grunde Diktaturen mit mehr historischem Lametta". Die Rede im Bundestag haben Sie als hochgradig geschichtsvergessen und mit der Würde des Parlaments unvereinbar kritisiert. Dies ist im zugrunde liegenden Fall allerdings unzutreffend. Der König hat in Großbritannien lediglich repräsentative Befugnisse, das Vereinigte Königreich wird gemäß dem von der - britischen - Zeitschrift "The Economist" entwickelten Demokratieindex als "Vollständige Demokratie" eingestuft. Das Mutterland der Demokratie - und zugegebenermaßen des Kapitalismus - als Diktatur zu bezeichnen ist m. E. reichlich absurd.
Erinnern wir uns: die DDR war eine Diktatur ganz ohne König, aber dafür mit einer für diese Einordnung ausschlaggebenden menschenverachtenden Exekutive.
Mit freundlichen Grüßen

Ates Gürpinar
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr K.,

niemals vergesse ich, welch wichtige Rolle England insbesondere in der Befreiung unseres Landes eingenommen hat. Dank Ihnen noch einmal für den Hinweis, denn die Befreiung durch die Allierten darf nicht vergessen werden. Darum geht es mir jedoch nicht, Ihnen wahrscheinlich auch nicht: Denn weder Sie noch ich würden gegenwärtig alle Staatsoberhäupter im Parlament reden lassen, die uns befreit haben. Mein Punkt ist ein anderer. Das demokratische Prinzip ist für mich fundamental: Und das galt bislang auch für das Parlament.

Um nicht falsch verstanden zu werden: England ist selbstverständlch als solche keine Diktatur. Eine wirkliche Monarchie ist dem jedoch sehr nah. Der Begriff der konstitutionellen Monarchie führt schlicht in die Irre: Schon die Übersetzung aus dem Griechischen ist ziemlich eindeutig - nahezu identisch mit dem Begriff der Diktatur aus dem Lateinischen. Ganz wohlwollend könnten wir zur staatsrechtlichen Einordnung Aristoteles heranziehen, der wahrscheinlich die heutige Verwendung des Begriffs der Diktatur eher mit dem Griechischen Tyrannis verknüpfen würde, die Monarchie ordnete er aber auch bei der Herrschaft des Einzelnen ein. 

Wie dem auch sei: Freilich sind Großbritannien und andere Länder, die aus unterschiedlichen Gründen noch Relikte aus der Monarchie erhalten, keine Diktaturen. Eine solche Bezeichnung wäre verfehlt: Schließlich wurde die Monarchie in den meisten Ländern gegen den Willen der davor Herrschenden so weit zurückgedrängt, dass nur noch die Repräsentation des Landes im Vordergrund stand und weitgehend steht. Dennoch und deswegen bleibt, dass der monarchistische Teil, der noch besteht, selbstverständlich nicht demokratisch in dem Sinne ist. Spannenderweise wird Kritik an diesem auch mit staatlichen Mitteln - und reichlich undemokratisch - niedergebügelt: https://www.tagesschau.de/ausland/koenigin-queen-monarchie-berichterstattung-proteste-101.html 

Bislang redete kein Monarch in dem demokratisch gewählten Hause. Daher bleibe ich also dabei: Die Repräsentanten - nicht demokratisch gewählt - haben viele Möglichkeiten zu sprechen: Warum sie auch noch als Novum im demokratisch gewählten Parlament frei sprechen sollen, wir auf deren Etikette zu achten haben, was noch nicht einmal in deren Parlamenten so passiert, das entzieht sich sowohl meiner Kenntnis wie auch meinem Einverständnis.

Herzlich,

Ates Gürpinar

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