Frage an Arfst Wagner von Alexander K. bezüglich Finanzen
Hallo Arfst,
zuerst freue ich mich das mit dir ein Humorvoller und lustiger Geist in die Fraktion gezogen ist. Schade eigentlich dass Du nicht in unserem Grünen KV Leipzig bist. Aber nun zu meiner Frage:
Du hast dem ESM zugestimmt, warum? Der ESM genießt vollkommene Immunität und Klagerecht und kann Geld jeglicher Eurostaaten in unbegrenzten Maße abrufen welches binnen 7 Tage geliefert werden muss. Es gibt kein Austrittsrecht aus dem ESM. Meine Frage ist warum Du diesem, entschuldige bitte meine Wortwahl, Mist zugestimmt hast? In einem gewissen Sinne muss es ja für unsere Grüne Fraktion Sinn ergeben haben und es würde mich freuen, wenn du mit einer eventuell anderen Sicht auf den ESM mir erklären kannst wieso Du diesem zugestimmt hast?
Liebe Grüße aus Leipzig,
Alexander
Lieber Alexander,
Die Ereignisse in der Eurozone stellen uns alle vor enorme Herausforderungen. Die momentane Situation verdeutlicht, wie sehr die Volkswirtschaften Europas miteinander verflochten sind. Deutschland hat von der Europäischen Union (EU) bislang stark profitiert. Wir wollen, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird und engagieren uns deshalb für eine solide, realistische und nachhaltige Lösung zur Überwindung der Eurokrise.
Mit dem ESM wurde der Weg, der durch den EFSF-Vertrag beschritten wurde, fortgesetzt. Die Frage war, ob diese bereits getroffene Entscheidung in den Monaten überhaupt eine Wirkung entfalten wird. Dazu hielt ich die Erweiterung (ESM) für notwendig. Ansonsten wäre das gesamte bisher investierte Geld praktisch ohne Wirkung verpufft.
Mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) haben die Euro-Mitgliedsstaaten eine dauerhafte Finanzinstitution geschaffen, der alle Euro-Staaten angehören werden. Aufgabe des Rettungsschirms ist es, am Markt Geld aufzunehmen und Stabilitätshilfen zu günstigeren Konditionen an Euro-Staaten mit gravierenden Finanzierungsproblemen weiterzugeben. Hilfen werden laut Vertrag nur gewährleistet, wenn diese „zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebietes insgesamt und seiner Mitgliedsstaaten unabdingbar“ sind.
Die Hilfe ist mit Auflagen für das jeweilige Land verbunden. Diese Auflagen werden im sogenannten Memorandum of Understanding (MoU), einer politischen Absichtserklärung, festgehalten und die Umsetzung vierteljährlich durch die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) überprüft. Vom Ergebnis dieser Überprüfungen hängt ab, ob das betroffene Land die nächste Teilzahlung erhält. Selbst wenn der Bundestag und andere Parlamente Hilfen grundsätzlich zugestimmt haben, können diese eingestellt werden, wenn eine Überprüfung negativ ausfällt. Zudem wird bewertet, ob die Staatsverschuldung tragfähig ist. Hierzu erstellt die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF eine Schuldentragfähigkeitsanalyse. Entsprechend der IWF-Praxis findet in Ausnahmefällen eine Privatgläubigerbeteiligung statt.
Wir unterstützen den ESM trotz aller berechtigter Kritik und Sorgen. Als ein zentrales Prinzip ist darin verankert: Es gibt nur Hilfe gegen Auflagen. Diese Konditionierung bedeutet, dass der ESM nur greift, wenn die hilfebedürftigen Mitgliedsstaaten vorab getroffene Vereinbarungen auch sicher einhalten. Außerdem werden die Kredite nur dann vergeben, wenn der Empfänger seine Schulden auch tatsächlich tragen kann. Das wird in einer sogenannten Schuldentragfähigkeitsanalyse überprüft.
Überdies steht die Gewährleistungshöhe fest. Ein Fass ohne Boden ist der ESM auch deswegen nicht, weil die Summe der deutschen Gewährleistungen klar begrenzt ist auf 190 Milliarden Euro. Über diese Summe entscheidet der Deutsche Bundestag und sie kann nicht überschritten werden. Außerdem ist eine zweimalige Zustimmung des Plenums notwendig, bevor ein Land unter den Rettungsschirm kommt.
Trotzdem habe mich bei meinem JA zu ESM gefühlt wie jemand, dem klar wird, das man einen Schlafwandler nicht aufwecken darf, sonst stürzt er vom Dach. Gleichzeitig habe ich aber in den Gesprächen mit Abgeordneten der GRÜNEN und anderer Parteien die Auffassung vertreten, dass der ESM-Vertrag in Teilen eine Gefahr für die Demokratie darstellt. Ich war bei der Abstimmung (und bin es noch) der Auffassung, dass es ein Zurück nicht geben kann ohne schwerste politische Schäden für alle europäischen Staaten, besonders auch für die ärmeren.
viele Grüße Arfst Wagner