Frage an Annette Fugmann-Heesing von Joerg L. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Dr. Fugmann-Heesing,
wie beurteilen Sie heute die Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe im Jahre 1999, an der Sie ja einen maßgeblichen Anteil hatten? Würden Sie aus heutiger Sicht der Bewertung zustimmen, dass damals "Tafelsilber" verschleudert wurde? Wie erklären Sie dass Sie damals in der Öffentlichkeit erklärten, Sie rechneten mit mittelfristig sinkenden Wasserpreisen, obwohl Ihnen aus den von Ihnen mitunterzeichneten Verträgen mit den Käufern der BWB doch klar sein musste, dass die vertraglichen Renditeansprüche der Käufer sinkende Wasserpreise gar nicht zuließen sondern im Gegenteil mittelfristig zu höheren Wasserpreisen führen würden? Haben Sie damals die Öffentlichkeit in die Irre geführt? Meinen Sie, dass Ihr damaliges Verhalten Sie bei der Ausübung eines Mandates im Abgeordnetenhaus beeinträchtigt?
Sehr geehrter Herr Lehnert,
die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe war Teil einer Strategie, mit der die Konsolidierung des Haushalts eingeleitet wurde. Durch Ausgabensenkungen konnte das strukturelle Defizit des Landeshaushalts (die Lücke zwischen laufenden Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Zinsen)bis 1999 gegenüber 1995 halbiert werden. Und diese Lücke wurde dann weiter geschlossen durch Privatisierungserlöse. Die SPD hat die (Teil-)Privatisierung der Wasserbetriebe und anderer Unternehmen mitgetragen, weil dadurch Milliardenbeträge für den Haushalt eingenommen werden konnten, die sonst durch weitere Ausgabenkürzungen oder Kreditaufnahmen hätten ersetzt werden müssen. Können sie sich vorstellen, was es für Kitas, Schulen, Hochschulen, die soziale und sonstige Infrastruktur und damit für die Menschen in dieser Stadt bedeutet hätte, wenn wir diese Einnahmen nicht gehabt hätten? Das Tafelsilber ist nicht verschleudert, sondern zu einem hohen Preis veräußert worden, um in die Zukunft dieser Stadt investieren und den Konsolidierungsprozess sozial verträglich gestalten zu können.
Die Teilprivatisierung erfolgte im Jahr 1999. Damals wurden die Wasser- und Entwässerungsentgelte bis zum Jahr 2003 einschließlich eingefroren. Haben sie sich einmal im Vergleich z.B. die Preisentwicklung bei der BVG (ausschließlicher Eigentümer Land Berlin) seit 1999 angesehen? Dass es nach 2003 zu Entgelterhöhungen bei den Wasserbetrieben gekommen ist, ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass in Berlin der Wasserverbrauch in den vergangenen Jahren fast dramatisch gesunken ist, was ich aus ökologischen Gründen begrüße. Geringerer Verbrauch bedeutet aber, dass die hohen Investitionen in das Leitungsnetz auf weniger Verbrauchsmenge umzulegen sind - und gerade deshalb steigen die Preise pro Kubikmeter. Das wäre bei einem öffentlichen Eigentümer nicht anders. Die Gesamtrechnung für den einzelnen Verbraucher muss deshalb noch lange nicht höher sein als früher.
Über die Teilprivatisierung der Wasserbetriebe ist viel, leider aber auch viel Irreführendes wenn nicht gar Falsches berichtet und diskutiert worden. Deshalb trage ich gern zur Versachlichung der Diskussion bei.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Annette Fugmann-Heesing