Frage an Annette Bulfon von Ralf H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Dr. Bulfon,
als persönlich betroffene Familie des rasant eingeführten G8 an den bayerischen Gymnasien (2 Töchter in der 7. und 8. Klasse) hätte ich gerne eine Einschätzung Ihrerseits wie Sie folgende Problembereiche beurteilen und ggf. welche Lösungsmöglichkeiten Sie hierfür sehen:
1. Mangel an qualifizierten Lehrkräften,
2. Mangel an Ganztagesangeboten,
3. unausgewogener Lehrplan, als Ergebnis des zu schnellen Wechsels von G9 auf G8,
4. effizientere Leistungskontrolle einzelner Schulen und auch Sanktionsmöglichkeiten gegenüber offensichtlich überforderten oder unmotivierten Lehrkräften.
Herzlichen Dank für Ihre Antworten im Voraus!
Sehr geehrter Herr Heidemann,
ich freue mich sehr über Ihr Interesse an den Positionen der FDP bzgl. Bildungspolitik.
ad1,
In einem rohstoffarmen Land zählen Bildung und Ausbildung zu den vorrangigen Aufgaben der Gesellschaft. Ausgaben in diesem Bereich sind Zukunftsinvestitionen. Bayern gibt 2,0 % seines Bruttoinlandsprodukts für Bildung aus. Der Durchschnitt aller Bundesländer liegt bei 2,3 %, in anderen Industrienationen zwischen 5 und 6% des BIP. Lägen die bayerischen Bildungsausgaben wenigstens im Durchschnitt der anderen Bundesländer, gäbe es bereits 1,1 Milliarden Euro mehr für Bildung in Bayern.
Wir wollen:
-eine Erhöhung der Mittel für Bildung im nächsten Doppelhaushalt 2008/2009.
-ein umfassendes Investitionsprogramm zum Ausbau von Ganztagsschulen.
Die überfällige Neuorientierung der Lehrerbildung muss die Weichen für eine zukunftsorientierte Schulentwicklung in Bayern für die Nächsten Jahrzehnte stellen. Die Empfehlungen der von unabhängigen Erziehungswissenschaftlern aus dem gesamten Bundesgebiet gebildeten "Baumert"-Kommission zur Lehrerbildung bieten dazu wichtige Ansätze. Der vorliegende Entwurf der bayerischen Lehramtsprüfungsordnung wird den Anforderungen nur unzureichend gerecht. In 140 Seiten zwingt sie Hochschulen und Verantwortliche in der Lehreraus-und -weiterbildung in ein detailverliebtes bürokratisches Konzept. Mehr Autonomie der Hochschulen bei der Ausgestaltung und die entscheidende Rolle der Pädagogik bleiben Lippenbekenntnisse. Die Hochschulen mussten im Herbst in das Bachelorstudium ohne Rahmenbedingungen starten, weil die Lehramtsprüfungsordnung immer noch nicht erlassen worden ist.
ad2: Wir wollen
- den flächendeckenden Ausbau von Ganztagsschulen als Angebotsschule für alle Schularten von der ersten bis zur zehnten Klasse
- die Ganztagsschule mittelfristig als Regelschule etablieren
- verstärkte Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen, Musikschulen und der Wirtschaft.
ad3: Das G8 wurde überhastet und ohne jedes Konzept eingeführt.
Wir wollen:
- das Konzept G8 als gebundene Ganztagsschule.
- ein zeitgerechtes Bildungssystem mit einer verbesserten Anpassung
der Lerninhalte.
- mehr Lehrer und Schulsozialarbeiter.
- mehr Projektarbeit und fächerübergreifenden Unterricht um ein vernetztes Denken zu fördern.
- den verstärkten, sinnvollen und durchdachten Einsatz neuer Medien
zur Wissensvermittlung.
- die Intensivierungsstunden als Kernstück des G8 beibehalten.
ad4 : Die aufgeblähte Ministerialbürokratie bevormundet und gängelt die Einzelschulen und greift durch detaillierte Anweisungen in kleinste Vorgänge ein und demotiviert die Lehrer. Nahezu alles bedarf einer Genehmigung. Wir wollen den einzelnen Schulen mehr Freiheit geben.
- jede Schule soll über ihre personellen und finanziellen Ressourcen selbst entscheiden
- Lehrer sollen Angestellte der Schule sein.
Ich hoffe Ihnen mit meinen Ausführungen gedient zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Annette Bulfon