Frage an Anja Karliczek von Stefan L. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Karliczek,
in der 81. Sitzung des deutschen Bundestages vom 15.02.2019 sagten Sie in der Debatte zum Thema künstliche Intelligenz: "Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild leiten. Jeder technologische Fortschritt hat sich dahinter einzureihen." Meinen Sie diesen Satz ernst?
Die christliche Kirche behindert Wissenschaft und technologischen Fortschritt seit Jahrhunderten (siehe z.B. hier https://www.bpb.de/apuz/212823/wissenschaft-und-religion-getrennte-welten?p=all oder https://www.planet-wissen.de/natur/weltall/universum/pwiekircheundwissenschaftimstreitvereint100.html ). Es finden sich viele Beispiele für technologischen Fortschritt, den die christliche Kirche im Grunde ablehnt, deshalb hier nur ein Beispiel: Die christlichen Kirchen lehnen Gentechnik ab, weil dies der "Achtung vor dem Leben" widerspricht ( https://www.ekd.de/22786.htm ). Als nicht-religiöser Mensch hat mich Ihrer Aussage einigermaßen schockiert, deswegen möchte ich wissen, ob es eines Ihrer politischen Ziele als Bundesministerin für Bildung und Forschung ist, den technologischen Fortschritt in diesem Bereich Ihrem "christlichen Menschenbild" hinten an zu stellen? Nehmen Sie dafür in Kauf, heute technologische Entwicklungen zu verhindern, die unser Leben massiv verbessern könnten? In den 80er Jahren wurde die Herstellung von Insulin durch gentechnisch veränderte Bakterien entwickelt, die nach Ihren religiösen Maßstäben hätte verhindert werden müssen. Wenn Sie dies nicht ablehnen, erläutern Sie bitte, wo in Ihren Maßstäben die Grenze dessen liegt, wo technologischer Fortschritt erzielt werden darf und wo nicht mehr.
Mit freundlichen Grüßen
S. L.
Sehr geehrter Herr L.,
die Aussage "Wir lassen uns von unserem christlichen Menschenbild leiten. Jeder technologische Fortschritt hat sich dahinter einzureihen" ist ein Ausschnitt der Rede von Frau Karliczek zur Vorstellung der Strategie Künstliche Intelligenz (KI) vor dem Deutschen Bundestag. Sie ist dabei auf die vier Säulen eingegangen, die die Strategie kennzeichnen (Die vollständige Rede ist hier nachlesbar: https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/rede-der-bundesministerin-fuer-bildung-und-forschung-anja-karliczek--1581192).
Neben dem wirtschaftlichen und technologischen Mehrwert, den die KI u.a. für Deutschland mit sich bringen kann, geht die Ministerin in der vierten Säule auf den ethischen Aspekt der KI-Forschung ein. Denn bei der KI-Forschung und -Entwicklung ist nicht nur der Frage zu folgen "Was ist technologisch möglich und wirtschaftlich interessant?", sondern es gilt genauso auch die ethische Komponente zu beachten.
Frau Karliczek wollte daher betonen, dass nicht nur der technologische Fortschritt gefördert werden sollte, sondern dieser auch stets im Einklang mit dem Wertekanon der Bundesrepublik zu stehen hat, da dieser ein großes Pfund unserer Gesellschaft ist und als solcher zu schützen gilt. Denn Werte wie Menschenwürde, Persönlichkeitsrechte und individuelle Freiheit sind nicht in jedem Land so selbstverständlich wie bei uns in Deutschland. Die Arbeit und Forschung der KI in Deutschland wird daher immer unter der Prämisse stehen: "KI soll Menschen dienen, nicht diese kontrollieren". In ihrer Rede macht die Ministerin deutlich, dass der Schutz der Werte der demokratischen Welt der Bundesregierung ein großes Anliegen ist. Damit wird Deutschland bei der KI-Entwicklung einen anderen Weg gehen als andere Nationen. Wir gehen einen eigenen Weg.
Die von Frau Karliczek angesprochene Orientierung am christlichen Menschenbild bezieht sich dabei lediglich auf die Wertebasis, die die Präambel der deutschen Verfassung vorgibt. Die christliche-jüdische Tradition unserer Republik war Normgeber für die Väter und Mütter unserer Verfassung. Unsere heutigen Werte sind aus ihr gewachsen. Dies wird zum Beispiel an einigen unserer nationalen Feiertage deutlich.
Gleichzeitig bedeutet der Verweis von Frau Karliczek auf unser christlich gewachsenes Menschenbild nicht, dass es eine Vermischung von Religion und Politik gibt. Diese Behauptung weißt die Ministerin strikt von sich. Die klare Trennung von Religion und Politik ist ein hohes Gut unseres demokratischen Systems. Wir leben in einem säkularen Staat, dessen Werte und Grundordnung die Ministerin schätzt und achtet. Bei der Vorstellung der KI-Strategie vor dem Bundestag ging es der Ministerin nur darum, zu betonen, dass wir die gesellschaftlich-ethische Komponente bei der Diskussion um KI nie außer Acht lassen dürfen.
Freundliche Grüße
Anja Karliczek MdB