Frage an Angelika Sell-Kamuf von Franz Cizerle B. bezüglich Finanzen
Sehr verehrte Frau Sell-Kamuf,
der Zustand der Republik ist nur auf Entscheidungen der Politiker (nicht der Politik) zurückzuführen. Nun wollen Sie ebenfalls mitbestimmen, was im Land und in den Kommunen passiert. Das trifft vor allem auf die Finanzen zu. Nachdem die Verschuldung in Gemeinden in Millionen Euro, im Land in Milliarden Euro und im Bund in Billionen Euro angegeben wird, sind die Antworten auf folgende Fragen von immenser Wichtigkeit.
Frage 1:
Wie wollen Sie die Verschuldung des Landes verringern und in welchem Zeitraum?
Frage 2:
Wie wollen Sie auf die Verschuldung der Städte und Gemeinden einwirken?
Bretten liegt bei der Verschuldung mittlerweile auf dem Platz 37 von 1111 Kommunen!
Frage 3:
Wie wollen Sie das Subsidiaritätsprinzip umsetzen und den direkten Weg in das Wirtschaftssystem des Kommunismus verhindern?
Frage 4:
Wann werden Sie die überschuldeten Eigenbetriebe und die stadteigene GmbH’s auflösen?
Es kann nicht sein, dass durch ständige Zuschüsse aus Steuergeldern der Bürger solche Einrichtungen am Leben erhalten werden und dabei der freien Wirtschaft, die ebenso Steuergelder aufbringt, noch Konkurrenz machen. Die freie Wirtschaft unterstützt so auch noch ihre Konkurrenz.
Frage 5:
Werden Sie dafür sorgen, dass die Kommunen keine Geschäfte außerhalb der Haushalte mehr abwickeln dürfen?
Beispiel Gondelsheim.
Wenn alle Verbindlichkeiten der o.g. Einrichtungen in Bretten addiert werden, so stehen die Einwohner für über 130 Mio. Euro Schulden, die jährlich verzinst werden müssen, gerade.
Können Sie das mitverantworten?
Mit freundlichen Grüßen
Franz Cizerle
BürgerArbeitsKreis Bretten
Sehr geehrter Herr Cizerle,
obwohl mir nicht ganz klar ist, weshalb Sie mir als Landtagskandidatin diese teilweise sehr gemeinderatsspezifischen Fragen stellen, auf die ich im Falle eines Landtagsmandats überhaupt keine Einflussmöglichkeiten hätte, beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:
Zu Frage 1:
Für mich bzw. uns Grünen heißt verantwortliche Politik auch nachhaltige Finanzpolitik. Ich weiß wie Sie, dass das jährliche Haushaltsdefizit mittlerweile 3 Mrd. EUR jährlich erreicht hat. Das entspricht 10 % des Landeshaushalts. Pro Jahr muss das Land 2 Mrd. EUR für neue Kredite aufnehmen. Nur mit Tricks und Drehs kann ein verfassungswidriger Haushalt verhindert werden.
Sparen und gleichzeitig gestalten heißt Prioritäten setzen. Bildung, Forschung, oder ökologische Modernisierung sind die wichtigsten Kernaufgabenbereiche des Landes. Das Land jedoch fördert Messen und Flughäfen oder die Tieferlegung des Stuttgarter hauptbahnhofs mit unnötig hohem finanziellem Aufwand. Allein die Messe in Stuttgart wird das Land mit weit mehr als 240 Mio. EUR belasten. Der Baubeginn für Stuttgart 21 ist für 2012 geplant. Bis dahin müssen pro Jahr 70 Mio. EUR vorfinanziert werden. Sollte ich in den Landtag gewählt werden, werde ich mich sicherlich zusammen mit meiner Fraktion für einen sofortigen Schuldenabbau einsetzen bzw. einen Antrag stellen, in der baden-württembergischen Landesverfassung ein Schuldenbremse zu verankern nach dem Schweizer Modell: "Die staatlichen Ausgaben müssen sich auf Dauer nach den zu erwartenden Einnahmen richten", d. h. die Höhe des staatlichen Ausgabenwachstums soll deutlich auf unterhalb des zu erwartenden Wirtschaftswachstums begrenzt werden.
Zu Frage 2:
Es gibt ja heute schon verbindliche Vorschriften und Richtlinien, wie hoch die einzelnen Kommunen ihre Verschuldung ausreizen dürfen. In diesem Rahmen bewegen sich die einzelnen Kommunen. Wenn nun Bretten diesen Rahmen bis zum äußersten ausnützt und auch bis heute nichts konkretes unternimmt etwas zu ändern, liegt dies in erster Linie beim zuständigen Kontrollorgan der Stadt (Gemeinderat). Das Land kann allenfalls die Rahmenbedingungen schaffen, damit die einzelnen Kommunen mehr Geld zur Verfügung bekommen. Ob dies immer hilft, wage ich zu bezweifeln.
Zu Frage 3:
Bund und Länder brauchen klare Zuständigkeiten. D. h. wir brauchen dringend eine echte Föderalismusreform. Die Länder sollen sich um ihre Aufgaben kümmern und nicht ihre Hauptaufgabe darin sehen, bei Entscheidungen des Bundes derart mitzuwirken, dass die Handlungsfähigkeit einer Bundesregierung über Gebühr eingeschränkt wird. Allerdings brauchen die Länder auf jeden Fall mehr Kompetenzen. Das wiederum würde bedeuten, dass diese sehr viel mehr Entscheidungen den Städten und Gemeinden überlassen können. Hier ist es wichtig, dass das Konnexitätsprinzip "wer bestellt – der bezahlt auch" eingehalten wird (s. Recht auf Kindergartenplatz).
Zu Frage 4:
Dies könnte ich auch dann nicht veranlassen, wenn ich im Landtag sitzen würde. Im übrigen ist zu unterscheiden: Nicht jeder Eigenbetrieb bzw. jede stadteigene GmbH ist überschuldet. (Stadtwerke) Andererseits hat auch manche stadteigene GmbH eine wichtige Funktion, für die es sich lohnt, auch kurz bzw. mittelfristig Schulden zu machen, weil sie wichtige Funktionen in unserer Stadt erfüllen (Städt. Wohnbau). In Punkto "Städt. Kommunalbau" teile ich ihre Befürchtungen allerdings voll, da hier von Seiten der Stadt in Bereiche eingegriffen wird, welche keinesfalls zu den originären Aufgaben der Stadt gezählt werden können. Zudem ist gerade an diesem Beispiel der Kapitalbedarf und der Verschuldungsgrad extrem hoch und auch äußerst risikogefährdet.
Zu Frage 5:
Auch hier muss ich Ihnen leider antworten, dass nach meinem derzeitigen Kenntnisstand der Landtag nicht eingreifen kann. Soweit ich informiert bin, ist die Finanzierung außerhalb des Haushalts rechtens, wenngleich auch ich es politisch nicht korrekt empfinde und ganz konkret das angesprochene Beispiel als äußerst waghalsig empfinde. Leider hat auch bei diesem angesprochenen Beispiel das Aufsichtsgremium der Stadt versagt und unserem OB wieder einmal mehr einen viel zu großzügigen Spielraum gewährt. Ob eine Gesetzesinitiative in dieser Angelegenheit von Seiten des Landtags möglich und auch durchsetzbar wäre, kann ich heute nicht beurteilen, könnte mir aber wegen der besonderen Brisanz durchaus vorstellen, mich im Eventualfall darum zu kümmern.
Zum Schlusssatz: Ich habe diesen Schuldenstand nicht mitzuverantworten, da ich in keinem kommunalpolitischen Gremium sitze und auch nicht saß. Sie wissen selbst genau, wo die Mehrheiten im Gemeinderat der Stadt Bretten angesiedelt sind. Sicherlich nicht bei den Grünen. Ich muss leider diese Schulden genauso wie jede Bürgerin und jeder Bürger der Stadt Bretten mittragen und mit meinen Steuergeldern zurückbezahlen. Und Sorge macht mir dieser Umstand sicher genauso wie Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Angelika Sell-Kamuf