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Angelika Hagedorn
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Frage von Reniar W. •

Frage an Angelika Hagedorn von Reniar W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Welches waren Ihrer Meinung nach die nach 1945 vorherrschenden Motive der US-Regierung dafür, Nachkriegsdeutschland (nach WK II) nicht wegen seiner Nazi-, KZ- und Kriegsverbrechen per Morgentau-Plan bestrafend zur Rechenschaft zu ziehen, sondern per Marshall-Plan, Care-Paketen und Rosinenbombern aufzupäppeln?

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Antwort von
ÖDP

Sehr geehrter Herr Wevukanix, vielen Dank für Ihre Frage.

Ihre Fragestellung geht von falschen Prämissen aus und ist insofern nicht einfach gestellt, worauf ich an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingehen möchte.
Care-Pakete/ Rosinenbomber verbuchen Sie bitte unter lokale Trostpflaster und Sympathiewerbung; mögliche humanitäre Motive, wenn nicht gar ein schlechtes Gewissen angesichts der Zerstörung Deutschlands und der hungernden Menschen mögen nicht auszuschließen sein.
Bei dem Marshallplan selbst handelte es sich um einen Kredit, der in etwa gerade einmal einem Viertel der jährlichen Besatzungskosten entsprach, die Deutschland zu tragen hatte. Nur 10 % des bereitgestellten Geldes, 1,4 Mrd. Dollar, wurden den deutschen westlichen Besatzungszonen als Kredit zugeteilt. Am Ende mußte die damalige West-BRD durch Zins und Zinseszins das Doppelte zurückzahlen. Die anderen 90 % des Geldes gingen an weitere europäische Länder, diesmal jedoch als Schenkung, da diese nicht zu den Feindstaaaten gehörten. Begleitet wurde der Plan von einem bis dahin beispiellosen Propagandafeldzug. So wurden insgesamt 269 Marshallplanfilme gedreht. Erklärtes Ziel des Marshallplanes war die Errichtung und Stabilisierung eines kapitalistischen Weltwirtschaftssystems. Der Plan diente den USA als Steuerungs- und Einflußinstrument zur Durchsetzung der in der BRD nach amerikanischen Vorstellungen zu errichtenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und legte mit den Grundstock dafür, daß die Westdeutschen ideologisch näher an die USA gebracht wurden. Er trug letztlich dazu bei, den Aktionsradius für eine deutsche Außenpolitik festzulegen und die bis heute andauernde Westbindung der BRD zu begründen. Hingegen war der Marshallplan für den wirtschaftlichen Aufschwung der BRD unbedeutend (vgl. die Forschungen des Bielefelder Historikers Werner Abelshauser). Alles in allem bleibt festzuhalten, daß die Umsetzung des Planes kein Akt des Nächstenliebe (oder gar Feindesliebe) war, sondern ein auf kapitalistischen Interessen beruhendes Kalkül. Die Höhe der als Kredit zu Verfügung gestellten Geldbeträge steht in gar keinem Verhältnis zu den Unsummen, die die Amerikaner aus Deutschland völkerrechtswidrig gestohlen, demontiert und zerstört haben (vgl. u. a. auch "operation paperclip").
Wirklich humanitäre Hilfe leisteten vor allem auf individueller Ebene Menschen, die, nicht auf den eigenen Vorteil bedacht, Nahrung und Bekleidung nach Deutschland schickten.

Mit freundlichen Grüßen

Angelika Hagedorn