Wie sehen Sie das geplante Sprachförderkonzept der Landesregierung? Wäre ein verpflichtende Vorschuljahr für alle Kinder nicht sinnvoller als die Einführung von Juniorklassen (Starterklassen gibt es)
Sehr geehrter Herr Stoch,
Als Landeselternbeirätin im RP Tübingen (und als Logopädin) sehe ich das im LEB vorgestellte Sprachförderkonzept, das in Kürze im Landtag abgestimmt werden soll, kritisch.
Es schafft Doppelstrukturen und lässt bei Nicht-Fachkräften die Sprachförderung, die Screenings bei den Einschulungsuntersuchungen übersehen die Sprachentwicklungsverzögerungen bei mehrsprachigen Kindern !
Die Diagnostik und die Therapie von SEV gehört weiterhin in die Verantwortung des Fachpersonals der Logopädie und der Sprchheilpädagogik, das im Land auch weiterhin seinen Versorgungsauftrag dafür übernehmen will.
Die Logopädinnen und Logopäden lassen sich nicht in die 'medizinische Ecke' stellen, es gibt auch viele Sprachentwicklungsverzögerungen pädagogischer oder psychosoziale Ursache.
Sehr gerne würde ich.mich mit Ihnen darüber austauschen, habe auch ein Antwortschreiben von Frau Schopper bekommen zu meiner eingereichten Kritik.
Hg Alexandra S.
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihr Schreiben zur Sprachförderung und deren zukünftiger Ausrichtung.
Uns allen ist bewusst, dass in der Sprachförderung sowohl im frühkindlichen Bereich als auch an den Schulen dringend etwas getan werden muss. Immer weniger Kinder beherrschen die deutsche Sprache, immer mehr Kinder erreichen die Mindeststandards in Deutsch und Mathe nicht: Die Signale sind eindeutig. Es ist uns daher ein wichtiges Anliegen, die Frühkindliche Bildung und unsere Grundschulen zu stärken.
Unter anderem fordern wir deshalb ein verbindliches und kostenfreies letztes Kindergartenjahr. Alle Kinder brauchen schon im frühen Kindesalter Zugang zu Bildung. Mit der verpflichtenden Teilnahme am letzten Kindergartenjahr erhoffen wir uns bessere Startchancen und mehr Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder.
Ein verbindliches letztes Kindergartenjahr muss aber auch mit einem Qualitätszuwachs einhergehen. Deshalb fordern wir flächendeckend mehr Sprachförderung. Dazu brauchen wir einen Ausbau und eine gesicherte Finanzierung der Sprach-Kitas durch das Land und mehr multiprofessionelle Teams, unter anderem mit Sprachfachkräften und Logopädinnen und Logopäden. Denn Sprache ist der Schlüssel zur Welt, zur gelungenen Integration und für erfolgreiche Bildungsbiographien.
Diesbezüglich stehen wir den Plänen der Landeregierung zu einem neuen Sprachförderkonzept erwartungsvoll aber derzeit auch kritisch gegenüber. Bisher veröffentlichte Einzelheiten lassen den großen Wurf vermissen den es braucht, um echte Verbesserungen zu bewirken. Wir begrüßen beispielsweise die von uns schon vor eineinhalb Jahren geforderte Einführung vorschulischer Sprachtests im Alter von viereinhalb Jahren und die damit einhergehende verpflichtende Sprachförderung. Wie der Sprachförderbedarf konkret erkannt wird, ist bisher aber vollkommen unklar. Dafür brauchen wir ausreichend Fachkräfte und ein schlüssiges Konzept. Ebenso braucht es einheitliche und gute Rahmenbedingungen für die Sprachfördermaßnahmen, die sowohl den Ansprüchen der Kinder als auch dem Fachpersonal gerecht werden müssen.
Ebenfalls sehen wir es als immens wichtig an, dass sogenannte ‚Juniorklassen‘ im Ganztag angeboten werden und eine echte Förderung für die dort beschulten Kinder bieten. Eine genaue Beurteilung können wir jedoch erst abgeben, wenn uns alle Einzelheiten vorliegen. Weiterhin vermissen wir konkrete Pläne, multiprofessionelle Teams zeitnah flächendeckend einzuführen. Der bisherige Modellversuch, der derzeit an 16 Schulen durchgeführt wird und sich über vier Jahre erstrecken soll, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Wir brauchen jetzt mehr Unterstützung für unsere Kinder und Jugendlichen.
Gerne können Sie sich an meine Kollegen Daniel Born, Sprecher für frühkindliche Bildung und Katrin Steinhülb-Joos, schulpolitische Sprecherin, für einen Austausch wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Stoch