Frage an Andreas Schwarz von Oliver W.
Hallo Herr Schwarz,
es geht um meine Bürgerrecht als "Deutscher" und Wähler ihres Wahlkreises in Bezug auf die Freihandelsabkommen (CETA, TTIP und TISA) - ich habe dazu folgende Fragen: 1) Was bringt mir persönlich als Landwirt diese neuen Freihandelsabkommen?
2) Wie wird die bäuerliche Landwirtschaft geschützt? Gibt es dann nur noch Produkte von Monsanto? Wer kauft meine, im Vergleich zu den USA, teureren Agrarprodukte?
3) Was bringt mir die "regulatorische Kooperation" und die Schaffung von "Committees", die nach in Kraft treten der Abkommen die Handelsregeln ändern können ohne parlamentarische Kontrolle?
4) Habe ich später auf Standards und Verbraucherrechte noch einen "demokratischen" Einfluss? Wie ist dieser geplant?
5) Wir wird im Deutschen Bundestag sichergestellt, dass durch die mehr als 2000 Lobbisten mit Zugangspässen keine finanzielle Beeinflussung der Politiker erfolgt (wie in den USA)?
6) Warum darf ich darüber, ob die EU mit den Kanada/USA/div. Staaten (CETA/TTIP/TISA) weiter verhandeln soll, nicht in einer Volksabstimmung abstimmen?
7) Was bringen mir persönlich die Schiedsgerichte? Wie teuer wird es für mich, wenn ich Monsanto wegen entgangenen Gewinn verklagen will, weil ich deren Produkte verwenden muss aber die Samen schlecht waren oder die toxischen Inhaltsstoffe mein Grundwasser verunreinigt haben?
8) Wie wird meine Daseinsvorsorge in TISA gesichert? Muss der globale Investor meine Wasserversorgung garantieren, z.B. durch Investitionen in das Rohrleitungsnetz oder darf nur Gewinn gemacht werden?
Vielen Dank für eine ehrliche und fragenorientierte Antwort ihrerseits im Voraus & mfG
O.Watermann
Sehr geehrter Herr Watermann,
vielen Dank für Ihre sehr präzisen Fragen. Da ich mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen dazu rückkoppeln wollte, hat die Beantwortung der Fragen leider etwas gedauert.
Zu Ihren Fragen 1 und 2:
Die deutsche bäuerliche Landwirtschaft steht schon seit längerem im internationalen Wettbewerb und war bisher sehr wettbewerbsfähig. Im transatlantischen Handel zwischen der EU und den USA spielen Agrarprodukte keine große Rolle. Auch bei einer Abschaffung der Zölle sind hier keine großen Änderungen zu erwarten. Die USA könnten im Bereich der Viehhaltung wettbewerbsfähiger sein - jedoch nutzen die USA Hormone und Wachstumsförderer bei der Viehzucht, was in der EU nicht erlaubt ist. Die USA und die EU haben jeweils betont, dass die geltenden Vorschriften für die Lebensmittelsicherheit von TTIP nicht berührt werden. So werden unsere Beschränkungen für Hormone und Wachstumsförderer weiterhin gelten, so wie die USA an ihren im Vergleich zur EU strengeren Bestimmungen zu mikrobiellen Schadstoffen festhalten werden. Mit "Monsanto" spielen Sie wahrscheinlich auf gentechnisch veränderte Organismen an. Diese sind nach EU-Recht genehmigungspflichtig, außerdem müssen die EU-Länder dem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zustimmen. TTIP wird daran nichts ändern.
Zu Ihren Fragen 3 und 4:
Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag zur Zusammenarbeit in Regulierungsfragen zwischen der EU und den USA veröffentlicht, er ist (auf Englisch) hier einsehbar:
http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2015/april/tradoc_153403.pdf .
Darin ist ein institutionalisierter Informationsaustausch zwischen regulierenden Behörden vorgesehen. Positiv daran könnte sein, dass gemeinsame Ansätze bei Regulierungsfragen gefunden werden, die unnötige Bürokratie abbauen und transatlantischen Handel erleichtern. Dies darf aber auf keinen Fall dazu führen, dass nicht demokratisch legitimierte Gremien Mitspracherechte erhalten. Regulierung und Standardsetzung liegt bei den Parlamenten der Mitgliedstaaten und der EU, sowie dem US-Kongress, mit transparenter Miteinbeziehung der Öffentlichkeit - und dies muss auch so bleiben. Die Sozialdemokraten im Europäischen Parlament und im Deutschen Bundestag haben daran ihre Zustimmung zu einem Abkommen geknüpft, außerdem hat die SPD diese rote Linie in einem Parteikonventsbeschluss festgehalten. Das "Primat der Politik" wird mit uns nicht angetastet!
Zu Ihrer Frage 5:
Die Frage kann ich nur für mich persönlich beantworten. Der Einfluss von Lobbyisten in Berlin ist allgegenwärtig und kann auch durchaus auch von Nutzen sein. Ich achte stets darauf, mir beide Seiten anzuhören, also etwa Unternehmensverbände UND Gewerkschaften. Ich vermeide dabei Abhängigkeiten, indem ich mich beispielsweise nicht zum Mittagessen einladen lasse oder Geschenke annehme. Egal von welcher Seite.
Und am Ende gilt immer: zunächst berate ich mich mit meinen engsten Vertrauten und mit meinem Team. Meine Entscheidung treffe ich dann unabhängig, denn ich darf Politik nicht nach Einzelinteressen gestalten, sondern muss das Allgemeinwohl aller im Blick haben.
Zu Ihrer Frage 6:
Wir leben in einem System der repräsentativen Demokratie, mit dem wir seit Gründung der Bundesrepublik sehr erfolgreich gefahren sind. Volksentscheide auf nationaler Ebene haben dabei bisher auch keine Rolle gespielt. Auch wenn ich mir ein Einzelfällen vorstellen kann, dass diese sinnvoll sind, zweifle ich dies bei der Aushandlung internationaler Verträge eher an.
Zu Ihrer Frage 7:
Ganz grundsätzlich sind Streitschlichtungsverfahren in Handelsabkommen vorgesehen für Verfahren zwischen Staaten oder zwischen einem internationalem Investor und einem Staat. Ein ausländisches Unternehmen kann Sie als natürliche Person nicht über ein Schiedsgericht verklagen, noch können Sie dies umgekehrt tun. Hierfür steht Ihnen - wie bei jedem inländischen Unternehmen - der ganz normale Rechtsweg zur Verfügung. Jeder Investor muss sich selbstverständlich an die nationalen Gesetze halten, die von Ihnen aufgeführten Punkte können Sie also genauso einklagen wie jetzt auch schon.
Zu den Schiedsgerichten (ISDS): Diese lehnen wir entschieden ab. Wir halten es für unerlässlich, dass das System privater Schiedsgerichte ersetzt wird durch einen ordentlichen Handelsgerichtshof mit transparenten Verfahren und unabhängigen Richtern. Diesen Vorschlag machten im März in Madrid auch die sozialdemokratischen Handelsminister der EU-Staaten. Es freut mich, dass dieser Vorschlag nun auch von der EU-Kommission aufgenommen wurde. Eine gute Zusammenfassung, wie dieses System im Unterschied zum bestehenden System funktionieren würde, finden Sie hier:
http://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1368&serie=991&langId=de
Wir halten dieses System für einen Schritt in die richtige Richtung, allerdings muss er für alle zukünftigen Handelsabkommen gelten. Dies schließt neben TTIP auch CETA mit ein.
Zu Ihre Frage 8:
Wie bei TTIP ist die kommunale Daseinsvorsorge auch bei den Verhandlungen zum Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) ausgenommen. Für den Bereich Daseinsvorsorge werden von Deutschland weder Verpflichtungen zur Marktöffnung noch zur Privatisierung übernommen. So ist bereits jetzt in den Verpflichtungslisten - wie in allen anderen Freihandelsverhandlungen der EU auch - eine breite Ausnahme für die öffentliche Daseinsvorsorge enthalten.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Schwarz