Frage an Andreas Schwab von Melissa A.
Sehr geehrter Herr Dr. Schwab,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort auf meine Frage vom 19. April. Sie verweisen darin auf den von der EU vorgelegten 10-Punkte-Plan. Dieser Plan erscheint mir allerdings eher wie ein Ablenkungsmanöver vom eigenen Fehlverhalten, indem alle Schuld den Schleusern zugeschrieben wird. Wurde das leider sehr lukrative Geschäft der Schleuser nicht erst durch die extreme Abschottungspolitik der EU in diesem Ausmaß ermöglicht? Punkt 1 des Plans sieht die Aufstockung der Triton-Mission vor. Ist bereits geklärt, auf welche Größe das Gebiet der Mission ausgeweitet wird?
Punkt 2 sieht, nach Vorbild der Atlanta-Mission, eine Zerstörung der Schleuserboote vor. Hier frage ich Sie, ob ein solches militärisches Vorgehen wirklich im Dienste der zivilen Seenotrettung steht? Wie sollen die Flüchtlinge ansonsten nach Europa kommen, wenn sie vorm Krieg in ihrer Heimat fliehen? Gibt es keine Möglichkeit für die EU-Mitgliedsstaaten, sichere Fluchtwege bereitzustellen? In Punkt 7 wird von einem sogenannten "Resettlement"-Pilotprojekt gesprochen. Hier sollen jedoch nur 5000 Aufnahmeplätze entstehen, was angesichts der riesigen Flüchtlingsströme eher als Alibiaktion der EU wirkt. Zu Punkt 8: Wie kommt es, dass die EU als Antwort auf das Flüchtlingssterben im Mittelmeer mit schnellerer Abschiebung antwortet?
Punkt 9 beschreibt die engere Zusammenarbeit mit Drittstaaten rund um Libyen. Geflüchtete aus diesen Ländern berichten über katstrophale Zustände. Die Regierungen dieser Länder sind nicht stabil (und werden es auch mit Hilfe der EU nicht in den nächsten Monaten werden). Möchte die EU sich hier als Partner dieser Länder verstehen, die Schutzbedürftige einsperren und misshandeln?
Insgesamt frage ich mich, ob der 10-Punkte-Plan der EU nicht eher einen Fluchtverhinderungsplan darstellt, der die Abschottungspolitik der EU verstärkt und damit den Schleusern direkt in die Hände spielt?
Freundliche Grüße,
Sehr geehrte Frau A.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Rückmeldung vom 24. April. Über Ihr Interesse an einer verantwortungsvollen Weiterentwicklung der europäischen Flüchtlingspolitik freue ich mich sehr und so beantworte ich Ihnen sehr gerne Ihre Fragen zum Zehn-Punkte-Plan der Europäischen Kommission.
Ich stimme Ihnen zu, dass Europa mehr tun muss, um die humanitären Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer künftig zu verhindern. Die Vorschläge der Europäischen Kommission im Rahmen ihres Zehn-Punkte-Plans stellen dabei nur einen ersten Ansatz dar. Neben der Verdreifachung finanzieller Mittel für die Operation "Triton", habe ich mich im Rahmen einer Entschließung des Europäischen Parlaments in der letzten Woche außerdem dafür eingesetzt, die die Intention dieser Mission künftig nicht nur in der Grenzkontrolle, sondern ganz besonders in der Rettung von Menschen liegt.
Die zunehmende Schleuserkriminalität stellt in der Flüchtlingsproblematik jedoch nach wie vor eines der Hauptprobleme dar. Neben den in Punkt 2 des Plans gemachten Vorschläge wird zurzeit außerdem über Möglichkeiten legaler Einwanderung diskutiert. Mit Hilfe der UNO und des Roten Kreuzes könnten Auffanglager in Nordafrika eingerichtet werden, die Flüchtlinge über andere Wege legaler Einwanderung informieren und die gefährliche Überfahrt nach Europa mit kriminellen Schlepperbanden verhindern würden. Europa muss sich dafür einsetzen, dass künftig kriminelle Schlepperbanden keinen Profit mehr aus der Not der Flüchtlinge ziehen können.
Ich bin davon überzeugt, dass es angesichts der grausamen Vorkommnisse der letzten Wochen jetzt dringend notwendig ist, gemeinsam einen umfassenden und nachhaltigen Lösungsansatz für eine verantwortungsvolle und humanitäre europäische Flüchtlingspolitik auszuarbeiten. Um die aktuelle Flüchtlingssituation zu verbessern, stellt eine engere Zusammenarbeit mit den europäischen Nachbarn aus meiner Sicht einen zentralen Aspekt dar. Die eigentlichen Ursachen, die zu den Flüchtlingsströmen führen, müssen gemeinsam mit den Regierungen vor Ort offen diskutiert und angegangen werden.
Ich stimme Ihnen zu, sehr geehrte Frau A., dass der 10-Punkte-Plan alleine nicht ausreichend ist, um die aktuelle Flüchtlingssituation im Mittelmeer zu verbessern. Er stellt jedoch einen wichtigen ersten Ansatz dar. Als Europaabgeordneter möchte ich mich mit meinen Überlegungen aktiv in den Prozess der Weiterentwicklung für eine nachhaltige und verantwortungsvolle Europäischen Flüchtlingspolitik einbringen. Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen behilflich sein konnte und stehe für weitere Rückfragen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Andreas Schwab