Frage an Andreas Schwab von Lea Horak (i.A. Rettet den Regenwald e. bezüglich Umwelt
Die EU verhandelt derzeit über ihre Biosprit-Politik. Grund sind die sehr negativen Auswirkungen der Energie vom Acker auf Natur, Klima und Menschen.
Zu diesem Ergebnis kommen nicht nur Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, sondern auch zahlreiche unabhängige Beurteilungen wie bspw. von SCOPE oder des WGBU. Selbst EU-Studien zeigen: Biodiesel aus Palm- und Sojaöl aber auch aus heimischem Raps ist klimaschädlicher als fossiler Diesel.
Wie schon seit langem FAO, Weltbank und OECD fordern, muss die EU die gesetzlich vorgeschriebene Beimischung, Förderung und Subventionierung von Biosprit beenden.
Wir möchten Sie bitten, alles Ihnen Mögliche zu tun, damit die Biosprit-Politik der EU unverzüglich korrigiert wird. Agrosprit muss aus der Erneuerbare-Energien-RL und der Kraftstoffqualitäts-RL gestrichen werden.
Zunehmende Nachfrage nach Agrartreibstoffen bedeutet die globale Ausweitung der Anbaufläche und damit die Freisetzung von gebundenem CO2. Selbst wenn der Agrospritanbau auf bereits bestehenden Ackerflächen erfolgt, kommt es durch indirekte Landnutzungsänderungen – ILUC – zu gewaltigen klimaschädlichen Emissionen.
Die Nachhaltigkeitsanforderungen in 2009/28/EG, Art. 17 sind nicht geeignet, die Umweltzerstörung zu verhindern.
Wir hoffen, dass Ihnen der Erhalt der Ökosysteme, der Klimaschutz und die Ernährungssicherheit am Herzen liegen und Sie am 11.9. bei der Abstimmung im EU-Parlament Agrosprit ablehnen.
*Wieso wird an einer Senkung des Agrarkraftstoffanteils auf 5,5% (statt 0%) festgehalten, obwohl starke Bedenken bzgl. der Umwelt-, Klima- und Sozialverträglichkeit bestehen?
*Wieso werden Agrartreibstoffe weiterhin gefördert, obwohl durch ihren Einsatz die in Art. 17, Abs. 2 vorgeschriebenen Emissionseinsparungen von 35% nicht erreicht werden?
*Inwiefern wird der ILUC-Effekt durch die Kommission berücksichtigt? Was ist Ihre persönliche Meinung hierzu?
*Wie werden Sie am 11.9. abstimmen? Werden Sie sich weiterhin in diesem Gebiet engagieren?
Vielen Dank
Sehr geehrte Frau Horak,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Arbeit.
Das Thema Biosprit ist ein hochaktuelles Thema, mit dem sich der Ausschuss Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit im Europäischen Parlament intensiv auseinandersetzt.
Seit die EU-Agrarkraftstoff Richtlinie 2009 verabschiedet wurde, ist eine sehr emotionale Diskussion über möglichen Folgen entfacht. Diskussionsgegenstand ist die Befürchtung, dass eine verstärkte Nachfrage nach Biokraftstoffen bei uns in Europa zu einer Nutzungskonkurrenz zwischen Tank und Teller und diese zu einer stärkeren Inanspruchnahme von schützenswerten Flächen, z.B. tropischer Regenwald, in Drittstaaten führt (indirekte Landnutzungsänderungen= ILUC- Effekte).
Die Kommission hat daraufhin einen Revisionsvorschlag vorgelegt, der den Anteil von Biokraftstoffen der ersten Generation (d.h. Kraftstoffe aus Nahrungs- und Energiepflanzen), auf 5% des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor im Jahr 2020 senken soll (aktuell 10%). Sie fragen, warum an einer Senkung des Agrarkraftstoffanteils auf 5,5% (statt 0%) festgehalten wird, obwohl starke Bedenken bzgl. der Umwelt-, Klima- und Sozialverträglichkeit bestehen. In der Plenarabstimmung zur Biokraftstofflinie am 11. September hat das Parlament sich überfraktionell darauf geeinigt, den Anteil der Agrarkraftstoffe der 1. Generation auf 6% (statt 5,5%) zu senken. Das 6% Ziel dient dazu, die bereits getätigten Investitionen in konventionelle Biokraftstoffe, wie z.B. europäischen Biodiesel zu sichern. Investitionen in konventionelle Biokraftstoffe haben neben einer besseren Klimabilanz als herkömmliche Kraftstoffe auch sehr positive Effekte auf unsere heimische Landwirtschaft. So wurde z.B. die obligatorische Flächenstilllegung von 10% für die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen aufgehoben. Ein zweites positives Beispiel ist der Mehrwert von Raps: 40 % der Rapsproduktion geht in die Öl- und 60 % in die Futtermittelproduktion. Ohne diese Art von Koppelprodukten aus der deutschen Biokraftstoffproduktion wäre unser Land auf den Import von 7,5 Millionen Tonnen Sojaschrot angewiesen (d.h. 10 % mehr als aktuell). Raps ist außerdem ein sehr guter als Bodenverbesserer von dem Folgefrüchte profitieren. Sie sehen also, dass die gezielte Förderung von Biokraftstoffen (darunter auch fortschrittlichen Biotreibstoffen wie Abfälle, Gülle und Stroh und Rohstoffen der 3. Generation (Algen, Bakterien etc.) durchaus im Sinne des globalen Klimaschutz und der heimischen Landwirtschaft sein kann.
Nun zu den von Ihnen angesprochenen ILUC-Faktoren: Wie die Kommission selbst in ihrem Bericht über indirekte Landnutzungsänderungen im Zusammenhang mit Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen einräumt, ist die jetzt vorgesehene Methodik zur ILUC-Berechnung nicht für die Praxis geeignet. Der Grund ist, dass damit zu viele Mängel und Unsicherheitsfaktoren verbunden sind. Genaueres finden Sie im Bericht der Kommission unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2010:0811:FIN:DE:PDF ). Infolgedessen hat das Parlament die Berechnungsformel von ILUC-Faktoren nach David Labordes Studie vom Internationalen Forschungsinstitut für Ernährungspolitik (IFPRI) gestrichen.
In der Plenarabstimmung in der vergangenen Woche hat die EVP, der auch ich angehöre, eine moderate Linie im Sinne der getätigten Investitionen und der Klimaziele verfolgt. Dies wird auch die Grundlage des weiteren Handelns im Zusammenhang mit diesem Gesetzgebungsprojekt sein.
Sollten Sie weitere Fragen oder Anmerkungen haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Andreas Schwab