Warum sollte man aktuell die Humanisten wählen und mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Repräsentation im Bundestag erreichen?
Lieber Herr Dr. Schäfer,
mir ist klar, dass Kleinstparteien Stimmen benötigen, um finanziert zu werden und zu wachsen. Wäre es aber nicht rational, dies mit einer Spende zu befördern und die eigene Stimme einer Partei zu geben, deren Einzug in den Bundestag wahrscheinlicher ist, so dass zumindest eine gewisse Einbringung der eigenen Präferenzen in das Parlament gewährleistet wird? Warum dennoch die Humanisten wählen? Was macht sie effektiver als eine bloße Bürgerinitiative, wenn sie als Partei nicht in den Bundestag einziehen?
Eine stets wiederkehrende und wichtige Frage.
Ich kann die Bedenken nachvollziehen. Warum sollte man einer kleinen Partei, die aktuell(!) keine Chancen auf den Bundestag hat, die Stimme schenken?
Verschenkt ist sie sicherlich nicht. Wie schon richtig angedeutet, ist jede Stimme, gerade bei kleinen Parteien, wichtig, um bspw. in die staatl. Parteienfinanzierung zu kommen. Mit dieser lassen sich zukünftige Wahlkämpfe erfolgreicher bestreiten, denn leider ist es auch heute so, dass Geld Wahlen gewinnt. Aber auch unabhängig davon, zeigt ein hoher Stimmenanteil für kleine Parteien, dass die Gesellschaft unzufrieden mit den etablierten Parteien ist und nach neuen Lösungen sucht. Dies erzeugt Handlungsdruck auch bei den großen.
Bei kleinen Parteien können sich neue politische Ideen und Konzepte erproben oder politische Strömungen etablieren, die bisher nicht von den großen Parteien adressiert werden. Dass dies erfolgreich sein kann, zeigten die Grünen in den 1980er Jahren und haben sich seither selbst als eine der großen Parteien etabliert. Auch haben sie dafür gesorgt, dass auch andere Parteien Themen wie Umweltschutz oder Gleichberechtigung stärker adressieren. Entweder übernehmen die großen Parteien die Konzepte der Kleinen und machen sie tatsächlich obsolet, oder die kleinen wachsen und etablieren sich.
Auf dem Weg sich zu etablieren ist jede einzelne Stimme wertvoll. Stimmenanteile zeugen von politischer Relevanz, auch bei unter 5%. Das zeigen auch bspw. die Freien Wähler. Realistisch gesehen, sind ein paar Zehntelprozent, die bspw. die Humanisten erhalten können, kein relevanter Verlust für die großen Parteien, die schon durch einzelne mediale Skandale ein vielfaches davon einbüßen oder gewinnen können. Außerdem gilt es zu berücksichtigen, dass hierbei meist eine Wählerwanderschaft nicht von einer einzelnen großen Partei zu beobachten ist, sondern eher über eine gewisse Breite (z.B. Grüne, SPD, FDP). Dies geschieht bei allen kleinen Parteien. So kann man erwarten, dass die Freien Wähler ehemalige Stimmen von CDU/CSU binden, oder dieBasis jene der AfD.
Eine Stimme für eine kleine, aufsteigende Partei, die mit neuen Ideen überzeugen kann, ist immer ein Investment in die Zukunft. Denn mit den Stimmen heute, wird das Fundament für Wahlerfolge morgen gelegt. Dass dies funktioniert, haben schon andere Parteien gezeigt.
Demokratie lebt letztlich von Vielfalt. Kleine Parteien repräsentieren oftmals spezifische Bevölkerungsgruppen, die sich eben nicht von den großen Parteien repräsentiert fühlen. Sie sind daher mehr als nur "Bürgerinitiativen", sie sind ein wichtiger Teil der politischen Landschaft und Willensbildung. Sie sind Teil der außerparlamentarischen Opposition für die jede Stimme zählt.