Frage an Andreas Otti von Guido L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Otti,
das AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland sagte am 02.09.17 beim sog. AfD-Kyffhäuser-Treffen in Thüringen, dass die Rolle deutscher Soldaten im 2. Weltkrieg neu bewertetet werden und dass "ein Schlusstrich" unter die deutsche Nazi-Vergangenheit gesetzt werden muss (siehe www.spiegel.de/politik/deutschland/alexander-gauland-provoziert-mit-rede-zu-deutschlands-nazi-vergangenheit-a-1167750.html und www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/afd-alexander-gauland-relativiert-verbrechen-der-wehrmacht-15199412.html ).
Unstrittig dürfte sein, dass deutsche Wehrmachtssoldaten während des 2. Weltkriegs systematisch Gräueltaten an der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen begangen haben (siehe z.B. www.zukunft-braucht-erinnerung.de/systematische-verbrechen-der-wehrmacht/ , www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article114693474/Diese-Verbrechen-begingen-Deutsche-in-Russland.html , www.n-tv.de/leute/buecher/Die-Plaudereien-der-Wehrmachtssoldaten-article3624951.html und https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrechen_der_Wehrmacht ).
Meine Fragen:
- Distanzieren Sie sich vom AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland?
- Befürworten Sie ein Parteiausschlussverfahren gegen A. Gauland wg. dessen jüngsten Äußerungen zur Rolle der Wehrmacht im 2. WK?
In Erwartung Ihrer Antwort vor den Bundestagswahlen am 24.09.17 verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
G. L.
Sehr geehrter Herr L.,
tatsächlich liegt die Problematik deutlich tiefer. Bitte erlauben Sie mir hier, auch wenn es unüblich ist, einen persönlichen Einstieg. In meinem Dienstzimmer befindet sich meine Ernennungsurkunde zum Leutnant der Luftwaffe. Es ist eine besondere Urkunde, nicht nur weil sie mir persönlich viel bedeutet, sondern weil Altkanzler Helmut Schmidt mir damals ein Bild mit Unterschrift zusandte. Aus der Presse konnte ich erfahren, dass ein Bild Helmut Schmidts nun nicht mehr in der Offiziersschule der Luftwaffe hängen darf. Grund war, so wurde mir mitgeteilt, dass Altkanzler Helmut Schmidt in der Uniform der Wehrmacht zu sehen war.
Genau hier liegt doch die Herausforderung. Millionen von jungen Menschen, welche oftmals unter dem Druck jahrelanger erbärmlicher Frontverhältnisse bereits halbtot waren, bevor sie fielen, aus dem Kollektiv einer unglaublichen Maschinerie des Krieges herauszuheben. Sein darf und muss, dass Kriegsverbrechen, welcher Art auch immer, ohne Rücksicht auf Herkunft und Truppenzugehörigkeit der Täter, schonungslos zu nennen sind. Was aber durchaus mehr als nur problematisch ist, sind die pauschalen Schuldzuweisungen an alle Soldaten und Angehörigen der Streitkräfte des zweiten Weltkrieges.
Es geht hier also nicht um Äußerungen auf der niedrigsten Ebene wie z.B. "Soldaten sind Mörder", es geht um die Grundhaltung eines Staates gegenüber seinen Soldaten - heute und gestern. Die mehr als nur defizitäre Grundhaltung der politisch Verantwortlichen im III. Reich gegenüber den Streitkräften wurde nicht erst Anfang 1943, also mit dem Desaster von Stalingrad, erkennbar. Während gut situierte Akteure der NS- Propaganda zum totalen Krieg peitschten, sahen tausende von jungen Leben dem erbärmlichen Fronttod entgegen. Die soldatischen Leistungen sind gerade unter diesen dramatischen Umständen als unglaublich zu bewerten. Die Tränen der Zurückgebliebenen mahnen uns zur Züchtigung der Gedanken und Worte in jeder Hinsicht.
Hiermit ist fast alles gesagt! Zu der von Ihnen genannten Zitation des Herrn Gauland kann ich sagen, dass man unter Geschichtsschreibung weder Striche noch Schlussstiche ziehen kann. Ich erlaube mir hier, eine und meine eigene Meinung zu haben.
Hinweis:
Dass von Ihnen erwähnte Parteiausschlussverfahren gegen Herrn Gauland ist mir nicht bekannt.
Mit freundlichen und friedlichen Grüßen
Andreas Otti