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Andreas Jung
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Frage von Volker L. •

Frage an Andreas Jung von Volker L. bezüglich Gesundheit

Lieber Herr Jung,

auch ich möchte Sie bitten, einer Erlaubnis der Beschneidung bei unmündigen Kindern nicht zuzustimmen!

1. ICH habe das Recht über meine körperliche Unversehrtheit zu bestimmen, gerade bei Maßnahmen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind!

2. Was ist, wenn ich beschnitten werde, aber als Mündiger dieses Zugehörigkeitsmerkmal zu einer bestimmten Religion nicht mehr stigmatisiert an mir tragen will, weil ich dieser Relgion nicht angehören will (so wie meine Eltern das wollten) ?
Wenn Sie für die Beschneidung stimmen, dann stigmatisieren Sie mich, nur weil meine Eltern ggf. religiöse Eiferer waren !

Warum soll ICH nicht selbst entscheiden dürfen, welcher Religion ICH zugehören will ??

Und dann kann ich mich ja immer noch beschneiden lassen! Die Zustimmung ist eine Unterwerfung der Freiheit, des Selbstbestimmungsrechtes, des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit unter uralt konservative, religiös fragwürdige Machtansprüche.

WENN BESCHNEIDUNG, DANN IM MÜNDIGEN ALTER !!!

Dr. Volker David Lambertz

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Dr. Lambertz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Email vom 11.10.2012 zum Thema Beschneidung von Jungen.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es in Deutschland erlaubt, männliche Beschneidungen aus medizinischen, wie auch religiösen Gründen bereits an Säuglingen vorzunehmen, jedoch auch außerhalb medizinischer Einrichtungen. Das Kölner Gerichtsurteil, welches im Mai diesen Jahres die Zirkumzision als Körperverletzung und somit als Straftat einstuft, wirft deutschlandweit Fragen zur künftigen Handhabe auf und es wird, wie auch von Ihnen beschrieben, über ein Beschneidungsverbot diskutiert.

In der komplexen Diskussion müssen die elementaren Prinzipien der Gesellschaft der Bundesrepublik berücksichtigt werden, auch haben wir darauf zu achten, dass bestehende Gesetze und internationale Übereinkommen umgesetzt und eingehalten werden. Hierzu zählt auch der Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention, nach dem für Kinder gesundheitsschädliche überlieferte Bräuche abzuschaffen sind.

Die Beschneidung von Jungen ist als Eingriff in die körperliche Integrität irreversibel und natürlich keine Bagatelle. Mit der Verstümmelung der Genitalien von Mädchen und Frauen, die zweifellos strafbar ist und mit strengen Sanktionen geahndet werden muss, ist die teilweise oder ganze Entfernung der Vorhaut bei Jungen aber nicht vergleichbar. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt den Eingriff sogar bei Männern zumindest regional als eine medizinisch und hygienisch sinnvolle Vorsorgemaßnahme, z.B. um die HIV-Infektionsrate zu senken. Schätzungen zufolge ist etwa ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung beschnitten. Die Beschneidung von Jungen gilt als der weltweit am häufigsten durchgeführte kinderchirurgische Eingriff.

Wird von auftretenden Komplikationen im Rahmen von Beschneidungen gesprochen, muss zwischen solchen im klinischen Rahmen und unter hygienisch einwandfreien Umständen und solchen Beschneidungen, die auf traditionelle Weise ohne entsprechende Rahmenbedingungen durchgeführt werden, differenziert werden.

Die Auslegung des Begriffs des Kindeswohls ist– wie dargelegt – mittelbar entscheidend für die Strafbarkeit der religiös motivierten Beschneidung: Umfasst das Kindeswohl eine religiös motivierte Beschneidung, ist eine elterliche Einwilligung wirksam und die Beschneidung straflos.

Das unmündige Kind hat als Grundrechtsträger einen Anspruch auf staatlichen Schutz der körperlichen Unversehrtheit. Das Recht von Eltern, ihre Kinder religiös zu erziehen, ist aber ebenfalls grundgesetzlich geschützt. Auch sind es die Eltern, die – in den Grenzen unserer Rechtsordnung – den Inhalt des Kindeswohls festlegen. Sie dürfen sich bei Entscheidungen zur Gesundheit ihres Kindes auch von religiösen Motiven leiten lassen, solange die Behandlung bzw. der Eingriff nach allgemeinen Maßstäben medizinisch vertretbar ist.

Die Beschneidung von Jungen ist medizinisch vertretbar, wenn sie fachgerecht und ohne unnötige Schmerzen für das Kind durchgeführt wird. Die Beschneidung von Jungen, mit Einwilligung ihrer Eltern, soll daher auch künftig zulässig sein, wenn gewährleistet ist, dass dabei alle modernen medizinischen Standards eingehalten werden. Aus Sicht der meisten jüdischen und moslemischen Gläubigen handelt es sich bei dem Ritual der Beschneidung keinesfalls um eine überkommene Tradition, sondern bis heute um einen festen Bestandteil und wichtige Pflicht ihres jeweiligen Glaubens.

Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat bereits im Juli diesen Jahres, gemeinsam mit SPD und FDP, von der Bundesregierung gefordert, noch in diesem Herbst eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen, welche eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässt. Im entsprechenden Gesetzesentwurf sollen sowohl das Kindeswohl (Artikel 2 GG) als auch die Religionsfreiheit (Artikel 4 GG) sowie das Recht der Eltern auf Erziehung (Artikel 6 GG) berücksichtigt und in einen schonenden Ausgleich gebracht werden.

Wie auch Bundespräsident Joachim Gauck bin ich der Auffassung, dass jüdisches und muslimisches Leben und damit auch die Ausübung der Religion weiterhin in Deutschland möglich sein muss. Gerade die jüdische Religion ist seit langem Bestandteil der deutschen Geschichte. Daher sollten Eltern nicht gezwungen sein, ihre Söhne bei unseren Nachbarn im europäischen Ausland oder in Hinterzimmern von Laien beschneiden zu lassen. Das wollen wir sicherstellen, indem wir die weltweit akzeptierte Beschneidung minderjähriger Jungen verfassungskonform regeln. Es gilt zu beachten, dass sich diese Art der Zirkumzision auf der freien Religionsausübung begründet. Andere, nicht religiös begründete Rituale, welche einen Eingriff in die Unversehrtheit des Körpers bedeuten sind nicht zu befürworten.

Ich unterstütze also die Erhaltung der Religionsfreiheit jüdischer und moslemischer Eltern auch in Deutschland und spreche mich für eine Beibehaltung der Beschneidung aus. Jedoch ist es wichtig, die medizinischen Rahmenbedingungen im Gesetz zu verankern, um das Kindeswohl zu gewährleisten. Dabei ist es wichtig, keine übereilten Entscheidungen zu treffen, um alle zentralen Punkte berücksichtigen zu können. Diesen Standpunkt werde ich bei der Debatte um eine gesetzliche Regelung einbringen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Jung

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