Frage an Andrea Schulteisz von Martin C. bezüglich Frauen
Sehr geehrte Frau Schultheis,
ich würde Sie gerne fragen, ob die WASG Berlin sich nach der WAhl der PDS anschließt, oder ob es Lucy Redler mit ihrem Team schafft, sich der Zwangsvereinigung zu widersetzen.
Welche speziellen Förderungen für Frauen sollten Ihrer Meinung nach in Berlin besonders entwickelt werden.
MfG
Martin Cramer
Sehr geehrter Herr Cramer,
ich danke Ihnen für Ihre Frage und versuche hiermit, diese zu beantworten.
Ich fange mit dem zweiten Teil Ihrer Frage an. Allerdings bin ich hier etwas unsicher, was mit "speziellen Förderungen für Frauen" gemeint ist. Ich glaube nicht, daß Frauen speziell gefördert werden müssen. Sie sollten nur nicht behindert und der ihnen zustehenden Platz (Frauen machen immerhin mehr als 50% der Weltbevölkerung aus) sollte ihnen nicht verwehrt werden.
Deshalb tritt die WASG ja auch für Geschlechtergerechtigkeit ein. Wir fordern gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit (ist die Arbeit, ein Auto zu bauen mehr wert, als Kranke zu pflegen?), gleiche Rechte und volle tarifliche Absicherung für Teilzeitbeschäftigte (Frauen sind überproportional z.B. in Minijobs beschäftigt). Wir fordern die gesellschaftliche Durchsetzung des Rechtes auf Arbeit ohne sexuelle Belästigung und Diskriminierung. Die Bereitstellung von Bundes- und Landesmitteln zum Erhalt und Ausbau von Mädchen- und Frauenberatungsstellen, Frauennotrufen und Frauenhäusern gehört zu unseren Forderungen wie auch das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ohne Zwangsberatung.
Das würde explizit für Berlin unter anderem heißen, daß die Forderungen des Charitè-Pflegepersonals endlich erfüllt werden. Gerade Pflegeberufe sind oft "Frauenberufe". Das heißt, wenn in der Charité seit 2002 keine Gehaltserhöhungen mehr gegeben hat, trifft das vor allem Frauen. Wenn betriebsbedingte Kündigungen vorbereitet werden, unter anderem um den Druck auf das Klinikpersonal zu erhöhen damit es eher noch Lohnkürzungen zuzustimmt, trifft auch dies vor allem Frauen.
Arbeitslose Frauen, die von Hartz IV betroffen sind, sollten zumindest einen eigenständigen Anspruch auf den vollständigen Regelsatz des AlgII erhalten. Damit sie wenigstens unabhängig von eventuellen Partnern ihr Leben gestalten können. Dazu sollte Berlin eine Bundesratsinitiative starten.
Unbenommen bleibt davon, daß Hartz IV zusammen mit den anderen Hartz - Gesetzen und der gesamten Agenda 2010 endlich auf den Müllhaufen der Geschichte gehört.
Meiner Meinung nach ist auch Gender-Budgetting eine durchsetzenswerte Forderung der Frauenbewegung. Das bedeutet, jede Investition oder Förderung sollte danach geprüft werden, ob mehr Frauen oder Männern zu Gute kommt. Z.B.. wird der Öffentlich Personennahverkehr immer noch mehr von Frauen als von Männern genutzt. Deshalb sollte geprüft werden, ob die Förderung von und Investitionen in den ÖPNV denen des Straßenneu- und Ausbaus entspricht. Und natürlich dann auch entsprechend gehandelt werden.
Im übrigen sollten Migrantinnen einen vom Partner unabhängigen Aufenthaltsstatus bekommen und sie sollten besonders in ihrer selbsständigen Lebensführung unterstützt werden.
Damit meine Antwort nicht zu lang wird, bitte ich Sie, weiteres aus dem Programm der Berliner WASG zu entnehmen.
Nun zum ersten Teil Ihrer Frage, Herr Cramer. Hier bin ich unsicher, was Sie mit dem Ausdruck: "Lucy Redler und ihr Team" meinen. Frau Redler ist im geschäftsführenden Landesvorstand der WASG Berlin und unsere Spitzenkandidatin. Ich bin im erweiterten Landesvorstand und habe von einem "Team von Lucy Redler", das sich der "Zwangsvereinigung widersetzt" noch nichts gehört. Wir sind eine demokratische Partei und entscheiden über unsere Existenz auch demokratisch.
Aber vielleicht ist der Inhalt Ihrer Frage eher die Sorge, daß eine Stimme für die WASG letztendlich eine Stimme für die L.PDS sein könnte.
Ich weiß auch noch nicht, wie die Entwicklung in dem "Verschmelzungsprozess" (es gibt immer wieder unterschiedliche Bezeichnungen für das, was zwischen WASG und L.PDS ablaufen soll - Neugründung, Vereinigung, Fusion, Beitritt...) sich in Zukunft gestalten wird, vor allem nach der Berliner Wahl. Und ich kann auch nicht wissen, wie sich andere Mitglieder der WASG Berlin entscheiden werden.
Aber ich bin davon überzeugt, daß keine/r der KandidatInnen sich für diese Art Politik hergeben wird, die die letzten fünf Jahre von der L.PDS im Senat von Berlin betrieben wurde. Deshalb glaube ich, daß die Sorge, die Positionen der Berliner WASG gegen Sozialabbau, Privatisierung und Lohndumping könnten durch eine "Zwangsvereinigung" mit der L.PDS verwässert werden oder gar verschwinden, unnötig ist. Wir haben die Bedingungen, unter denen wir ein Zusammengehen befürworten würden, laut und deutlich und oft genug genannt. Wenn sie nicht erfüllt werden ist es uns schwer möglich, mit der L.PDS zu "verschmelzen".
Ich kann aber auf jeden Fall für mich persönlich erklären, daß mich sicher erfolgreich einer "Zwangsvereinigung" widersetzen werde, denn es ist immer noch meine ureigene demokratische Entscheidung, in welcher Partei ich mich engagieren will. Ich weiß, daß es auch dazu offensichtlich andere Meinungen gibt, aber Demokratie ist für mich nach 16 Jahren Neubundesbürgertum eine der wenigen wirklich positiven Errungenschaften der Wende in der DDR.
Mit freundlichen Grüßen,
Andrea Schulteisz