Werden Sie sich für eine Ergänzung von Art. 3 GG um den Begriff der sexuellen und geschlechtlichen Identität stark machen, damit queere Menschen geschützt werden?
Auch nach 1945 wurden noch ca. 50.000 Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität angeklagt und damit Karrieren, Familien und Biografien zerstört. Das Bundesverfassungsgericht stellte 1957 fest, dass die Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität nicht gegen den Gleichheitssatz von Art. 3 GG verstoßen. Die Freiheit queerer Menschen ist also nicht als Grundrecht geschützt.
Trotz der massiven gesellschaftlichen Fortschritte schüren AfD-Politiker heute noch Hass und bezeichnen Homosexuelle öffentlich als "degenerierte Spezies, widernatürlich“ und "Fehler im System“ (Kay Nerstheimer). Es besteht Grund zur Annahme, dass die Rechte queerer Menschen durch die AfD in Gefahr sind — ein Blick nach Polen, Ungarn oder Italien reicht aus um zu sehen, wie Rechtspopulisten mit queeren Menschen umgehen.
Das darf nicht passieren.
Werden Sie sich für die Grundrechte queerer Menschen einsetzen, indem Art. 3 GG um die sexuelle und geschlechtliche Identität ergänzt wird?
Sehr geehrter Herr H.
vielen Dank für ihre Frage. Für mich ist klar: Für alle Menschen muss immer, überall und ausnahmslos der volle Schutz unseres Rechtsstaats bestehen – unabhängig von der sexuellen Identität. Für Diskriminierung jeglicher Art habe ich keinerlei Verständnis.
Ich bin deshalb den Müttern und Vätern unseres Grundgesetzes sehr dankbar für die Etablierung des Artikel 3. Dieser Artikel garantiert nach meinem Dafürhalten bereits heute mit dem sog. Gleichheitssatz und dem Diskriminierungsverbot eben genau die von Ihnen angesprochene Thematik. Die Präzision des Grundgesetzes lebt von seiner Kürze und der damit verbundenen Prägnanz. Der Staat ist schon mit Blick auf die Garantie der Menschenwürde verpflichtet, die geschlechtliche, aber auch sonstige Selbstdefinition eines jeden Menschen grundsätzlich zu akzeptieren und zu schützen.
Eine Änderung des Grundgesetzes ist aus guten Grünen nur mit einer sog. 2/3 Mehrheit nötig. Die Debatte dazu muss sorgfältig und sensibel geführt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz MdB