Warum sind Sie gegen die Selbstbestimmung von Menschen?
Sehr geehrte Frau Lindholz,
kürzlich haben sie + drei Kolleg*innen einen Brief an die CDU/CSU Bundestagsfraktion zum Selbstbestimmungsgesetz geschrieben.
Dieser Brief wurde von einer trans feindlichen Organisation veröffentlicht. In welcher Beziehung stehen Sie zu dieser Organisation? Die Organisation schreibt unter anderem davon, dass die Aussage trans Frauen seinen Frauen, Propaganda sei – ist das auch Ihre Meinung? (https://www.laz-reloaded.de/stellungnahmen/)
In ihrem Brief nennen sie trans Jungen "junge Mädchen". Entspricht das Misgendern von Personen Ihrer Vorstellung eines Respektvollen Umgangs? Sie schreiben auch, dass eine Mehrheit der Bevölkerung ihr Geschlecht nicht hinterfrage und Sie daher eine leichte Änderung des Personenstands ablehnen. Entsprechend dieser Argumentation: Lehnen Sie die Abschaffung des § 175 ab, weil eine Mehrheit nicht schwul ist?
Sehr geehrte Frau C.,
vielen Dank für Ihre Frage. Als Union haben wir uns intensiv mit den vorliegenden Eckpunkten auseinandergesetzt.
Klar ist für uns und das können Sie unserem Schreiben entnehmen: Transsexuelle Menschen sehen sich in ihrem Leben mit zahlreichen Herausforderungen und Fragen konfrontiert – im persönlichen, gesellschaftlichen und rechtlichen Bereich. Der Staat muss die besonderen Lebenssituationen von transsexuellen Menschen berücksichtigen, wenn er ihre Rechte und Pflichten regelt. Die aktuellen Vorschriften zur Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister (TSG) unterstützen die Betroffenen nicht ausreichend. Vielmehr wird die Rechtslage oft als diskriminierend wahrgenommen, insbesondere weil das vorgesehene Verfahren zu lange dauert, zu viel kostet und zu stark in die Privatsphäre der Betroffenen eingreift. Wenn biologisches Geschlecht und geschlechtliche Identität abweichen, braucht es für Betroffene einen verlässlichen und rechtlichen Rahmen zur Personenstandsänderung.
Gleichzeitig ist der Wechsel des eigenen Geschlechts in persönlicher und rechtlicher Hinsicht ein einschneidender Schritt. Dies rechtfertigt, dass der Staat hierfür bestimmte Regeln vorsieht. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu im Jahr 2011 klar positioniert. Uns als Fraktion ist v.a. wichtig, dass hier für Rechtssicherheit gesorgt und damit etwaigem Missbrauch und Beliebigkeit vorgebeugt wird. Die Schwelle der Möglichkeit der Namensänderung beim Standesamt ist für uns insoweit zu niedrig angesetzt. Deshalb wollen wir z.B. bei Erwachsenen eine verpflichtende qualifizierte Beratung in Form von zwei Beratungsterminen durch qualifizierte Fachleute, um die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit der Entscheidung vor dem Gesetz zu untermauern
Daneben beschäftigen uns v.a. die geplanten Regelungen für Kinder und Jugendliche, denn hier müssen schon aufgrund der Schutzbedürftigkeit dieser Altersgruppe andere Regelungen gelten als bei Erwachsenen. Hier ist meiner Ansicht nach größte Sorgfalt gefragt. Denn gerade bei Kindern und Jugendlichen müssen die Folgen des geplanten Gesetzes besonders sorgfältig beurteilt und abgewogen werden.
Alles in allem wollen wir eine Lösung, die die berechtigten Interessen der Betroffenen ernst nimmt und ihren besonderen Lebenssituationen durch ein angemessenes Verfahren zur Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags Rechnung trägt, aber dabei die Trennung von rechtlichem und biologischem Geschlecht nicht beliebig macht und möglichem Missbrauch vorbeugt.
Mit freundlichen Grüßen
Andrea Lindholz MdB